Thomas Seitz (AfD) „Nicht in Berlin, um Spaß zu haben“
Eric hat Thomas Seitz von der AfD im südbadischen Lahr getroffen und mit ihm über die Probleme junger Menschen, den Klimawandel und die Coronapandemie gesprochen.
Zwischen Nelken, Rosen und Lavendel surren die Bienen und oben auf den Bäumen zwitschern die Vögel. Umgeben von saftgrünen Wiesen und meterhohen Wasserfontänen lädt mich der AfD-Abgeordnete Thomas Seitz zum Gespräch. „Schon als Kind war ich hier sehr häufig“, kommentiert der heute 53-Jährige den Lieblingsort in seinem Wahlkreis Emmendingen-Lahr – den Stadtpark Lahr.
Im „Exotenausschuss“
Seit 2017 sitzt Thomas Seitz für die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag und ist dort Obmann im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, den er selbst als „echten Exotenausschuss“ bezeichnet. Der Ausschuss ist für die inneren Angelegenheiten des Parlamentes zuständig, so püft er etwa nach einer Bundestagswahl Einsprüche gegen den Ablauf der Wahl.
Vor seiner politischen Laufbahn arbeitete der zweifache Vater Seitz über 20 Jahre als Staatsanwalt. Seit 2018 darf er das jedoch nicht mehr: Per Gerichtsurteil verlor Seitz seinen Beamtenstatus und darf seitdem auch nicht mehr als Staatsanwalt arbeiten.
Dabei ging es um Posts auf Facebook, in denen er zum Beispiel einen Koran in der Toilette zeigt. Mit diesen Postings habe Seitz gegen mehrere beamtenrechtliche „Kernpflichten“ verstoßen, heißt es im Urteil der Richter. „Für mich ist es noch immer unfassbar, was da passiert ist. Mittlerweile bin ich aber eher erleichtert, dass ich nicht mehr in dieses System zurückkehren werde“, sagt Seitz dazu.
Nochmal in den Bundestag?
Seit 2017 sitzt er nun für die AfD im Bundestag – und will erneut einziehen. „In der ersten Legislaturperiode ist man noch permanent am Lernen. Das war eine riesige Herausforderung für uns alle in der Fraktion“, erklärt Seitz, der auch Mitglied der Deutsch-Schweizerischen Parlamentariergruppe ist. Falls er noch einmal in den Bundestag einziehen sollte, wolle er die neue Mandatszeit „deutlich anders angehen und den gemachten Erfahrungen, wie die politische Realität aussieht, Rechnung tragen“.
So sei seine Fraktion 2017 „durchaus unerfahren“ gewesen. Nun aber sei er der Meinung, dass es im Bundestag „keine echte Diskussion gebe, vielmehr alle Entscheidungen im Hinterzimmer des Koalitionsausschusses getroffen werden“. Die ganze Arbeitsweise sei „pseudodemokratisch“.
Wenn er seinen Alltag so wahrnimmt, hat er dann überhaupt noch Spaß als Abgeordneter? „Ich bin nicht in Berlin, um Spaß zu haben, das sage ich ganz offen.“ Ähnlich sehe es mit eigenen Erfolgen aus. „Als Opposition hat man keine direkten Erfolge im Parlament. Alles, was eine Oppositionsfraktion erarbeitet, landet im Papierkorb“, erklärt Seitz lachend. „Opposition wirkt nur indirekt, im Falle der AfD aufgrund geringer Berichterstattung vor allem über die im Plenum gehaltenen Reden“.
„Gesellschaftliche Existenzvernichtung“
Seitz kritisiert nicht nur die Politik, sondern den Gesamtzustand Deutschlands. Er spricht von einem „gesellschaftlichen Vernichtungskrieg“. Deutschland sei „auf dem Weg in einen Unrechtsstaat“ und es herrsche hierzulande „ein Klima wie im Faschismus“. Der AfD-Abgeordnete erklärt: „Auch 1933 konnte sich niemand vorstellen, dass es mal so weit kommen könnte.“ Das heutige Deutschland unterscheide sich von der NS-Zeit und der DDR vor allem dadurch, dass „es nicht mehr um Einsperren geht, sondern um gesellschaftliche Existenzvernichtung“.
