Rechtsausschuss Stephan Brandner muss den Ausschuss-Vorsitz abgeben
Das hat es in der Geschichte des Bundestages noch nie gegeben: Ein Ausschuss beruft seinen Vorsitzenden ab. Hier die Hintergründe dazu, was heute im Rechtsausschuss geschah.
In der heutigen Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz stimmten alle Mitglieder bis auf die AfD-Abgeordneten dafür, Stephan Brandner (AfD) vom Amt des Ausschuss-Vorsitzenden abzuberufen.
Warum kam es dazu?
In den letzten Wochen hatte es im Bundestag mehrfach Diskussionen über Tweets des Ausschussvorsitzenden gegeben.
Nach dem Terror-Anschlag in Halle Anfang Oktober hatte Brandner einen abwertenden Satz über die Mahnwachen überall in Deutschland retweetet: „Warum lungern Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen rum?“ Schließlich seien die Opfer in Halle ja eine „Deutsche, die gern Volksmusik hörte“, und ein „Bio-Deutscher“ gewesen. Der Tweet erwähnte nicht, dass der Anschlag ursprünglich einer Synagoge galt, also einem jüdischen Gotteshaus.
Widerspruch erzeugte auch ein Tweet von Brandner, in dem er die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den Rockmusiker Udo Lindenberg kritisierte und sie als „Judaslohn“ bezeichnete. Das Wort "Judaslohn" gilt in Teilen der Gesellschaft als antisemitisch (feindlich gegenüber den Juden, gegen das Judentum gerichtet) aufgeladen. Der Begriff geht auf Textpassagen in der Bibel zurück: Der Apostel Judas Ischariot soll Jesus verraten und dafür von den Hohepriestern Geld erhalten haben.
Die fünf anderen Fraktionen im Rechtsausschuss sahen durch die Tweets und Retweets die Zusammenarbeit mit Brandner belastet. Er zeige keine Einsicht, dass seine Äußerungen falsch gewesen seien und sei weder politisch noch menschlich für das Amt des Ausschuss-Vorsitzenden geeignet.
Brandner, der seinen Wahlkreis in Thüringen hat, hatte die Vorwürfe zurückgewiesen.
Wie läuft eine Abberufung ab?
Am 6. November hatten alle Fraktionen bis auf die AfD in einer Sitzung des Rechtsausschusses den Rücktritt Brandners gefordert. Anschließend hatte der sogenannte Geschäftsordnungsausschuss die Abberufung geprüft und dann genehmigt. Der Geschäftsordnungsausschuss ist für die inneren Angelegenheiten des Parlamentes zuständig. Er ist eine Art Schiedsrichter, der für die Auslegung und Änderung der Geschäftsordnung verantwortlich ist und Lösungen bei Konflikten erarbeitet.
In der Begründung hieß es: Zwar vereinbare der Ältestenrat die Verteilung der Ausschuss-Vorsitze an die Fraktionen. Die Entscheidung, welche Person den Vorsitz letztendlich übernehme, liege aber beim Ausschuss selbst. Und diese Entscheidung müsse auch wieder rückgängig gemacht werden können.
In der 70-jährigen Geschichte des Bundestages ist dies das erste Mal, dass ein Ausschuss seinen Vorsitzenden absetzt. Nach der Abstimmung gegen Brandner übernahm erst einmal vorübergehend der stellvertretende Vorsitzende Heribert Hirte (CDU/CSU) den Vorsitz. Die AfD wird dann einen Vorschlag für einen neuen Vorsitzenden aus ihren Reihen machen können.
(DBT/jk)
In unserem Video erfahrt ihr mehr über die Rolle der Ausschüsse im Bundestag: