Zum Inhalt springen

Grundgesetz Das Wort "Rasse" streichen

Eric Matt

Sollte das Wort "Rasse" im Grundgesetz gestrichen werden? Darüber haben die Abgeordneten des Bundestages diskutiert. Die Mehrheit der Redner meint: Ja. Es gibt allerdings noch einen Knackpunkt.

Artikel 3 des Grundgesetzes auf eine Glasplatte gedruckt

Die Mehrheit der Fraktionen ist sich einig, dass das Wort "Rasse" aus Artikel 3 des Grundgesetzes verschwinden sollte. © picture alliance/Wolfram Steinberg

Das Grundgesetz ist die deutsche Verfassung. Darin stehen auch die wichtigen Grundrechte. Das sind elementare Rechte, die jedem Einzelnen zustehen. Sinn der Grundrechte ist, dass die Bürger vor staatlichen Eingriffen geschützt sind. Das gesamte deutsche Recht beruht auf ihnen.

Niemand darf benachteiligt werden

Eines dieser Grundrechte ist der Artikel 3. Dort heißt es im dritten Absatz, dass kein Mensch bevorzugt oder benachteiligt werden darf: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."

Forscher: Menschenrassen gibt es nicht

Klingt erst einmal fair. Doch ein Wort in diesem Artikel erhitzt die Gemüter: Der Begriff der „Rasse“ sei menschenverachtend und diskriminierend, sind sich viele Abgeordnete einig. Der Begriff, so wird kritisiert, sei zudem wissenschaftlich falsch. Die Kritiker verweisen auf Ausführungen von Evolutionsforschern, einer davon arbeitet etwa an einem Forschungsinstitut der angesehenen Max-Plank-Gesellschaft, einer der führenden deutschen Institutionen im Bereich der Grundlagenforschung.

In einer Erklärung schreiben die Forscher, dass "Rassen willkürliche Konstrukte des menschlichen Geistes" seien. Sie sagen: Hunderassen – ja, Menschenrassen – nein.

Soll der Begriff also aus dem Grundgesetz gestrichen werden? Darüber hat der Bundestag Ende November debattiert. Konkrete Vorschläge zu Grundgesetzänderungen lagen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Linksfraktion vor. In der Debatte berieten die Abgeordneten drei weitere Oppositionsanträge mit: einen Antrag der AfD-Fraktion und zwei weitere Anträge der Grünenfraktion.

Wie ändert man das Grundgesetz?

Da das Grundgesetz so wichtig ist, gibt es hohe Hürden für eine Änderung. Für Verfassungsänderungen bedarf es einer Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Bundestages und der Stimmen des Bundesrates. Das heißt: Es müssen sich mehrere Fraktionen einig werden, sonst kommen diese Stimmen nicht zusammen.

Welches Problem könnte auftreten?

Viele Juristen haben Bedenken: Wenn man "Rasse" aus dem Grundgesetz streichen würde, stellt sich die Frage, wie das Grundgesetz dann überhaupt noch vor Rassismus schützen kann. Rechtswissenschaftler weisen daher darauf hin, dass der neue Begriff genauso gut vor Rassismus schützen müsse wie der alte. Dass der Begriff "rassistisch" den gleichen Schutz bieten soll, ist umstritten.

Gesetzentwurf der Grünen: "Rassistisch" statt "Rasse"

Mit ihrem Gesetzentwurf möchten die Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen den Begriff "Rasse" durch "rassistisch" ersetzen. Der Begriff der "Rasse" wäre mit der "Menschenwürdegarantie und dem Grundsatz der Gleichheit aller Menschen" unvereinbar, argumentiert die Fraktion. Außerdem möchte die Fraktion das Grundgesetz erweitern: "Der Staat gewährleistet Schutz gegen jedwede gruppenbezogene Verletzung der gleichen Würde aller Menschen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."

Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) sagte in der Debatte, sie freue sich, wenn dieses Vorhaben noch in der laufenden Legislaturperiode mit breiter Mehrheit im Parlament verabschiedet werde.

Gesetzentwurf der Linken: Es gebe "Rassismus, aber keine Rassen"

Auch die Fraktion Die Linke möchte den Begriff "Rasse" durch "rassistisch" ersetzen. Die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut argumentierte: "Unsere Verfassung soll alle Menschen in diesem Land wirksam vor Ungleichbehandlung schützen, ohne selbst einen diskriminierenden Charakter zu haben."

