Vorherige Berufe von Abgeordneten: Muhanad Al-Halak (FDP) Als Abwassermeister in den Deutschen Bundestag
Jasmin Nimmrich
Mit seinem Einzug in den Deutschen Bundestag hat Muhanad Al-Halak 2021 selbst nicht gerechnet, doch er hat sich im neuen Berliner Arbeitsumfeld eingefunden. Welche Fähigkeiten, die er als Abwassermeister gelernt hat, helfen bei der Tätigkeit als Abgeordneter? Und gibt es zwischen den beiden Arbeitsplätzen auch Parallelen?
Von Beruf bin ich Abwassermeister, habe also zuvor eine Ausbildung als Fachkraft für Abwassertechnik gemacht. Zuletzt war ich Betriebsleiter im öffentlichen Dienst und damit komplett für die Abwasserentsorgung und Entwässerung der Stadt Grafenau zuständig und war auch in die Planung des Abwassersystems involviert. Ich hatte die Verantwortung für insgesamt drei Kläranlagen sowie über 20 Pumpstationen und die jeweiligen Mitarbeiter. Dieser Beruf war und ist immer noch mein Traumjob.
Für mich persönlich war es eine überraschende Wendung, mit der ich nicht wirklich gerechnet habe. Mein erster Gedanke war: Oh Gott, wie soll ich denn Berlin und meinen Vollzeitjob unter einen Hut kriegen? Direkt nach der Wahl habe ich also erstmal eine Woche in Berlin verbracht, um mir einen Überblick zu verschaffen, um anschließend mein Privat- und Berufsleben in meinem Wahlkreis umzustrukturieren. An meinem Arbeitsplatz folgte dann auch eine Krisensitzung, weil man so schnell keinen neuen Abwassermeister findet. Als Übergangslösung habe ich dann ehrenamtlich ein bisschen ausgeholfen, bis jemand Neues gefunden wurde. Mein Büro in Deggendorf auszuräumen war dann schon emotional, schließlich habe ich 15 Jahre für die Stadt gearbeitet. Aber nun vertrete ich seit 2021 den Wahlkreis Deggendorf im Deutschen Bundestag. Für mein Mandat war es mir wichtig, dass ich genau zu den Themenbereichen arbeiten kann, in denen ich auch Kompetenzen vorweisen kann. Und genau das mache ich gerade im Umweltausschuss, in dem ich mich unter anderem mit den Themen Wasser und Abwasser beschäftigen darf.
Die größte Umstellung war auf jeden Fall, in diese für mich ganze neue Welt einzutauchen und mich in viele Sachen einzulesen – zum einen in die parlamentarische Theorie als auch in die Gesetze, die gelten und über die wir im Deutschen Bundestag entscheiden. Und all dieses Angelesene musste ich dann ja in die Praxis und in meine Debattenbeiträge einfließen lassen. Die zweite große Umstellung, die mich persönlich auch echt getroffen hat, war, dass ich in Berlin auf mich alleine gestellt bin und in den Sitzungswochen nicht von meinen Freunden und meiner Familie umgeben bin. Du stehst als Bundestagsabgeordneter in der Öffentlichkeit, solltest immer erreichbar und leistungsfähig sein, das Gleiche gilt auch für die Arbeit im Wahlkreis selbst. Auch die Vielfältigkeit der Anforderungen an mich war neu, denn man muss sich in allen Bereichen auskennen und vor allem in der Lage sein, sich in diese einzuarbeiten. Das kostet mich auch weiterhin viel Energie. Aber ich bin bereit, diese aufzubringen: So habe ich, um die Probleme und Herausforderungen im Gesundheitssektor wirklich verstehen zu können, einen Praktikumstag in einem Seniorenheim absolviert. Auch durch diesen habe ich wieder gemerkt, dass ich, um meine Arbeit als politischer Entscheidungsträger bestmöglich machen zu können, einen praktischen Bezug und Verständnis brauche.
Genau wie ich selbst, hat eigentlich niemand mit meinem Einzug in den Deutschen Bundestag gerechnet. Das Wahlergebnis kam ja in der Nacht von Sonntag auf Montag rein und eigentlich hätte ich am nächsten Tag arbeiten sollen. Ich habe kurzerhand meinen Chef, also den Bürgermeister von Deggendorf, informiert, der sich für mich gefreut hat, aber auch nicht glauben konnte, dass ihm nun der Deutsche Bundestag eine Fachkraft klaut.
Wie jedes Ehrenamt war das schon eine Frage des Zeitmanagements. Vor meinem Parteieintritt im Jahr 2017 war ich ehrenamtlich bei der Feuerwehr engagiert und darüber kamen dann auch die ersten Einblicke in die Kommunalpolitik. 2020 habe ich dann auch selbst für die Kommunalwahl kandidiert und wurde zum Kreisvorsitzenden des Landkreises Freyung-Grafenau gewählt.
Also die Amtszeit hier in Berlin ist ja auf vier Jahre begrenzt und ich habe dann ein Rückkehrrecht in meinen alten Beruf, da mein Arbeitsvertrag nur pausiert wurde. Als Praktiker und als Handwerker vermisse ich auf der einen Seite hier in Berlin schon die direkte Wirkung, die meine Arbeit haben kann. Also wenn ich etwas leiste, dann möchte ich anschließend auch die Früchte ernten, aber das ist im Deutschen Bundestag alles etwas verzögert. Auf der anderen Seite arbeite ich hier auch rein theoretisch, was ich so vorher noch nie gemacht habe. Mir fehlt diese praktische Sichtweise schon sehr. Aber ich sammel hier trotz dessen extrem viele wertvolle Erfahrungen, die mir, egal wie es nach einem Mandat weitergehen wird, immer weiterhelfen werden. Jetzt auch zu wissen, wie „die da oben“ ticken und wie Entscheidungen hier ablaufen, wird mich zu einem besseren Kommunalpolitiker machen.
Auf jeden Fall meine praktische Erfahrung. Diese sehe ich persönlich auch als großen Vorteil gegenüber den anderen Mitgliedern des Umweltausschusses. Mir fällt es schon verhältnismäßig leicht, mich in neue Themenbereiche und Herausforderungen einzuarbeiten, die mein altes Arbeitsfeld betreffen. Und von dieser Erfahrung profitiert auch mein Politikstil. Denn durch das praktische Verständnis, besonders was das Thema Wasser und Hochwasserschutz angeht, kann ich vorbeugende Maßnahmen anstoßen und stimme nicht nur über eine endgültige Entscheidung ab, sondern kann auf dem Weg dahin auch beraten und dabei helfen, abzuwägen.
Ich habe teilweise immer noch das Gefühl, egal ob ich jetzt in Berlin oder in meinem Wahlkreis unterwegs bin, der Abwassermeister Al-Halak zu sein.
Ich war ja vorher schon im öffentlichen Dienst beschäftigt, von daher gibt es auch viele Parallelen. Wie auch an meinem alten Arbeitsplatz war meine erste Tat hier vor Ort, das Faxgerät zu entsorgen. Das habe ich aber recht schnell bereut, weil zur Einrichtung meiner E-Mail-Adresse habe ich das Fax wieder gebraucht. Die Bürokratie hält uns am Laufen, behindert uns aber auch in vielen Momenten, da wäre etwas mehr Flexibilität wohl wünschenswert.
Muhanad Al-Halak
…ist seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages und ist ordentliches Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sowie dem Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung.