Zum Inhalt springen

Was sie dürfen und was nicht Fraktionslose Abgeordnete

Mira Knauf

SPD-Fraktion, CDU/CSU-Fraktion & Co.: Fast alle Abgeordnete des Bundestages gehören einer Fraktion an. Es gibt aber auch einige fraktionslose Parlamentarier. Wer sie sind, wie es dazu kam und wie ihre Arbeit im Bundestag aussieht, erklären wir hier.

Plenarsaal

Die fraktionslosen Abgeordneten sitzen im Plenarsaal etwas abseits der Fraktionen. © picture-alliance.com/Britta Pedersen

Aktuell sitzen im Bundestag 733 Abgeordnete, davon gehören 690 einer Fraktion an, 38 Abgeordnete sind einer parlamentarischen Gruppe zugehörig, die restlichen sechs Abgeordneten sind fraktionslos. Fraktionen setzen sich als schlagkräftige Einheiten für die Ziele ihrer Mitglieder ein, das erleichtert die eigene Arbeit und die des Bundestages insgesamt. Es gibt aber auch den Fall, dass Abgeordnete des Parlaments keiner Fraktion angehören, sie gelten dann als fraktionslos.

Zu dieser Gruppe zählen aktuell Matthias Helferich, Johannes Huber und Uwe Witt. Huber und Witt haben die AfD-Fraktion aus unterschiedlichen Gründen verlassen. Witt ist inzwischen Mitglied der Deutschen Zentrumspartei – warum, das hat Mira ihn im Interview gefragt. Hinzu kommt Stefan Seidler, der durch seine Mitgliedschaft im Südschleswigschen Wählerverband (SSW) eine Sonderposition innehat, die er ebenfalls im Gespräch erklärt.

Was geht und was nicht?

Fraktionslose Abgeordnete haben weitestgehend die gleichen Rechte wie ihre Kolleginnen und Kollegen, die einer Fraktion angehören. Allerdings können sie jene Rechte nicht allein wahrnehmen, für die eine bestimmte Anzahl von Abgeordneten notwendig ist. Und an einigen Stellen sorgen Regeln dafür, dass die Fraktionslosen im Vergleich zu anderen Abgeordneten kein zu großes Gewicht bekommen.

Warum sind Fraktionen wichtig?

Was auf den ersten Blick unfair erscheinen mag, hat gute Gründe. Doch zunächst ein paar Fakten: Um eine Fraktion bilden zu können, müssen sich mindestens fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages mit denselben oder ähnlichen Zielen zusammenschließen. Meistens gehören diese Abgeordneten derselben Partei an, aber nicht immer. Die CDU/CSU-Fraktion ist ein Beispiel für einen Zusammenschluss von zwei eigenständigen Parteien.

Fraktionen sorgen dafür, dass der Bundestag zügig und reibungslos arbeitet. Deshalb haben sie als Gruppe von Abgeordneten mit einer gewissen Größe besondere Rechte. So können sie zum Beispiel Gesetzentwürfe in den Bundestag einbringen, Große und Kleine Anfragen stellen oder eine Aktuelle Stunde beantragen.

Fraktionen können außerdem in bestimmen Fällen die Befassung des Bundestages zu Einsätzen bewaffneter Streitkräfte verlangen, nämlich dann, wenn es um Einsätze von „geringer Intensität und Tragweite“ geht. Vor einer Abstimmung können Fraktionen zudem die Beschlussfähigkeit des Bundestages anzweifeln, wenn sie den Eindruck haben, dass nicht genug Mitglieder anwesend sind. Denn der Bundestag gilt nur dann als beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Saal ist.

Meinungen, Ideen, Vorschläge ordnen

Bei all diesen Punkten kann man davon ausgehen, dass sich dazu innerhalb einer Fraktion eine Mehrheitsmeinung herausgebildet hat, bevor gehandelt wird. Und da dies in allen Fraktionen geschieht, dienen diese gewissermaßen als ordnende Einheiten im breiten Strom der Meinungen, Ideen und Vorschläge. Was im Bundestag auf den Tisch kommt, hat also schon klärende Prozesse hinter sich. Man stelle sich nur einmal kurz vor, wie es wäre, wenn im Parlament täglich hunderte ungefilterte, unsortierte oder auch zum Teil unausgegorene Initiativen auf die Tagesordnung kämen. Die Prozesse würden langsamer und schwieriger, soviel ist sicher.

