Vorherige Berufe von Abgeordneten: Thomas Ehrhorn (AfD) Erst Analyse, dann Aktion – beim Fliegen und in der Politik
Thomas Ehrhorn (AfD) hat viele Jahre als Pilot gearbeitet, bevor er 2017 in den Bundestag einzog. Welche Fähigkeiten aus dem Pilotenberuf ihm noch heute als Abgeordneter nützen und was seine liebsten Erinnerungen ans Fliegen sind, erzählt er im Interview.
Mein halbes Leben war ich Berufspilot und Fluglehrer. Am Anfang bin ich ein paar Jahre Fluglehrer für Privatpiloten gewesen, was eine sehr schöne Zeit war, nur kann man nur davon leider nicht leben. Also wurde ich Berufspilot und habe zunächst als Ambulanzpilot gearbeitet, also schwerverletzte Menschen geflogen, die schnell Hilfe brauchten. Und ich habe Organe für Transplantationen an der Charité nach Berlin geflogen. Später bin ich dann einige Jahre als Werkspilot für ein großes Modeunternehmen geflogen. Und die letzte Station für gut zehn Jahre war dann, dass ich Vermessungspilot für die Deutsche Flugsicherung war. Also ein sehr langes fliegerisches Leben.
Die größte Umstellung betrifft für mich den sozialen Bereich. Berufspilot ist ein allgemein sehr anerkannter Beruf, durch den man ein gewisses Maß an Wertschätzung in der Gesellschaft, im Freundes- und Bekanntenkreis erfährt. Jetzt lebe ich schon seit einigen Jahren in einer sehr stark erkennbaren sozialen Ausgrenzung, was natürlich nicht immer angenehm ist und was man aushalten muss und was auch von mir persönlich als sehr unangemessen und ungerecht empfunden wird. Das ist ein Preis, den man für politische Arbeit zahlt. Aber damit muss man dann eben leben. Und man hat es sich ja auch selbst so ausgesucht.
Meine Pilotenkollegen wussten natürlich, dass ich in der AfD tätig war und dass vielleicht irgendwann ein Listenplatz für den Deutschen Bundestag für mich in Frage käme, da ich im Landesvorstand Niedersachsen tätig war. Aber ich habe das Berufliche vom Politischen immer strikt getrennt. Natürlich habe ich Fragen beantwortet, die mir gestellt wurden, aber ich war nie jemand, der die Leute mit missionarischem Eifer mit meinen Überzeugungen drangsalieren wollte. Ich hatte dort in der alten Firma viele Freunde und ich wurde als Kollege geschätzt und die Leute akzeptierten auch meine Idee, mich politisch einzubringen. Aber seitdem hat sich insbesondere die öffentliche Wahrnehmung sehr verändert. Die gesellschaftliche Spaltung ist immer extremer geworden und das äußert sich in vielen Bereichen.
Eindeutig analytisches Denken. Und zweitens Impulskontrolle beziehungsweise die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu kontrollieren. Das ist etwas, was ein Pilot gleichermaßen können muss wie ein Abgeordneter – aus meiner Sicht. Jedenfalls dann, wenn man es richtig machen will.
Es beginnt immer mit einer Analyse: Was passiert hier gerade? Wenn im Cockpit eines Flugzeugs die rote Feueralarm-Warnlampe plötzlich anfängt zu blinken, dann wird ein guter Pilot nicht einfach das Triebwerk abstellen, sondern erst die Triebwerkstemperatur kontrollieren und überprüfen, ob es sich um einen Fehlalarm handeln könnte. Erst nach der Analyse kommt die Aktion. Und auf diese Weise funktioniert das für mich auch in der Politik. Ich beobachte Politik seit vielen Jahren und habe für mich analysiert, was gerade in diesem Land passiert. Die logische Konsequenz aus der Analyse ist mein politisches Engagement.
Zur Emotionskontrolle: Auch wenn einen Äußerungen, die man zum Beispiel im Deutschen Bundestag hört, zornig machen oder anders emotional berühren, tut man gut daran, diese Emotionen nicht auszuleben. Mit Posts oder Äußerungen, die aus der emotional aufgeladenen Situation heraus über das Ziel hinausschießen, haben sich schon viele Leute selbst den Weg einer politischen Karriere verbaut.
