Vorherige Berufe von Abgeordneten: Susanne Ferschl (Die Linke) Von der Betriebsrätin zur Arbeitgeberin
Jasmin Nimmrich
Susanne Ferschl (Die Linke) hat sich bis zu ihrem Einzug in den Deutschen Bundestag im Jahr 2017 als Betriebsratsvorsitzende für die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eingesetzt. Wie viel hat sie im Parlament noch mit Arbeitnehmerrechten zu tun und wie sah ihr Einstieg in das Mandat aus? Dies erzählt sie uns im Interview.
Ich war 27 Jahre lang für den Nahrungsmittelkonzern Nestlé im bayerischen Biessenhofen tätig. Zuerst habe ich im Betrieb den Beruf der Chemielaborantin gelernt, bin dann aber recht schnell, auch bedingt durch meine ehrenamtliche Tätigkeit als Jugend- und Auszubildendenvertreterin, in den Betriebsrat gewählt worden und wurde für diese Funktion von meiner Arbeit freigestellt. Später habe ich dann als Gesamtbetriebsratsvorsitzende knapp 10.000 Nestlé-Beschäftigte aus ganz Deutschland vertreten.
Durch meine gewerkschaftspolitischen Aktivitäten habe ich keine klassische Parteikarriere gemacht. Ich bin erst 2016 Mitglied der Partei Die Linke geworden und habe ein Jahr später für den Bundestag kandidiert. Als gewerkschaftspolitische Sprecherin der Gruppe führe ich nun die Themen, die mich zuvor bereits beschäftigt haben, weiter. Ich bin sehr froh, dass ich vor meiner Abgeordnetentätigkeit berufliche Erfahrungen sammeln konnte und weiß, wofür ich in Berlin einstehe.
Das komplette Umfeld war für mich neu, da ich ohne bestehendes Netzwerk in der Bundespolitik in den Deutschen Bundestag eingezogen bin. Leider erhält man zum Mandatsantritt keinen Crashkurs dazu, wie hier in Berlin alles abläuft. Das war sehr viel auf einmal, gerade wenn man aus einem vertrauten beruflichen Umfeld kommt, in dem man durch die Jahre einfach weiß, wie alles funktioniert und wen man für was kontaktieren kann. Denn gerade die Vernetzung am Anfang fiel mir schwer, da wären eine Art Kennenlernen oder ein Buddy-System für die Demokraten zu Beginn der Legislatur gar nicht so schlecht gewesen.
Bei mir im Betrieb war es Gott sei Dank so, dass die Kolleginnen und Kollegen gesagt haben: „Schade, dass du gehst!“ Das hat mich natürlich gefreut, denn eine andere Reaktion hätte die Umstellung schwerer gemacht. Im privaten Umfeld gab es gemischte Reaktionen, was ich auch erwartet habe, gerade wenn man aus Bayern für Die Linke in den Bundestag einzieht.
Als Betriebsrätin war ich es bereits gewohnt, vor vielen Menschen zu sprechen und auch Reden zu schreiben. Dies hat mir mit Sicherheit zu Beginn meiner Abgeordnetentätigkeit und den ersten Reden im Plenarsaal viel Aufregung genommen. Auch zu wissen, wie man Menschen anleitet und konstruktive Diskussionen moderiert, hier dann in den Arbeitsgruppen oder Gremien, hilft mir immer noch weiter.
Rein theoretisch auf jeden Fall, jedoch wird das in der Praxis so nicht möglich sein, da ich in die Funktionen, die ich hatte, auch gewählt wurde und diese natürlich bereits neu besetzt sind. Daher habe ich mit meinem Weggang einen Aufhebungsvertrag unterschrieben und alle Betriebsratsämter niedergelegt. Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, wieder näher an und zusammen mit Betriebsräten und Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern zu arbeiten.
Hier im Bundestag ist die Arbeit von deutlich mehr Regeln und Vorschriften geprägt. Konnte ich damals als Betriebsratsvorsitzende so lange reden und zu einem Thema beitragen, wie ich wollte, gilt nun im Plenarsaal ein Zeitlimit, das ich nicht überschreiten darf. Von einigen Abläufen war ich zu Beginn auch überrascht. So dachte ich, dass in einem Ausschuss angeregt diskutiert und Argumente ausgetauscht werden. In der Realität haben wir zwei Minuten zur Verfügung, um unsere Position rüberzubringen und dann geht es weiter. Dies hat mich anfangs auch etwas enttäuscht. Eine der größten Umstellungen war für mich jedoch, dass ich als Abgeordnete auch die Verantwortung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe und mein Team leiten muss. Aus der Betriebsrätin wurde dann selbst eine Arbeitgeberin – in diese Aufgabe musste ich auch erstmal reinwachsen.
Ich bin noch durch und durch Gewerkschafterin und Betriebsrätin! Und ich denke, das merkt man mir in meiner parlamentarischen Arbeit auch an und dieses Identifikationspotential erleichtert auch den Austausch und die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und betrieblichen Vertretungen. Dass ich mich so stark mit Gewerkschaftspolitik identifizieren kann, ist ja auch einer der Gründe, warum ich hier im Bundestag sitze!
Auf jeden Fall! Auch über Parteigrenzen hinweg, denn das gemeinsame Hauptinteresse an den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbindet.
Ich vermisse die unmittelbare Wirkung, die ich vorher hatte. Denn wenn wir im Betriebsrat Entscheidungen getroffen haben, hatte dies direkte Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Angestellten. Die Früchte meiner Arbeit im Deutschen Bundestag kann ich nur mit reichlich Verzögerung ernten, besonders aus der Opposition heraus. Als eher ungeduldiger Mensch vermisse ich es daher, die direkte Wirkung meiner Arbeit sehen zu können.
Susanne Ferschl
…ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages und für die Gruppe Die Linke Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Außerdem ist sie die Gewerkschafts- und arbeitsmarktpolitische Sprecherin ihrer Gruppe.