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Aufarbeitung Zwangsarbeit in DDR-Gefängnissen

Rund 250.000 politische Häftlinge gab es in der DDR. Viele von ihnen wurden zu gefährlicher Arbeit unter harten Bedingungen gezwungen. Im Bundestag berichteten Zeitzeugen von ihren Erlebnissen.

Blick in eine Gefängniszelle, man sieht durch die Tür Bett und Kloschüssel

Auch um die Haftbedingungen in DDR-Gefängnissen ging es im Fachgespräch. © picture alliance/dpa/Jörg Carstensen

Sie wolle „mehr Licht in dieses dunkle Kapitel bringen“, sagte die Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur Evelyn Zupke zu Beginn des Fachgesprächs, zu dem sie in den Bundestag eingeladen hatte. Gemeint war die gängige Praxis zu DDR-Zeiten, politische Gefangene Zwangsarbeit leisten zu lassen. Sie produzierten, oft unter schrecklichen Bedingungen, Waren, die in der DDR vertrieben, aber auch in die BRD exportiert wurden.

Für dieses Thema gebe es „bis heute keine ausreichende Sensibilisierung“, mahnte Zupke. Sie sagte: „Viel zu viele wurden durch die Zwangsarbeit krank, als dass wir als Gesellschaft darüber hinwegsehen könnten.“ Die Aufarbeitung sei nicht nur eine ostdeutsche, sondern eine „gemeinsame gesamtdeutsche Aufgabe“.

„Es geht um moralische Wiedergutmachung“

Dieter Dombrowski von der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), der zu DDR-Zeiten selbst in Cottbus inhaftiert war, sagte, die Aufarbeitung der SED-Diktatur nach der Wiedervereinigung sei zwar insgesamt „gut gelaufen“, es gebe aber noch „offene Baustellen“. Er forderte Wiedergutmachung für „die, die bis heute leiden, in gesundheitlichen und finanziellen Schwierigkeiten sind“. Die anwesenden Abgeordneten forderte er auf, ihren Einfluss geltend zu machen, um Unternehmen zu „motivieren“, Verantwortung zu übernehmen. „Es geht um moralische Wiedergutmachung“, betonte Dombrowski.

„Ziel war es, die Widerstandsfähigkeit zu brechen“

Aus wissenschaftlicher Sicht legte die Psychologin Stefanie Knorr dar, was mit politischen Gefangenen in der DDR passierte: Die Zwangsarbeit habe der „Erziehung und Bestrafung“ von Widerständlern dienen sollen. Die Gefangenen wurden systematisch erniedrigt, mit dem Ziel, „die Widerstandsfähigkeit zu brechen“. Neben der Zwangsarbeit habe es Foltermethoden wie Isolations- oder Dunkelhaft gegeben. Die Haftunterbringung in Massenzellen bei Mangelernährung und zu wenig Schlaf habe die Häftlinge demoralisiert. Zudem hätten die Gefängniswärter bewusst Machtkampf und Rivalität unter den Gefangenen geschürt.

Die „permanente Bedrohung der körperlichen und seelischen Unversehrtheit“ habe zu Zusammenbrüchen, Gesundheitsschäden, Unfällen, auch Todesfällen und zu lebenslangen Folgeschäden geführt.

„Kein Mensch hat dir irgendeine Arbeitsschutzbelehrung gegeben“

Als Zeitzeuge schilderte Frank Herrmann seine Erfahrungen in der Haft in Naumburg. Er war 1978 als 17-Jähriger erstmals für sieben Monate eingesperrt worden, weil er sich nach einem Blues-Konzert gegen eine Befragung der Polizei gewehrt hatte. Danach habe man seinen Personalausweis eingezogen, er wurde ständig überwacht, was seine systemkritische Haltung bestärkte.

Bei einem Fluchtversuch wurde Frank Herrmann 1983 wieder verhaftet. Während seiner Haft musste er im Chemie-Werk arbeiten, mit giftigen Chemikalien. Eine Schulung gab es nicht und „kein Mensch hat dir irgendeine Arbeitsschutzbelehrung gegeben“. Weil es keine Schutzbrillen gab, verlor er bei einem Arbeitsunfall fast sein Augenlicht. Danach verweigerte er die gefährliche Arbeit. Daraufhin kam er für zwei Wochen in Isolationshaft, er wurde ans Bett gekettet. Arbeitsunfälle und Zusammenbrüche habe er oft erlebt, erzählt Frank Herrmann. Danach seien die Mitgefangenen oft spurlos verschwunden.

Herrmann leidet immer noch unter der Zeit im Gefängnis. Inzwischen wurden seine Folgeschäden anerkannt, die Beweisführung nahm allerdings drei Jahre in Anspruch. Andere warteten immer noch auf die Anerkennung.

„Katastrohpale Zustände“

Auch Birgit Krüger berichtete von ihrer Gefangenschaft im Frauengefängnis Hoheneck. Sie hatte mit ihrem Mann und ihren Kindern die DDR verlassen wollen. Viermal hatten sie die Ausreise beantragt. Nachdem sie jedes Mal verweigert wurde, klagte ihr Mann die DDR beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Menschenrechtsverletzung an. Birgit Krüger wusste nichts davon. Trotzdem wurde sie verhaftet und nach sieben Monaten Untersuchungshaft zu mehr als zwei Jahren Gefängnis verurteilt, unter anderem wegen Staatsverleumdung.

In Hoheneck musste sie Gehäuse für Waschmaschinen montieren. Die Zwangsarbeit wurde im Keller verrichtet, an schweren Maschinen bei großer Hitze, ohne Belüftung, ohne Schutzkleidung. „Für 20 Frauen gab es zwei Kannen Tee am Tag“, erzählt Birgit Krüger. „Katastrophale Zustände“ seien das gewesen. Ihr 52-Kilo-Körper streikte, sie erlitt einen Arbeitsunfall und dann auch einen Bandscheibenvorfall.

„Zum Glück kamen die Kinder nicht ins Heim“, so Krüger. Ihre neunjährige Tochter und der elfjährige Sohn, der die Verhaftung des Vaters miterlebt hatte, konnten zu den Großeltern.

Hier seht ihr das Fachgespräch im Video:

(jk)

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