Wehrpflicht Sollen junge Männer wieder zur Armee?
Ludwig Schaumberger
Viele unserer Väter haben die sogenannte Wehrpflicht geleistet. Seit 2011 ist sie jedoch ausgesetzt. Die AfD findet, das sollte sich jetzt wieder ändern. Die anderen Fraktionen widersprechen.
Nach dem Schulabschluss hat man die Wahl: Eine Ausbildung machen, studieren, vielleicht ins Ausland gehen oder doch erst einmal ein Freiwilligenjahr leisten und Ideen sammeln, was man anschließend machen möchte. In der Generation unserer Eltern war das anders – zumindest für die Männer. Denn bis zum Jahr 2011 galt in Deutschland die sogenannte allgemeine Wehrpflicht: Alle Männer mit deutscher Staatsangehörigkeit konnten ab dem 18. Lebensjahr zum Wehrdienst einberufen werden.
Die Idee dahinter: Die männlichen Bürger des Staates sollten eine Zeit lang in der Armee dienen. Sie sollten Verantwortung für ihr Land übernehmen und im Kriegsfall die Berufssoldaten unterstützen. 2011 wurde der Wehrdienst in Deutschland allerdings ausgesetzt. Die Bundeswehr ist seitdem eine sogenannte Freiwilligenarmee.
Das möchte die AfD nun wieder rückgängig machen. Was dafür und was dagegen spricht, darüber haben die Abgeordneten kürzlich im Plenum diskutiert.
Warum Dienst an der Waffe?
Die Idee, dass Bürger die Streitkräfte ihres Landes unterstützen, gibt es schon seit dem 19. Jahrhundert. Mit der Reichsgründung von 1871 wurde die allgemeine Wehrpflicht in der Reichsverfassung festgeschrieben. In der Bundesrepublik wurde der sogenannten Grundwehrdienst dann 1956 eingeführt. Kurz zuvor, 1955, war die Bundeswehr gegründet worden – zehn Jahre nachdem Deutschland den Zweiten Weltkrieg verloren hatte.
Dahinter steckte auch die Idee des "Bürgers in Uniform". Soldaten sollten sowohl Teil der Gesellschaft als auch der Streitkräfte sein. Das sollte einerseits in der Gesellschaft die Verbindung zu den Streitkräften stärken und andererseits die Werte des Staates und der Gesellschaft bei den Soldaten verankern.
Grundsätzlich konnte jeder männliche Deutsche ab dem 18. Lebensjahr eingezogen werden. Dazu wurden alle jungen männlichen Erwachsenen zur sogenannten Musterung bestellt. Es wurde geprüft, ob sie tauglich, also zum Wehrdienst geeignet, waren. Abhängig war das zum Beispiel von der körperlichen Gesundheit.
Wer jedoch kein Teil einer Armee sein wollte, konnte den „Dienst an der Waffe" verweigern und den sogenannten Zivildienst leisten – zum Beispiel im Altenheim helfen oder eine Naturschutzorganisation unterstützen. Festgeschrieben steht das alles im Wehrpflichtgesetz.
Ausgesetzt statt abgeschafft
Seit den 1990-er Jahren wurde in Deutschland immer wieder über Vor- und Nachteile der Wehrpflicht diskutiert. Befürworter fanden, dass eine Pflicht die Kluft zwischen Gesellschaft und Militär schließt. Denn wer schon einmal erlebt hat, wie Soldaten arbeiten, kann sich dazu auch besser eine Meinung bilden.
Kritiker fanden, dass es ungerecht sei, nur Männer einzuziehen. Außerdem wurde immer nur eine gewisse Zahl an Personen einberufen – so mussten einige Wehrdienst leisten und andere nicht. Auch ein anderes Argument gewann an Bedeutung: Die Rolle der Bundeswehr hatte sich verändert. Sie war zu einer Einsatzarmee geworden (Beispiel Afghanistan-Einsatz) und verlangte nach bestens ausgebildeten Spezialisten, die sich nicht innerhalb weniger Monate heranbilden ließen.
2011 entschied der Bundestag dann, die Wehrpflicht bis auf Weiteres auszusetzen. Die Politiker und Politikerinnen beschlossen aber bewusst, sie nicht für immer abzuschaffen. So sollte es möglich bleiben, die Bundeswehr wieder schnell zu vergrößern.
Was fordert die AfD-Fraktion?
