Bildungs-Experte „Gute Lehrer sind auch beliebt“
Zu wenig Lehrer, viele davon ungenügend qualifiziert: das ist Alltag an vielen deutschen Schulen. Doch was macht eigentlich einen guten Lehrer aus? Das erklärt Experte Prof. Marc Kleinknecht.
Sind die besten Lehrer die bei den Schülern beliebtesten Lehrer?
Ich würde sagen: Ja, gute Lehrer sind auch beliebt, aber das ist nur eine Dimension. Etwas breiter gefasst geht es darum, eine Beziehung zu den Schülern aufbauen zu können. Manche benutzen dazu Humor, andere wirken vielleicht eher unnahbar, zeigen aber an den richtigen stellen Fairness. Man muss den Beruf bewusst als Beziehungsberuf wahrnehmen und in Kontakt treten wollen.
Außerdem ist wissenschaftlich belegt, dass eine hohe Leistungserwartung des Lehrers zu den Dingen gehört, die einen guten Lehrer auszeichnen. Wir alle kennen die Aussage „Sehr beliebt, aber lernen tut man nichts“ – das ist eine schlechte Kombination.
Und ohne Fachwissen, etwa in Geschichte oder Mathe, geht natürlich auch nichts. Wobei Fachwissen alleine nicht ausreicht. Man muss außerdem fähig sein, den Schülern das Wissen zu vermitteln, sich also in dem Bereich auskennen, den wir Didaktik nennen. Ein guter Lehrer kann also auf drei Wissensbereiche zurückgreifen: pädagogisch-psychologisches Wissen, Fachwissen und fachdidaktisches Wissen.
Wie muss die Ausbildung aussehen, damit Schüler gute Lehrer bekommen?
Ein gutes Lehramtsstudium fängt zunächst damit an, dass man versteht, wie Schüler und Schülerinnen eigentlich lernen.
Ich finde es besonders wichtig, Trainingseinheiten unbedingt schon ins Studium zu integrieren. Ähnlich wie bei anderen Anwendungsberufen, etwa bei Medizinern, muss es Möglichkeiten geben, in denen die Studierenden ihr Wissen schon mal praktisch trainieren können. Dazu gehört, es anzuwenden und zu reflektieren und Feedback zu bekommen. Da gibt es viel Nachholbedarf, wenn wir uns die derzeitige Ausbildung ansehen.
Und ich spreche nicht vom Referendariat und meine auch nicht, dass Studenten ab dem ersten Semester raus und vor die Klasse gehören. Sie sollen in kleinem Rahmen schon mal experimentieren können – vergleichbar mit einem künftigen Piloten, der im Flugsimulator übt. So kann man Wissen langsam aufbauen und profitiert in den späteren Praxisphasen davon. Derzeit läuft oftmals immer noch zu stark getrennt in zwei Phasen ab: erst Theorie, dann Praxis im Referendariat. Diese beiden Elemente sollten vielmehr dauerhaft ineinandergreifen.
Wo sehen Sie aktuell die zwei größten Probleme in der Lehrerausbildung?
Die Länge der Lehrerausbildung kann man in Frage stellen. Die ist auch dem Phasenmodell geschuldet: erst Theorie, dann Praxis. Wenn Fortbildungen später einen höheren Stellenwert hätten und sich Lehrkräfte kontinuierlich fortbilden müssten, könnte man den gesamten ersten Part der Ausbildung verkürzen.
Zusätzlich brauchen wir flexiblere Modelle für einen Abschluss. Ich denke da besonders an die Quer- und Seiteneinsteiger. Die müssten die Möglichkeit bekommen, ein Lehramtsstudium schneller zu durchlaufen, weil sie bereits studiert haben. Aber sie müssen unbedingt auch qualifiziert werden. In der Medizin würde auch jeder aufschreien, wenn man beim Hausarzt sitzt und der plötzlich sagt: „Ich bin Quereinsteiger“. Ich bin also für eine gewisse Flexibilität im ersten Part der Ausbildung und eine größere Standardisierung, was die Fortbildungen betrifft.
In der Corona-Krise wurde und wird viel über den Lehrerberuf diskutiert, Stichwort digitale Kompetenzen. Was können wir aus der Pandemie für die Lehrerausbildung lernen?
Man sieht hier große Unterschiede an den Schulen. Viele Schulen waren sehr innovativ und in dem Bereich Technik sowieso schon ganz gut aufgestellt – die sind durch die Decke gegangen und haben sich gefreut, dass sie endlich loslegen dürfen. Andere Schulen haben Schwierigkeiten gehabt, sich überhaupt entsprechende Geräte zu besorgen.
Der Digitalpakt, ein Programm der Bundesregierung, das die Digitalisierung vorantreiben soll, kam für die Corona-Pandemie eigentlich etwas zu spät und war noch nicht richtig in Fahrt.
Zumindest weiß man jetzt, was wirklich gebraucht wird und inwiefern auch die Lehrkräfte entsprechend fortgebildet werden sollten. In solchen Situationen fände ich es wichtig, dass die Universitäten viel mehr eingebunden werden, sie könnten zum Beispiel wissenschaftsbasierte Fortbildungen in genau dem Bereich entwickeln.
Was kann die Politik tun, um für guten Lehrernachwuchs zu sorgen?
Ich kann den Antrag der Linken, der gerade im Bundestag diskutiert wird, schon verstehen. Es sollte nicht am Geld scheitern und vor allem sollten nicht einfach nur Löcher gestopft werden. Es müssen langfristigere Lösungen gefunden werden und aus meiner Sicht ist hier die Wissenschaft gefragt. Ich würde auf Bundesebene viel Geld in die Hand nehmen, damit die Hochschulen Angebote erarbeiten können, die die Quereinsteiger universitär ausbilden.
Die sogenannte „Qualitätsoffensive“ ist schon mal ein guter Start. Ich sehe den Bund in der Pflicht, hier große Programme auszuschreiben.
Außerdem brauchen wir eine bessere Zusammenarbeit mit der Kultusministerkonferenz und eine Beratung durch die Wissenschaft. Eine bessere Absprache zwischen den Ländern und einheitlichere Standards in allen Bundesländern wären ebenfalls wichtig. In der Medizin oder Psychologie hat man mittlerweile eigentlich überall das gleiche Studienniveau, davon sind wir beim Lehramt noch weit entfernt.
Der Bund muss meiner Meinung nach Geld in Köpfe, also gut ausgebildete Lehrer, investieren und nicht nur I-Pads zur Verfügung stellen.
Zur Person
Marc Kleinknecht ist seit 2016 Professor für Schulpädagogik und Schulentwicklung an der Leuphana Universität in Lüneburg.
Nach dem Abitur hat er zunächst eine klassische Lehrerausbildung gemacht: Studium und Referendariat. Im Anschluss arbeitete er als Lehrer, dann in der Forschung unter anderem in Tübingen und München. Er beschäftigt sich etwa mit der Frage, wie Lehrer lernen und in ihrem Kompetenzerwerb gefördert werden können.
(Mira Knauf)