Sie sagte, es gebe "Rassismus, aber keine Rassen". So solle das Wort "Rasse" im Grundgesetz durch ein "Verbot von rassistischer Diskriminierung" ersetzt werden, wodurch keine Schutzlücke entstehe. Schon jetzt hätten einige EU-Staaten den Begriff "Rasse" aus ihrer nationalen Gesetzgebung verbannt.

CDU/CSU: "Es gibt keine menschlichen Rasse"

Die CDU-Abgeordnete Annette Widmann-Mauz ist die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Sie sagte, dass "Rassismus der Nährboden von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit" sei. Widmann-Mauz unterstützt das Vorhaben, "Rasse" aus dem Grundgesetz zu streichen.

Thorsten Frei, ebenfalls von der Unionsfraktion, betonte: "Es gibt keine menschlichen Rassen." In diesem Bereich sei die biologisch-naturwissenschaftliche Forschung so klar wie bei kaum einem anderen Thema. Gleichwohl gebe es Rassismus in der Gesellschaft. Man müsse eine Lösung finden, die den Diskriminierungsschutz im Grundgesetz nicht verkürzt, sondern das hohe Niveau dieses Schutzes aufrechterhält. Es gehe darum, den Begriff "Rasse" zu ersetzen und nicht nur zu streichen, fügte Frei hinzu.

SPD: "Juristisch nicht ganz einfach"

Auch der SPD-Abgeordnete Dirk Wiese betonte, dass er "den vorliegenden Gesetzentwurf der Grünen richtig finde", da "es Menschenrassen nicht gibt". Dennoch sei Rassismus leider immer noch allgegenwärtig. Es sei richtig, dass der Kabinettsausschuss das Vorhaben der Koalition bestätigt habe, den Begriff "Rasse" zu ersetzen. Er stellte aber auch klar, dass man zuerst einen gleichwertigen Ersatz finden müsse.

Die gemeinsame Herausforderung sei nun, dabei das bestehende Schutzniveau nicht aufzuweichen. Dies werde "juristisch nicht ganz einfach sein". Dieser Aufgabe solle man sich parteiübergreifend stellen. Er selbst könne noch "keine Formulierung auf den Punkt bringen", die juristisch sicher ist und den Schutz aller Menschen beibehält.

AfD: "Benennen von natürlichen Unterschieden" sei "nicht rassistisch"

Marc Jongen von der AfD-Fraktion sagte, dass man diskutieren könne, ob der Begriff der "Rasse" heute noch angemessen sei. Die Gesetzentwürfe der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke aber hält er für "hysterisch und heuchlerisch".

"Wie das Geschlecht in der Genderideologie sollen auch alle sonstigen naturgegebenen Unterschiede zwischen den Menschen nur noch eine böswillige gesellschaftliche Konstruktion sein", sagte er. Es sei aber nicht "das Benennen von natürlichen Unterschieden bereits rassistisch, sondern einen Überlegenheitsanspruch, eine Unterdrückung daraus abzuleiten".

FDP: "Stein der Weisen" noch nicht gefunden

Der FDP-Abgeordnete Stephan Thomae betonte, dass das Wort "Rasse" "nicht den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen" entspreche. Thomae erklärte aber auch, dass der Grünen-Vorschlag, "Rasse" durch "rassistisch" zu ersetzen, nicht den gleichen Schutz biete. In Bezug auf einen passenden Ersatz stellte er fest: "Den Stein der Weisen hat noch keiner gefunden."

Thomae kritisierte an den beiden Gesetzentwürfen der Grünen- und der Linksfraktion, es würde "die Sache nicht besser" machen, nur von einer "Benachteiligung" zu sprechen, wenn jemand rassistisch diskriminiert werde. Denn auch das entspringe einer Geisteshaltung. Der Begriff "rassistisch" sei ein innerer Tatbestand. Das heißt, jemand handele bewusst und willentlich rassistisch.

Die Debatte könnt ihr euch im Video ansehen.

Portraitfoto von mitmischen-Autor Eric Matt
Mitmischen-Autor

Eric Matt

... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.

Du hast auch Lust, bei uns mitzumischen?

Schreib für uns!

Mehr zum Thema