Cannabis-Legalisierung Mehr Verantwortung oder mehr Gefahr
Nicole Tepasse
Die Bundesregierung möchte Cannabis unter bestimmten Bedingungen für den privaten Konsum legalisieren, Prävention stärken und einen verantwortungsvollen Umgang erleichtern. Stimmen aus der Opposition, die gegen die Legalisierung sind, weisen auf das erhöhte gesundheitliche Risiko für Jugendliche hin.
Der Bundestag hat am Mittwoch, 18. Oktober 2023, in erster Lesung einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum kontrollierten Umgang mit Cannabis beraten. Die bisher illegale Droge Cannabis soll danach unter bestimmten Bedingungen für den privaten Konsum legalisiert werden.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht den legalen Besitz und Konsum von Cannabis für Erwachsene vor. Ermöglicht werden sollen der private Eigenanbau, der gemeinschaftliche nichtgewerbliche Eigenanbau und die kontrollierte Weitergabe von Cannabis durch Anbauvereinigungen. Mit dem Gesetzentwurf werde ein verantwortungsvoller Umgang mit Cannabis erleichtert, heißt es in der Vorlage.
Minister Lauterbach: „Wir machen Vorbeugepolitik“
Der Entwurf sieht zudem vor, zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, Aufklärung und Prävention zu stärken, den illegalen Markt für Cannabis einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu verbessern.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte in der Debatte, dass die Regierung eine gezielte Ansprache von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen plane. Die Nachricht laute, dass Cannabiskonsum schädlich sei, insbesondere für das wachsende Gehirn. „Mit dieser gezielten Nachricht machen wir eine Vorbeugepolitik“, betonte der Minister. Diese habe bisher in den Schulen und in der öffentlichen Auseinandersetzung gefehlt.
25 Gramm für den Eigenkonsum erlaubt
Die aktuelle Entwicklung zeige, dass der Konsum von Cannabis trotz der bestehenden Verbotsregelungen weiter ansteige. Das vom Schwarzmarkt bezogene Cannabis sei oft mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden, da der Gehalt des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) unbekannt sei und giftige Beimengungen, Verunreinigungen sowie synthetische Cannabinoide enthalten sein könnten.
Erwachsenen ist nach dem Entwurf künftig der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum erlaubt. Möglich werden soll zudem der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen zum Eigenkonsum. Privat angebautes Cannabis muss jedoch vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche geschützt werden. Außerdem dürfen nichtgewerbliche Anbauvereinigungen Cannabis künftig anbauen und an ihre Mitglieder zum Eigenkonsum weitergeben.
Union: „Lernen Sie aus den Fehlern der anderen Länder!“
Simone Borchardt (CDU/CSU) forderte die Regierung auf: „Lernen Sie aus den Fehlern der anderen Länder!“ Die Position, dass der Schwarzmarkt bekämpft werde, führe die Regierung in die Irre. Die Idee der Clubs sei nicht neu. „Wenn wir nach Spanien schauen, sehen wir doch, dass dort unter dem Deckmantel der Clubs weiterhin Organisierte Kriminalität operiert“, kritisierte Borchardt.
Ihre Fraktion fordert in einem Antrag, die geplante Cannabislegalisierung zu stoppen und die Bevölkerung über die Risiken der Droge aufzuklären. Insbesondere junge Menschen seien durch den Konsum von Cannabis gefährdet, da bei ihnen die Entwicklung des Gehirns noch nicht abgeschlossen ist. Die klinische Forschung belege ungünstige Einflüsse intensiven Cannabiskonsums etwa auf Gedächtnis-, Lern- und Erinnerungsleistungen.
Bündnis 90/Die Grünen: „Schwarzmarkt vergrößert das Risiko“
Die stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) widersprach der Union. Aktuell gebe es steigende Konsumzahlen, aber keine Sicherheit über Inhaltsstoffe, keine Sicherheit über das Mischungsverhältnis der wirksamen Substanzen: „Durch das Verbot, durch den Schwarzmarkt vergrößert sich das Risiko.“
AfD: „Dauerhafte gesundheitliche Schäden“
Jörg Schneider (AfD) ging in der Debatte auf den Jugendschutz ein und betonte, dass das Gehirn bis zum 25. Lebensjahr wachse. „Wenn vorher Cannabis konsumiert wird, dann kann das dauerhafte schwere gesundheitliche Schäden haben.“ Dies machten Studien deutliche, deren Ergebnisse nun beiseitegewischt würden.
In einem Antrag fordert seine Fraktion deshalb, die geplante Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken aufzugeben. Die Adoleszenz stelle eine entscheidende Phase in der Entwicklung des Gehirns dar. Untersuchungen deuteten darauf hin, dass sich der Konsum von Cannabis nachteilig auf die Reifung von Nervenzellen und Nervenverbindungen auswirken könne. Insbesondere bei regelmäßigem Cannabiskonsum in der Jugend bestehe das Risiko einer Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten bis hin zu einem erhöhten Risiko für Depressionen oder Suizidgedanken.
FDP: „Gesetz ist ein guter erster Schritt“
Laut Kristine Lütke (FDP) sei der vorliegende Entwurf aus Sicht ihrer Fraktion in vielen Punkten noch zu kleinteilig, zu bürokratisch, zu wenig praxistauglich. Sie betonte aber auch: „Dieses Gesetz ist ein guter erster Schritt, um den Jugend-, Gesundheits- und Verbraucherschutz zu verbessern und der gescheiterten Prohibitionspolitik ein Ende zu setzen.“ In einigen Wochen werde der Bundestag ein in Teilen verändertes und vor allem verbessertes Gesetz verabschieden werde, zeigte sie sich überzeugt.
Die Linke: „Verbotspolitik der falsche Weg“
Dass dem Bundestag ein Gesetzentwurf zur Legalisierung von Cannabis vorliege, bezeichnete Ates Gürpinar von der Linksfraktion als „Riesenerfolg“. Es sei ein Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Drogen- und Suchtexperten, Menschen aus der Cannabiscommunity, aber auch von Justiz und Polizei, die deutlich gemacht hätten, dass „Verbotspolitik hier der falsche, eben der gesundheitsgefährdendere Weg ist“. Allerdings müsse der Entwurf an vielen Stellen noch verbessert werden.
Nach der Debatte im Plenum wurde der Gesetzentwurf gemeinsam mit dem CDU/CSU-Antrag mit dem Titel „Cannabislegalisierung stoppen, Gesundheitsschutz verbessern – Aufklärung, Prävention und Forschung stärken“ (20/8735) und dem AfD-Antrag mit dem Titel „Die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken aufgeben und eine wissenschaftliche Nutzenbewertung von Medizinalcannabis analog zum Arzneimittelrecht einleiten“ (20/8869) zur Federführung an den Gesundheitsausschuss überwiesen.