Debatte Wohnungsnot bekämpfen – aber wie?
Zu wenige Wohnungen und zu hohe Mieten in deutschen Großstädten – das macht allen Fraktionen des Bundestages Kopfzerbrechen. Über die Ursachen und Lösungsvorschläge gab es Streit.
In München, Frankfurt oder Berlin eine Wohnung zu finden, ist nicht leicht. Schon gar nicht: eine bezahlbare Wohnung. In den letzten sechs Jahren sind die Mieten in der Hauptstadt um 44 Prozent gestiegen. In München um 32 Prozent.
Gerade für Studenten und Auszubildende, die ihre erste eigene Wohnung suchen, sind die Mieten oft kaum bezahlbar. In München kostet ein Quadratmeter Wohnung im Schnitt 19,37 Euro Kaltmiete. Die Kaltmiete ist die Miete ohne Heiz- und andere Nebenkosten. Nach Frankfurt am Main und Stuttgart folgt Berlin auf Platz vier mit 14,75 Euro pro Quadratmeter. Und Angebote gibt es ohnehin kaum.
Die miese Lage auf dem Wohnungsmarkt macht auch den Abgeordneten des Bundestages Kopfzerbrechen. Kürzlich diskutierten sie eine Antrag der AfD-Fraktion zum Thema in erster Lesung. Darin bemängelt diese die „drastischen Mietpreisentwicklungen“ und den „dramatischen Wohnungsmangel“. Die fünf anderen Fraktionen sind darüber ebenso besorgt, halten jedoch die Lösungsvorschläge der AfD für falsch.
AfD: Zuwanderung und Klimaschutz sind Ursache
„Für bezahlbares Bauen und Wohnen – Neue Deutsche Wohnungsnot stoppen“, so heißt der Antrag der AfD-Fraktion. Sie benennt darin zwei Ursachen für die aktuelle Lage: Zum einen führe die „wirkungslose wie überflüssige Klimapolitik“ zu teureren Preisen.
Dementsprechend fordert die AfD, sämtliche Gesetze und Maßnahmen, die auf ein klimagerechtes Bauen abzielen, sofort zurückzunehmen. Darunter zum Beispiel das Gebäudeenergiegesetz, das Regelungen zur Heizungs- und Klimatechnik sowie zur Dämmung von Gebäuden enthält, und das Bundes-Klimaschutzgesetz, das Klimaziele in vielen verschiedenen Bereichen benennt.
Zum anderen sei die Zuwanderung Schuld an der Wohnungsnot, schreibt die AfD. „So verzeichnet Deutschland seit 2015 eine Zuwanderung von durchschnittlich 500.000 Menschen pro Jahr. Jedes Jahr, seit 2015, ist eine weitere Großstadt nach Deutschland eingewandert und drängt auf den Wohnungsmarkt.“ Die Fraktion fordert die „konsequente Abschiebung“ von Flüchtlingen. Dadurch könnten „dem Wohnungsmarkt etwa 140.000 Wohnungen kurzfristig wieder zur Verfügung stehen“, heißt es in dem Antrag.
Beiden Forderungen der AfD erteilten die fünf anderen Fraktionen eine klare Absage.
SPD: 400.000 neue Wohnungen pro Jahr
Als „Flucht vor der Wirklichkeit“ bezeichnete Bernhard Daldrup von der SPD den Antrag. Er warf der AfD vor, „vor verantwortungsvoller Klimapolitik, vor Solidarität, vor Generationengerechtigkeit“ zu fliehen – „in die Vergangenheit“.
Seine Fraktion habe ein anderes Ziel: „Wir wollen eine zukunftsorientierte Wohnungspolitik.“ Deshalb plädiere die SPD für ein „Bündnis bezahlbares Wohnen“, deshalb wolle sie jährlich 400.000 neue Wohnungen bauen und 100.000 Sozialwohnungen fördern, deshalb trete sie für ein soziales Mietrecht ein – und „natürlich“ auch für ein klimagerechtes Bauen.