Das dürfen fraktionslose Abgeordnete

Bei Abstimmungen im Plenum zählt die Stimme der fraktionslosen Abgeordneten genauso wie die Stimme aller anderen Abgeordneten. Das ist so im Grundgesetz festgelegt. Dieses garantiert jedem Abgeordneten die Ausübung des sogenannten freien Mandats, außerdem wichtige parlamentarischen Rechte wie das Rede-, Abstimmungsrecht und Fragerecht.

Deswegen können fraktionslose Abgeordnete in den Sitzungen des Bundestages Reden halten – wenn auch nur begrenzt. Und sie können Änderungsanträge zu Gesetzentwürfen stellen. Damit schlagen sie vor, einzelne Stellen eines Gesetzentwurfs zu ändern.

Sogenannte Große und Kleinen Anfragen können Fraktionslose nicht stellen. Doch sie dürfen Fragen an die Bundesregierung richten, die schriftlich oder mündlich beantwortet werden müssen.

Kein Stimmrecht in den Ausschüssen

Für die Arbeit des Bundestages sind die Arbeitsgruppen, die im Parlament Ausschüsse heißen, besonders wichtig. Denn hier werden Themenbereiche wie Gesundheit, Verteidigung oder etwa Bildung vertiefend bearbeitet und beispielsweise Gesetzentwürfe vorbereitet. Auch hier spielen die Fraktionen eine wichtige Rolle: Die Stärke der Fraktionen ist entscheidend bei der Zusammensetzung der Ausschüsse.

Fraktionslose Abgeordnete können Mitglied in einem Ausschuss sein. Sie dürfen Anträge stellen und Reden halten. Sie dürfen aber nicht abstimmen. Denn ihre Stimme würde im Vergleich zu den anderen Stimmen überproportional wirken, im Verhältnis zu den anderen Ausschussmitgliedern also zu stark sein. Insofern sind Fraktionslose beratende Mitglieder der Ausschüsse.

Der Weg in die „Fraktionslosigkeit“

Wie das Beispiel der drei in der aktuellen Legislaturperiode aus der AfD-Fraktion ausgetretenen Abgeordneten Johannes Huber und Uwe Witt zeigt, können Parlamentarier selbst den Schritt tun, ihren Status zu ändern. Es kann aber auch passieren, dass eine Fraktion jemanden ausschließt – etwa, weil er oder sie den Zielen der Fraktion schadet.

Ein Abgeordneter kann aber auch schon beim Einzug in den Bundestag wissen, dass er fraktionslos bleiben wird. Wie das sein kann? Das ist dann der Fall, wenn die Partei, deren Mitglied er ist, es nicht über die Fünf-Prozent-Hürde schafft. Zur Erklärung: Bei der Bundestagswahl hat jeder Wähler zwei Stimmen: Mit der Erststimme kann ein Kandidat direkt in den Bundestag gewählt werden. Die Rede ist vom sogenannten Direktmandat. Ein Kandidat, der in einem Wahlkreis die meisten Erststimmen erhält, ist also auf jeden Fall in den Bundestag gewählt, auch dann, wenn seine Partei es nicht über die Fünf-Prozent-Hürde schafft. Das war übrigens das letzte Mal im Jahr 2002 der Fall, als Gesine Lötzsch und Petra Pau für die PDS in den Bundestag einzogen. Die beiden konnten jedoch keine Fraktion bilden.

Und es gibt noch einen besonderen Fall: Die Fünf-Prozent-Hürde gilt nicht für Parteien von nationalen Minderheiten. In Deutschland gibt es vier nationale Minderheiten: Dänen, Friesen, Sorben sowie die deutschen Sinti und Roma. Mit dem sogenannten Minderheitenprivileg soll dafür gesorgt werden, dass auch ihre Interessen im Parlament vertreten werden. Bei der Bundestagswahl 2021 wurde so Stefan Seidler vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) in den Bundestag gewählt.

Nationale Minderheiten

In Deutschland gibt es vier anerkannte nationale Minderheiten: die dänische Minderheit, die friesische Volksgruppe, die deutschen Sinti und Roma und das sorbische Volk.

Diese Minderheiten zeichnen sich dadurch aus, dass sie die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und sich durch Sprache, Kultur und Geschichte vom deutschen Volk unterscheiden. Sie sind seit langem in Deutschland heimisch und möchten ihre eigene Identität bewahren. Von der Bundesregierung erhalten die nationalen Minderheiten finanzielle Mittel zur Pflege ihrer Sprache und Kultur.

Wie groß die jeweiligen Bevölkerungsgruppen sind, kann nur geschätzt werden, da keine entsprechenden Daten erhoben werden.

(Mira Knauf)

Mehr zum Thema