Öffentliche Anhörung Geteiltes Echo zu geplanter Cannabis-Legalisierung
Naomi Webster-Grundl
Die Bundesregierung will Cannabis entkriminalisieren und damit den Gesundheitsschutz verbessern und den Schwarzmarkt eindämmen. Die CDU/CSU-Fraktion sieht die Legalisierung von Cannabis nicht als das geeignete Mittel für diese Ziele. In einer Anhörung des Gesundheitsausschusses konnten die Abgeordneten nun öffentlich Sachverständige dazu befragen.
Am Montag, den 6. November, kam der Gesundheitsausschuss mit zahlreichen Sachverständigen zusammen, um über die von der Bundesregierung geplante Legalisierung des Rauschmittels Cannabis zu diskutieren. Dabei standen der Gesetzentwurf der Bundesregierung mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ und ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Cannabislegalisierung stoppen, Gesundheitsschutz verbessern – Aufklärung, Prävention und Forschung stärken“ im Mittelpunkt der öffentlichen Anhörung, die den Abgeordneten die Möglichkeit bietet, Fragen an die geladenen Sachverständigen zu stellen.
Legalisieren - ja oder nein?
Zunächst fasste Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) als stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses den Standpunkt der Regierung zusammen: Der Konsum von Cannabis sei unter Jugendlichen sehr verbreitet, obwohl er illegal sei. Weil er illegal sei, besorgten sich die Jugendlichen das Cannabis auf dem Schwarzmarkt und wüssten nicht, wie viel THC (der rauschbewirkende Bestandteil der Hanfpflanze) enthalten sei oder welche Verunreinigungen das Cannabis aufweise, wodurch das Gesundheitsrisiko sehr viel höher sei. „Mit diesem Gesetzentwurf will die Bundesregierung also zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beitragen, die Cannabis bezogene Aufklärung und Prävention stärken und den illegalen Markt für Cannabis eindämmen und gleichzeitig den Kinder- und Jugendschutz stärken.“
Die CDU/CSU-Fraktion fordert in ihrem Antrag, die Cannabislegalisierung zu stoppen. Auch sie wolle den Gesundheitsschutz verbessern, dies aber durch Entwicklung von Präventionsstrategien und verstärkter Aufklärung erreichen. Auch die Forschung solle gestärkt und der Zugang zu Medizinal-Cannabis verbessert werden.
Strafverfolgung kein geeignetes Mittel für Gesundheitsschutz
Auf die Frage von Ulrike Baehrens (SPD), welche Bedeutung er dem Gesetz zur Entkriminalisierung von Cannabis beimesse, antwortete der Gesundheitswissenschaftler Dr. Jakob Manthey, der in der Suchtforschung tätig ist, dass Strafverfolgung und Repression kein geeignetes Mittel zum Gesundheitsschutz darstellen. Er betonte, dass sich darüber auch fast alle Parteien einig seien und dies auch Konsens in der Wissenschaft sei. Man müsse Cannabis als riskante Substanz wahrnehmen, doch er sehe in der Entkriminalisierung von Cannabis die Möglichkeit, faktenbasierter über das Thema zu sprechen und ein differenziertes Vorgehen zu ermöglichen.
Untaugliche Jugendschutzmaßnahmen
Simone Borchardt (CDU/CSU) betonte, dass ihre Fraktion die Legalisierung von Cannabis ablehne und der Gesetzentwurf der Regierung nicht zu Ende gedacht sei. Dem Vertreter des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärztinnen stellte sie die Frage, welche Maßnahmen ergriffen werden müssten, damit vor allem Kinder und Jugendliche vor Cannabis geschützt würden und welche Auswirkungen die Legalisierung von Cannabis hätte.
Der Präsident des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendärzte Dr. Thomas Fischbach erklärte, dass der Präventionsgedanke und der Schutz von Kindern und Jugendlichen nicht in dem Maß im Vordergrund des Gesetzentwurfs der Bundesregierung stünden, wie der Berufsverband es für erforderlich halte. Er zählte eine lange Liste mit Maßnahmen auf, die im Gesetz fehlten. So finde sich beispielsweise keine Präventionskampagne im Gesetzentwurf, die Altersgrenze beim Konsum werde nicht angehoben, eine schrittweise Reduktion des THC-Gehalts sei nicht vorgesehen, die verbotene Weitergabe von Cannabis an unter 18-Jährige werde nicht stärker reglementiert und die vorgesehenen Jugendschutzmaßnahmen seien untauglich, da sie nicht umsetzbar seien. Die Bundesärztekammer stimmte den Ausführungen von Herrn Fischbach zu.