Die AfD möchte laut ihrem Antrag eine „Reaktivierung der Wehrpflicht“ für alle Männer. Dennoch soll der allgemeine Wehrdienst beiden Geschlechtern offenstehen. Ausländer sollen nicht wehrpflichtig sein, können aber freiwillig dienen. Die allgemeine Wehrpflicht sollte ein Jahr dauern, muss aber kein ununterbrochener Zeitraum sein. Mindestens 30.000 Wehrpflichtige sollen pro Jahr einberufen werden. Junge Menschen sollten sich aber idealerweise sogar um einen Platz bewerben.
Rüdiger Lucassen, verteidigungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, nannte die Aussetzung der Wehrpflicht in der Debatte einen großen Fehler. Immerhin habe es die Wehrpflicht über 200 Jahre lang gegeben und sie habe die Bundeswehr mit der Bevölkerung verbunden, sagte er im Bundestag.
Viele, die heute noch bei der Bundeswehr seien, wären ohne die Wehrpflicht nie dazu gekommen. Daher unterstützten auch große Teile der Bundeswehr diesen Vorschlag, sagte Lucassen. Ein weiteres Argument, das er anführte: Für ein paar Monate wären alle gleich, egal wieviel Geld sie hätten oder wo sie herkommen würden.
CDU/CSU und SPD: Überzeugen statt zwingen
„Wir wollen junge Menschen nicht zwingen, sondern überzeugen, einen freiwilligen Dienst zu leisten“ hielt Henning Otte, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion der AfD entgegen. Immerhin leisteten über 8.000 Soldatinnen und Soldaten einen freiwilligen Dienst und die Aussetzung der Wehrpflicht sei eine richtige und notwendige Entscheidung gewesen. Die Bundeswehr habe sich im Laufe der Zeit verändert und sei keine „Schule der Nation“, sondern leiste mit modernen Hilfsmitteln und professionellem Personal einen wichtigen Beitrag für Deutschland und die Welt.
Ähnlich sieht es auch die SPD. Der SPD-Verteidigungsexperte Fritz Felgentreu sagte, dass die Rückkehr zur Wehrlicht genau das Gegenteil dessen bewirken würde, was die AfD wolle. Das Ganze wäre eine Belastung statt einer Unterstützung. Die Bundeswehr ist seit 2011 eine Freiwilligenarmee. Somit gäbe es für Wehrpflichtige weder Unterkünfte noch Ausbilder. Der Bund müsse daher viel Geld und Ressourcen aufwenden, um die Bundeswehr erneut umzustellen. Ein ausführliches Interview mit Felgentreu lest ihr hier.
FDP: Mit Grundgesetz nicht vereinbar
Der FDP-Abgeordnete Alexander Müller sagte, die Wehrpflicht bringe „keinen militärischen Mehrwert“, da es nicht möglich sei, jungen Menschen in so kurzer Zeit die inzwischen hochkomplexe Technik der Bundeswehr näherzubringen. Daher sollte jeder einfach den Beruf ausüben, den er möchte. Zudem sei es mit dem Gleichstellungsgrundsatz im Grundgesetz nicht mehr vereinbar, die Wehrpflicht nur für Männer zu reaktivieren, wie es die AfD vorschlägt.
Linke gegen Militarisierung
Tobias Pflüger (Die Linke) betonte „Wir wollen keine Militarisierung der Gesellschaft“. Die AfD wolle Deutschland zu einer Großmacht in Europa machen. Er argumentierte, dass dieser Gedanke schon öfter Krieg und Verderben bedeutet habe.
Grüne: Verstaubte Debatte
Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) warnte, dass man genau prüfen sollte, wen man in die Bundeswehr lasse. Rechtsextremisten sollten schneller und einfacher entlassen werden können, so Brugger. Die Debatte über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht sei „verstaubt“.
Der AfD-Antrag wurde zur weiteren Beratung an den Verteidigungsausschuss überwiesen. Die ganze Debatte könnt ihr euch im Video anschauen.
Ludwig Schaumberger
... ist 17 Jahre alt, kommt aus dem bayerischen Seeon und besucht aktuell die 11. Klasse eines Gymnasiums. Seine Freizeit verbringt er mit seinen Freunden oder bei der THW Jugend. Weil er so neugierig ist, kann er keine Information aufnehmen, ohne nicht sofort die Hintergründe per Suchmaschine zu recherchieren.