CDU-Abgeordnete „Das richtet sich nicht gegen die Männer“
Der Bundestag arbeite besser, wenn dort 50 Prozent Frauen säßen, sagt Yvonne Magwas. Die CDU-Abgeordnete über Laber-Runden, Glaskugel-Schauen und das Frauen-Bild der AfD.
Etwa die Hälfte der Deutschen sind Frauen, doch nur rund ein Drittel der Volksvertreter im Bundestag sind weiblich. Woran liegt das?
Das hat verschiedene Gründe. Zum einen hat es mit dem Wahlrecht zu tun. Frauen werden oft eher über die Zweitstimme gewählt, sie kommen also über die Liste der Partei in den Bundestag. Der Weg über die Erststimme, also als Direktkandidat, ist bei Frauen seltener. Daran könnte man über ein neues Wahlrecht etwas ändern. Das muss diskutiert werden. Zum anderen darf es keine ‚gläserne Decke‘ für Frauen geben. Strukturen und tradierte Rollenbilder müssen sich ändern. Das Ganze ist also ziemlich vielschichtig.
Ist es für Sie in Ordnung, dass lediglich ein Drittel der Parlamentarier weiblich ist?
Nein. Das ist ein Zustand, den die Frauen in der CDU/CSU-Fraktion unbefriedigend finden. Wir möchten das ändern.
Welchen Frauen-Anteil würden Sie sich denn wünschen?
Das Ziel ist natürlich Parität, also 50:50. Wenn die Hälfte der Bevölkerung weiblich ist, dann sollte sich das auch im Parlament widerspiegeln.
Können Männer Frauen denn nicht genauso gut vertreten wie Frauen?
Klar können Männer das auch. Die Forderung, dass mehr Frauen im Parlament sitzen sollen, richtet sich auch gar nicht gegen die Männer. Aber Frauen haben mitunter eine andere Sicht auf die Dinge und auch eine andere Arbeitsweise. Gemischte Teams arbeiten bekanntlich besser. Deshalb ist ein ausgewogeneres Verhältnis von Männern und Frauen unbedingt wünschenswert.
Letztlich ist das aber auch eine Demokratie-Frage, wenn die Hälfte der Bevölkerung immer weniger in Parlamenten vertreten ist. Wir haben jetzt die Situation, dass im Bundestag insgesamt 31 Prozent der Abgeordneten weiblich sind. In meiner Fraktion sind es nur 21 Prozent. Das ist für die Zukunft besorgniserregend.
Was raten Sie denn speziell Ihrer eigenen Fraktion zu unternehmen, um diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Wir machen uns zum Beispiel in der Partei auf den Weg, Regularien zu schaffen, dass mehr Frauen sich beteiligen können, zum Beispiel über ein verbindliches Frauen-Quorum auf allen Ebenen der Partei. Das kann man ja in der Satzung der Partei verankern. Man muss Frauen aber auch aktiv unterstützen, zum Beispiel über Förderungs- und Mentoring-Programme. Frauen dürfen nicht das Gefühl haben, an eine ‚gläserne Decke‘ zu stoßen, wenn sie sich auf ein Direktmandat bewerben. Wir müssen Strukturen aufbrechen und diese beispielsweise für Familien attraktiver machen.
Für das Parlament haben Linke und Grünen ebenso wie die FDP jetzt Vorschläge vorgelegt, wie man einen höheren Frauen-Anteil erreichen könnte. Was halten Sie davon?
Da muss ich etwas ausholen. Denn es ist ja nicht so, dass wir als Union keinen Vorschlag gemacht hätten. Als Union möchten wir eine Enquete-Kommission einrichten, die gesetzliche Regelungen und konkrete Maßnahmen zur Steigerung des Frauenanteils im Deutschen Bundestag erarbeitet. Dem vorangegangen waren intensive Beratungen in einer interfraktionellen Frauengruppe, die sich mit dem Thema auseinandersetzt. Die ist aus den Feierlichkeiten zu 100 Jahre Frauen-Wahlrecht letztes Jahr hervorgegangen. Da haben wir gesagt: Wir müssen dieses Thema über die Fraktionen hinweg angehen. Wir hatten dann eine sehr gute und konstruktive Gruppe von ungefähr 15 Frauen aus verschiedenen Fraktionen. In der Gruppe haben wir einen Kompromiss erarbeitet: Wir möchten eine Kommission beim Deutschen Bundestag einberufen, die das Thema bearbeitet.