CDU/CSU: „Sie sind eine Schande für Deutschland“
Jan-Marco Luczak von der CDU-CSU-Fraktion bezeichnete die AfD in seiner Rede als „Klimaleugner“ und sagte: „Sie argumentieren ideologisch, faktenfrei, populistisch und menschenverachtend.“
Deutschland müsse „mehr, schneller und günstiger bauen“, um genug Wohnraum für alle zu schaffen. Aber, so fragte Luczak an die AfD gewandt: „Wer soll denn diese Wohnungen bauen? Das sind die Menschen, die Sie ausweisen wollen!“ Er urteilte: „Sie sind keine Alternative für Deutschland, Sie sind eine Schande für Deutschland“.
Auch in Richtung der Ampel-Fraktionen äußerte Luczak sich kritisch. Sie fahre keinen klaren Kurs und verunsichere so Eigentümer und Bau-Unternehmen. „Bauwirtschaft braucht aber Verlässlichkeit in der Planung“, forderte Luczak.
Grüne: „Neubau allein reicht nicht“
Auch Anja Liebert von Bündnis 90/Die Grünen kritisierte den Antrag der AfD: „Es geht Ihnen ja nicht um das Thema, es zeigt einfach Ihr menschenfeindliches Weltbild.“
Ihre Fraktion sei dagegen daran interessiert, Antworten auf die Frage „Wie schaffen wir dauerhaft bezahlbaren Wohnungsraum für alle Menschen?“ zu finden. Viele gute Ansätze zum sozialen und klimaschonenden Wohnungsbau stünden im Koalitionsvertrag.
„Neubau allein reicht aber nicht“, so Liebert: „Wir brauchen einen Mix aus Maßnahmen.“ Bestehende Gebäude umzubauen und zu sanieren, sei oft günstiger und auch ressourcenschonender als neu zu bauen.
Linke: „Das Monopoly muss beendet werden“
„Immer die gleiche rassistische Leier“, begann Caren Lay von der Linksfraktion ihre Rede in Richtung der AfD: „Wenn mal die Migrantinnen und Migranten nicht schuld sind, dann ist es die Klimapolitik. Beides ist grundfalsch.“
Schuld an der „Mietenkrise“ sei vielmehr „die Spekulation mit Immobilien“. Lay kritisierte, dass Hauseigentümer versuchten, möglichst hohe Gewinne zu erzielen, und die Bundesregierung das unterstütze: „Eine Politik, die zulässt, dass sich das Finanzkapital durch die Städte frisst und Mieterinnen und Mieter verdrängt, ist ein Problem.“ Lay forderte: „Der Mietenwahnsinn muss aufhören, das Monopoly muss beendet werden“
Die AfD habe am wenigsten dagegen getan, so Lay: „Sie waren es, die die Gelder für den sozialen Wohnungsbau kürzen wollten. Sie sind gegen Mietpreisbremse, gegen den Mietpreisdeckel.“ Ihr Fazit: „Sie sind ein wohnungspolitischer Totalausfall.“
Die Linke fordere einen bundesweiten Mietenstopp und einen Mietendeckel für die Großstädte, also einen maximalen Mietpreis, der nicht überschritten werden darf.
Einfach erklärt: Mietpreisbremse
2015 beschloss der Bundestag die sogenannte Mietpreisbremse. Sie besagt, dass Vermieter, wenn sie eine Wohnung neu vermieten, nur eine Miete fordern dürfen, die höchstens 10 Prozent über der ortsüblichen Miete liegt. Allerdings gibt es einige Ausnahmen – und die Regelung gilt auch nicht deutschlandweit, sondern nur dort, wo der Wohnungsmarkt angespannt ist. Wo das der Fall ist, legen die Landesregierungen fest.
FDP: „Froh über jeden Maurer, Tischler und Trockenbauer“
Hagen Reinhold von der FDP kritisierte wie seine Vorredner die Argumentation der AfD. „Ich habe selbst einen Handwerksbetrieb“, sagte er, „und ich bin froh über jeden Maurer, Tischler und Trockenbauer, den ich bekomme, egal ob er aus der EU kommt oder von außerhalb“
Auch die Kritik der AfD am klimaschonenden Bauen verurteilte Reinhold. „Endlich ist eine Regierung da, die sagt: Wir geben Acht darauf, womit wir bauen“, so Reinhold. Innovative Materialien seien für ein modernes umweltbewusstes Bauen ebenso wichtig wie günstige Kosten für eine soziale Wohnpolitik.
Die ganze Debatte seht ihr hier im Video. Das Protokoll findet ihr auf bundestag.de.
(jk)