Nein, weil es schlicht unmöglich ist. Ich bin jetzt 65 Jahre alt und das ist die Altersgrenze, bei der man als Berufspilot nicht mehr fliegen darf. Außerdem gibt es unter Piloten einen Spruch: „Wenn man eine Woche nicht fliegt, merkt man es selbst. Fliegt man zwei Wochen nicht, merkt es der Kollege, der neben einem sitzt. Und fliegt man drei Wochen nicht, merken es die Passagiere, die hinten drin sitzen.“ Fliegen hat sehr viel mit Training und Schnelligkeit zu tun. Insbesondere wenn man Großflughäfen anfliegt, muss man funktionieren wie ein Uhrwerk und in hoher Geschwindigkeit richtige Entscheidungen treffen. Ich bin jetzt sieben Jahre nicht geflogen und würde einen Checkflug im Simulator vermutlich nicht bestehen.
Man registriert natürlich jedes Geräusch. Wenn das Fahrwerk verriegelt, weiß man, jetzt werden gleich die Landeklappen auf zehn Grad ausgefahren. Jetzt sind wir auf 1000 Fuß und so weiter. Man weiß genau, was gerade im Cockpit passiert. Und insofern kann man sich gar nicht dagegen wehren, dass man innerlich das Flugzeug mitfliegt. Und wenn ein anderer Passagier Angst hat, dass man den dann beruhigt und erklärt: „Keine Sorge, das Geräusch war ganz normal, da wurde gerade nur das Fahrwerk verriegelt. Alles ist gut.“
Ich identifiziere mich eigentlich über meine gesamte Lebensleistung. Die Fliegerei ist ohne Frage ein Teil davon. Ich habe lange und hart kämpfen müssen, um in das Cockpit eines hochmodernen Flugzeugs zu kommen und dort jahrelang meinen Dienst zu machen.
Aber natürlich habe ich auch andere Lebensleistungen vollbracht. Und die Jahre im Deutschen Bundestag zähle ich natürlich auch dazu. Was einen Menschen ausmacht, ist die Summe aller Erfahrungen, die er im Leben gemacht hat. Und ich finde, man sollte den Anspruch an sich selbst haben, jeden Tag etwas besser zu werden in dem, was man tut.
Ich wüsste nicht, dass es im Bundestag außer mir einen anderen Piloten gibt oder seit vielen Jahren gegeben hätte. Da bin ich wie ein Alien. In der vergangenen Legislaturperiode war ein sehr netter und fachkompetenter Kollege mit mir im Verkehrsausschuss, der vorher Kapitän zur See war. Seefahrt und Fliegerei haben ja ein bisschen miteinander zu tun in Bereichen wie Navigation und Meteorologie. Und mit diesem Kollegen habe ich mich auch menschlich sehr gut verstanden. Ob das jetzt am vorherigen Beruf lag, kann ich nicht sagen.
Es gibt ein paar sehr besondere Erinnerungen an die Fliegerei: zum Beispiel Nachtflugvermessungen über Frankfurt oder München. Denn da gilt ein Nachtflugverbot für alle anderen ab 23 Uhr und nur noch die Flugvermesser dürfen dann fliegen. Man startet dann genau um 23 Uhr und macht die Nachtflugvermessung bis um 2 oder 3 Uhr.
Und da gehört einem der gesamte Luftraum über einer Stadt. Und wenn man dann bei Vollmond und leichter Bewölkung über der Stadt seine Kreise zieht – völlig selbstbestimmt, weil der Controller dann sagt: „Air space is yours. Meldet euch nur, wenn ihr etwas Besonderes wollt oder kurz vor der Landung.“ –, sind das besondere und einprägsame Erlebnisse, denn die Lufträume sind im Tagesbetrieb unheimlich eng. Also sind das die wenigen Momente, in denen man beim Fliegen dieses absolute Gefühl von tatsächlicher Freiheit hat.
Thomas Ehrhorn...
…ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages. Als Abgeordneter der AfD-Fraktion ist er ordentliches Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.