Warum konnte dieser Kompromiss sich nicht durchsetzen?
Es war uns zu jedem Zeitpunkt klar, dass wir diesen Vorschlag in unseren Fraktionen durchbringen müssen, weil wir ja eine Mehrheit des ganzen Bundestages brauchen. Und natürlich hat jede Fraktion eine unterschiedliche Haltung dazu. Die SPD zum Beispiel hat das Thema Kommission inzwischen gänzlich abgehakt. Sie sagt: Wir müssen das Thema in die anstehende Wahlrechtsreform bringen. Das halte ich aufgrund der Kürze der Zeit für zu ambitioniert. Das wird nicht kommen. Und das ist auch eine Art Glaskugel-Schauen, weil wir gar nicht wissen, ob es überhaupt eine Wahlrechtsreform geben wird.
Wir als Union sagen: Eine Kommission finden wir gut. Aber wir schlagen eine Enquete-Kommission vor. Das ist eine spezielle Art von Kommission, mit der der Bundestag schon gute Erfahrungen gemacht hat. Wir hatten dafür sogar schon einen Vorlage-Beschluss formuliert.
Was haben die anderen gegen eine Enquete-Kommission einzuwenden?
In einer Enquete-Kommission hätte die AfD den Vorsitz. Und da haben manche Fraktionen gesagt, damit können sie nicht leben.
Die AfD hat sich als einzige Fraktion komplett gegen eine Initiative für mehr Frauen im Bundestag ausgesprochen. Sie meint, es sei sexistisch, überhaupt auf das Geschlecht der Abgeordneten zu schauen. Können Sie das Argument nachvollziehen?
Die AfD hat generell ein Frauen-Bild, das 50 oder 60 Jahre zurückliegt. Das sehe ich sehr, sehr, sehr kritisch. Unsere Forderung ist nicht sexistisch. Uns geht es um die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Es steht im Grundgesetz, dass der Staat sich dafür einsetzen muss. Insofern halte ich eine Sexismus-Debatte hier für völlig abwegig.
Haben Sie schon mal erlebt, dass Sie in der Politik aufgrund Ihres Geschlechts irgendwie anders behandelt wurden?
Zum Teil schon, ja. Wenn man etwa jetzt auf diese Debatte schaut, da werde ich schon mitunter eher belächelt. Aber ich sage den Männern dann immer, man muss die Fakten sehen. Wenn wir uns Wahlergebnisse anschauen, wissen wir, dass eher Frauen die Union wählen. Und wenn wir in Zukunft dahin kommen, dass wir immer weniger Frauen haben und die Union somit nicht mehr das gesellschaftliche Abbild wiederspiegelt, dann halte ich das für ein Problem. Wenn man gut argumentiert, kann man schon auch die Männer überzeugen. Man muss ihnen bloß erst mal verdeutlichen, dass das Thema wichtig ist.
Sind Sie guter Dinge, dass Sie trotz der Differenzen innerhalb der Fraktionen und zwischen den Fraktionen zu einer Lösung kommen?
Ich lade auf jeden Fall alle Fraktionen weiter ein, an einer Enquete-Kommission mitzuarbeiten. Das soll keine „Laber-Runde“ werden, sondern eine zeitlich klar begrenzte Arbeit, die ganz konkrete Ergebnisse hervorbringt, eine Art Maßnahmen-Katalog, was zu tun ist, um mehr Frauen in den Bundestag zu bekommen. Die kann man dann beispielsweise in zukünftige Koalitionsverträge einfließen lassen.
Über Yvonne Magwas
Yvonne Magwas, 40, stammt aus dem Vogtland und sitzt seit 2013 für die CDU/CSU im Bundestag. Die Diplom-Soziologin ist Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien und im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.
(jk)