Erheblicher Rückgang des Schwarzmarktes erwartet
Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) wollte von Dr. Bernd Werse vom Centre for Drug Research, Frankfurt am Main wissen, wie er die Behauptung beurteile, dass der Schwarzmarkt sich durch das geplante Gesetz ausweiten werde.
„Die Behauptung, dass sich der Schwarzmarkt ausweiten könnte, ist im Grunde absurd, denn im Moment haben wir ja 100 Prozent Schwarzmarkt beziehungsweise 100 Prozent illegale Versorgung“, so Dr. Werse. Da die geplanten Anbauvereinigungen sehr hohen Auflagen unterlägen, wäre es sehr riskant diese Vereinigungen für illegalen Anbau und Handel zu nutzen. Er gehe davon aus, dass der Schwarzmarkt durch die Legalisierung von Cannabis erheblich zurückgehen werde.
Erwartungen von Unternehmen enttäuscht
Kristine Lütke (FDP) befragte Maximilian Schmidt, den Sachverständigen des Bundesverbands Pharmazeutischer Cannabinoid-Unternehmen, welche dringenden Verbesserungen im Bereich von Medizinal-Cannabis er als notwendig erachten. Er erklärte, dass die Intention des Gesetzgebers begrüßt werde, doch einige Punkte hinter den Erwartungen zurückbleiben wie die vollständige Abschaffung des Genehmigungsvorbehaltes, die Streichung des Konsumverbots für die Inhalation von Cannabis-Arzneimitteln und die vorrangige Verordnung von Fertigarzneimitteln gegenüber Cannabis-Blüten.
Möglichst niedriger THC-Grenzwert zugunsten der Verkehrssicherheit
Jörg Schneider (AfD) wollte wissen, welche Probleme es im Zusammenhang mit Cannabis-Konsum im Straßenverkehr geben könnte. Alexander Poitz, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, erklärte seine Verwunderung darüber, dass der Gesetzentwurf die Auswirkungen der Cannabisfreigabe auf den Straßenverkehr derart vernachlässige. Es sei eine frühzeitige und flächendeckende Beschaffung von Drogenschnelltestmöglichkeiten notwendig, die derzeit nicht gegeben sei.
„Aufklärungsarbeit geht hier vor Sanktionierung“, fuhr Poitz fort. Es sollten keine Experimente beim THC-Grenzwert auf Kosten der Verkehrssicherheit erfolgen, sondern ein möglichst niedriger Grenzwert festgelegt werden. Die Gewerkschaft der Polizei fordert ein Präventionspaket analog zum Thema Alkohol.
Konsum nur mit Abstand
Ates Gürpinar (Die Linke) bezog sich in seiner Frage auf die Konsumabstandsregelung. Theoretisch könnten nach dem aktuellem Gesetzentwurf Bußgelder in der Höhe von bis zu 100.000 Euro verhängt werden, wenn man 199 Meter oder weniger entfernt von einer Schule Cannabis konsumiere. Dazu wollte Gürpinar von Dr. Bernd Werse vom Centre for Drug Research, Frankfurt am Main, wissen, für wie dringend er eine Änderung der Abstandsregelung halte.
Dieser erklärte, dass er sehr dringlichen Änderungsbedarf sehe. Jedes Mal, wenn jemand in der Öffentlichkeit einen Joint rauche, nachzumessen, ob dies mehr als 200 Meter entfernt von einem Kindergarten oder einer Schule stattgefunden habe, sei ein unverhältnismäßiger Aufwand. Er plädiere dafür, dass festgehalten werde, dass man nicht in Sichtweite von Schulen oder Kindergärten konsumieren dürfe.
Die ganze Anhörung zum Cannabisgesetz im Gesundheitsausschuss könnt ihr euch hier anschauen.