Als er dies sagt, sitzt Seitz an einem kleinen Tisch vor einer Konzertbühne – in Prä-Corona-Zeiten fanden hier wohl Auftritte statt. Immer wieder laufen junge Mütter mit Kinderwagen an ihm vorbei oder Kinder düsen auf ihrem Tretroller hin und her.
Ein junger Wahlkreis
Auch die Erziehung junger Menschen kritisiert Seitz. Er spricht davon, dass „die Ideologisierung in Kindergärten, Schulen und den Medien voll zuschlägt“. In seinem Wahlkreis wohnen rund 298 000 Menschen, mehr als jede vierte Person davon ist unter 25 Jahren. Diese jungen Menschen würden sich vor allem Gedanken über Abtreibung, Cannabis, Flüchtlingshilfe oder den Klimawandel machen, glaubt Seitz. Er könne das nicht verstehen: „Wenn ich mir Sorgen um die Zukunft mache, dann doch nicht über diese Dinge.“
Der These vom menschengemachten Klimawandel stehe er ohnehin skeptisch gegenüber, da er „diese ganze CO2-Hysterie für ausgemachten Unfug“ halte. Zwar könne er sich einen Einfluss des Menschen auf den Klimawandel vorstellen, jedoch gehe es zu sehr um Glaubensfragen und zu wenig um Wissenschaft, so Seitz.
„Zu wenig faktenbasiert“
Eine ähnliche Meinung hat der AfD-Abgeordnete im Hinblick auf die Coronapandemie – die er noch immer nicht als Pandemie bezeichnen möchte. Deutschlands Corona-Politik sei „viel zu wenig faktenbasiert und läuft wesentlich über den Faktor Angst“. Seitz sollte es wissen: Im Dezember letzten Jahres erkrankte er an Corona, lag auf der Intensivstation im künstlichen Koma. Wenige Wochen zuvor fiel er im Plenarsaal des Deutschen Bundestages durch eine löchrige Maske auf und erlangte so bundesweite Bekanntheit. „In Kombination mit meiner schweren Erkrankung war mein Auftritt im Bundestag kontraproduktiv, ganz klar. Da bietet man nur eine Zielscheibe für Spott und Häme“, räumt Seitz ein.
Listenplatz 9
So unzufrieden wie Seitz mit dem Zustand Deutschlands ist, so sehr lobt er seinen eigenen Wahlkreis Emmendingen-Lahr. Zwischen deutschem Schwarzwald und französischen Vogesen liege dieser in einer „geografisch gesegneten und unglaublich vielseitigen Gegend mit reizvoller Landschaft“. Auch wirtschaftlich scheint hier im Badner Land die Welt in Ordnung zu sein: Es gibt kaum Arbeitslose, viele mittelständische Unternehmen und nur wenige Schulabbrecher. „Andere kommen in die Region, um Urlaub zu machen, und wir haben das Privileg, hier zu wohnen“, zeigt sich Seitz dankbar.
An ein Direktmandat im Wahlkreis aber glaubt er nicht. Er spekuliere auf „ein ähnlich gutes Ergebnis der AfD wie bei der letzten Wahl“. Dann nämlich habe er durch Listenplatz neun gute Chancen, wieder einzuziehen. Der Wahlkampf sei bislang noch recht beschaulich, da durch Corona größere Parteiveranstaltungen nicht möglich seien und bei virtuellen Formaten „die Nachfrage auch nicht wirklich so groß“ sei.
Ob die Blütezeit der AfD erst richtig beginnt oder ob sie, wie die Blumen hier im Stadtpark, ab September eher verdorrt, wird sich zeigen. Thomas Seitz jedenfalls hofft auf einen neuen Frühling.