Christian Lindner (FDP) „Politik ist eine persönliche Leidenschaft“
Till Stange
Christian Lindner (FDP) sieht man oft im Fernsehen, er ist viel unterwegs. Till hat ihn auf einem Schloss in seinem Wahlkreis in Nordrhein-Westfahlen getroffen.
Voller Kalender – gut so
Schloss Eulenbroich liegt in der malerischen Umgebung des Rheinisch Bergischen Landes im Westen Deutschlands. Es verbreitet eine Atmosphäre von Ruhe und Gelassenheit. Bei strahlendem Sonnenschein soll im Innenhof des Schlosses das Gespräch mit Christian Lindner stattfinden.
Schon seit Monaten ist dieser Termin im Kalender des 40-jährigen Bundesvorsitzenden der FDP geblockt, denn dieser ist prall gefüllt. Im ganzen Jahr hat Christian Lindner inklusive Weihnachten und Silvester gerade mal 20 Tage vollständig frei. Unter der Woche versuchen seine Mitarbeiter, einen Abend für ihn freizuhalten – das gelingt nicht immer.
„Ich empfinde gar nicht so viel Stress. Ich habe viel zu tun, ja, ich habe einen engen Zeitplan, es sind viele Entscheidungen zu treffen und es gibt immer Streitereien in den Medien und in der Öffentlichkeit. Diese Intensität finde ich aber gut. Politik ist für mich kein Beruf, sondern eine persönliche Leidenschaft“, sagt Lindner, der Politikwissenschaft, Öffentliches Recht und Philosophie studiert hat und heute der Vorsitzende der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag ist.
Berlin – Köln – Rheinisch-Bergischer Kreis
Landtagswahlkampf in Sachsen und Brandenburg, andere Großveranstaltungen – verfolgt man seine Beiträge in den sozialen Medien, merkt man schnell, dass Lindner trotz parlamentarischer Sommerpause viel unterwegs ist. Erst heute morgen flog er von Berlin nach Köln, nahm dort einen Termin zur Finanzpolitik wahr und fuhr anschließend mit privatem Fahrer in den Rheinisch-Bergischen Kreis, um dort zuerst mit mir zu sprechen und anschließend an einem Bürgerdialog teilzunehmen.
Auf einer Parkbank am Rande des Schlosses führen wir das Interview, denn es wäre unmöglich, am Veranstaltungsort in Ruhe mit ihm zu reden. Zu viele Menschen wollen ein Foto mit ihm machen oder ihm einfach die Hand schütteln. Die große Aufmerksamkeit schränkt ihn aber in seinem Privatleben nicht ein, findet Lindner: „Das ist ja der Grund, warum ich Politiker geworden bin, weil ich gerne den Kontakt zu Menschen habe.“ Negative Erfahrungen habe er dabei zum Glück noch nie gemacht. In 20 Jahren als Politiker sei noch nie jemand übergriffig geworden.
Oase mitten in der Urbanisierung
Am Rheinisch-Bergischen Kreis schätzt der gebürtige Wuppertaler vor allem die Natur, die Wälder, die Talsperren – und die Zivilgesellschaft. Für all das sei das Schloss Eulenbroich ein gutes Beispiel: Als Begegnungszentrum setze es ein Zeichen für ehrenamtliches Engagement und liege außerdem in einer malerischen Landschaft. Sein Heimatkreis sei eine „Oase mitten in einem stark urbanisierten Raum.“
Man merkt, dass Christian Lindner sich hier wohl fühlt. Er bezeichnet sich selbst als „Lokalpatriot“, der sich durchaus vorstellen könnte, in das Bergische Land zu ziehen, wenn es seine berufliche Tätigkeit erlauben würde.
Durch seine Aufgaben als Bundesvorsitzender ist der FDP-Politiker jedoch nicht allzu häufig in seinem Heimatwahlkreis anzutreffen. Ungefähr drei Großveranstaltungen im Jahr schafft er. Das findet er aber nicht problematisch: „Was für Deutschland und Nordrhein-Westfahlen gut ist, kann für den Rheinisch-Bergischen Kreis und meine Heimatstadt Wermelskirchen nicht schlecht sein. Ich verstehe mich als einen Politiker, der sich ganz übergreifend für Themen stark macht. Als Wahlkreisabgeordneter ist man der erste Ansprechpartner für Menschen aus der eigenen Region. Ich habe eine 24-Stunden-Bereitschaft für alle Bürgeranliegen.“
Digitaler Abgeordneter
Dabei können viele Anliegen über die sozialen Medien oder eine E-Mail geklärt werden. In seinem engen Mitarbeiterkreis arbeiten 15 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, dennoch verfasst der Bundestagsabgeordnete viele Beiträge auf Twitter und Co. selbst.
Seit einiger Zeit betreibt Christian Lindner sogar einen eigenen Podcast, in dem er Menschen aus Politik, Kultur und Wirtschaft zum Gespräch bittet. Hätte er die Möglichkeit, historische Personen dazu einzuladen, würde er gerne einmal Steve Jobs und Johannes Paul II. interviewen. Denn Steve Jobs lobt er als „den großen Innovator“. Johannes Paul II. dagegen habe viel zum Abbau des Ost-West-Konflikts beigetragen und sei immer offen für die Idee der sozialen Marktwirtschaft gewesen.
Am Ende des Tages geht es für Christian Lindner mit dem letzten Flieger zurück nach Berlin. In der folgenden Woche stehen weitere Wahlkampfveranstaltungen in Sachsen und Brandenburg an. Er freut sich darauf.
Über Christian Lindner
Christian Lindner, 40, ist Politikwissenschaftler und Hauptmann der Reserve bei der Luftwaffe. Er gründete ein Internet-Unternehmen mit und besaß eine Werbeagentur. Von 2009 bis 2012 saß er für die FDP im Bundestag, seit 2017 tut er es zum zweiten Mal. Er ist Vorsitzender der FDP-Fraktion und Mitglied im Gemeinsamen Ausschuss sowie im Vermittlungsausschuss. Er ist zudem Bundesvorsitzender der FDP. Mehr erfahrt ihr auf seinem Bundestagsprofil.
Till Stange
ist 23 Jahre alt, kommt aus Köln und studiert VWL mit politischem Schwerpunkt. Seit seiner Kindheit interessiert er sich schon für Journalismus.