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Tierschutzgesetz Bundestag verbietet Kükentöten

Laura Heyer

Ab Januar 2022 sollen in Deutschland keine männlichen Küken mehr getötet werden dürfen. Stattdessen soll das Geschlecht schon vor dem Ausbrüten bestimmt werden. Eine längst überfällige Entscheidung, finden alle Fraktionen – aber es gibt offene Fragen.

Ei, Schatten eines Kükens

Männlich oder weiblich? Das ist die große Frage, wenn es um Küken geht. © shutterstock/Paolo Farinella

Das Frühstücksei ist ein Klassiker in deutschen Haushalten. Aber nicht jedes Ei landet auf dem Frühstückstisch. Aus manchen Eiern schlüpfen Küken, die später als gemästete Hühner gegessen werden. Und aus manchen Eiern schlüpfen Küken, die getötet werden.

Aber fangen wir von vorne an. Bei Hühnern gibt es zwei Genetiken: sogenannte Mastrassen zur Fleischerzeugung und Legerassen für die Eierproduktion. Bei Mastrassen leben männliche und weibliche Tiere zusammen, werden gemästet und geschlachtet.

Bei Legehennen ist das etwas komplizierter: In sogenanntem Elterntierfarmen leben Hähne und Hennen zusammen. Die Legehennen legen befruchtete Bruteier, die in eine Brüterei geliefert werden. In dieser Brüterei schlüpfen aus den Bruteiern Küken.

Worum geht es?

Davon sind meist je 50 Prozent männliche und weibliche Küken. Die männlichen Küken werden nach dem Schlupf direkt getötet, da sie keine Eier legen können und nur sehr wenig Fleisch ansetzen. Im Jahr 2019 waren das in Deutschland 45 Millionen männliche Küken. Aktuell werden die meisten von ihnen mit dem Gas Kohlenstoffdioxid betäubt und getötet. Aber auch das Schreddern der Küken ist noch zulässig.

Das will der Deutsche Bundestag nun ändern und hat am 20. Mai einen Gesetzentwurf der Bundesregierung verabschiedet. Ab dem 1. Januar 2022 soll das Töten von männlichen Hühnerküken der Rasse Gallus Gallus nun verboten sein. Ab dem Jahr 2024 sollen auch Eingriffe am Hühnerei nach dem siebten Bruttag nicht mehr erlaubt sein, die zum Beispiel zur Geschlechtsbestimmung genutzt werden können.

Wie soll das funktionieren?

Deutschland will damit das erste Land sein, das das Kükentöten verbietet. Allerdings benötigen die Brütereien, die Hühner züchten, eine Alternative. Dazu soll die Geschlechtsbestimmung im Ei genutzt werden. Mit dieser Methode kann man schon vor dem Ausbrüten erkennen, ob es sich um ein männliches oder weibliches Küken handelt. Dann werden die Eier gar nicht erst ausgebrütet und es müssen keine Küken getötet werden.

Das Problem: Aktuell ist nicht eindeutig geklärt, ab wann ein Hühner-Embryo im Ei Schmerz empfinden kann. Die Bundesregierung hat entschieden, dass das Abbrechen des Brutvorgangs nach dem siebten Tag nicht mehr erlaubt ist. Jedoch gibt es bisher keine Technik, mit der eine Geschlechtsbestimmung so früh, also bis zum siebten Tag, möglich ist.

Bisher gibt es unterschiedliche Methoden: So können Forscher zum Beispiel mit einem Laser die DNA im Ei bestimmen oder eine Art Schwangerschaftstest für Eier durchführen (mehr zu dieser Methode lest ihr hier im Interview). Eine andere Möglichkeit ist, nur den männlichen Küken ein spezielles Gen zu vererben, das unter UV-Licht leuchtet und so anzeigen kann, welche Eier männliche und welche weibliche Küken hervorbringen.

Das sagen Experten

Bevor die Abgeordneten ihre Entscheidung zum neuen Gesetz trafen, hatten sie Experten angehört. Alle waren sich einig, dass das Kükentöten beendet werden müsse.

Dr. Dominik Fischer vom Grünen Zoo Wuppertal argumentierte jedoch, dass die getöteten männlichen Küken bisher oftmals als Futtermittel in Zoos oder Wildtierparks für Tiere eingesetzt würden. Für solche Anwendungsgebiete müsse es daher Ausnahmen oder Sonderregelungen geben.

Auch Experten aus der Geflügelzucht kritisierten, dass es bisher nicht genug geeignete Alternativen neben der Geschlechtsbestimmung von Küken gebe. Wenn die Küken nicht getötet, sondern als sogenannte „Bruderhähne“ aufgezogen würden, bedeute das für die Betriebe eine zusätzliche Belastung, so Dr. Rudolf Preisinger, Geschäftsführer des Geflügelzuchtunternehmens Lohmann.

Auch über das Schmerzempfinden von Küken und die entsprechenden Regelungen dazu gab es sehr unterschiedliche Meinungen.

„Wir sind die Ersten“

„Das Töten direkt nach dem Schlüpfen ist eine unethische Praxis. Der setzen wir heute ein Ende. Wir in Deutschland sind weltweit die Ersten, die das Töten von Eintagsküken gesetzlich verbieten“, sagte Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, in der Debatte im Plenum des Bundestages.

Nezahat Baradari von der SPD wies zudem darauf hin, dass mit dem Gesetzentwurf auch weitere Regeln im Tierschutzgesetz geändert werden – unter anderem der Schutz von Versuchstieren. „Notwendig macht diese Gesetzesänderung ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen mangelhafter Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere.“

Wenn Europa nicht mitmacht

Das Gesetz sei wünschenswert – aber nicht zu Ende gedacht, kritisierte Stephan Protschka von der AfD-Fraktion: „Denn es gibt in Deutschland viele Zoos, Tierparks, Wildparks, Falknereien, welche Tiere haben – zum Teil sogar Tiere, die vom Aussterben bedroht sind –, die die Küken als Futter benötigen.“ Zudem bringe die Regelung nichts, solange es kein europaweites Verbot gebe, so der Abgeordnete.

Ähnlich sah das auch Gero Clemens Hocker (FDP): „Man muss Konzepte entwickeln, die tatsächlich praxistauglich sind und vor allem verhindern, dass Produktionsstätten einfach nur ins Ausland abwandern, wo dieselben Produktionsweisen fortgeführt werden, und die Produkte dann doch wieder bei uns in Deutschland landen“, sagte er.

Grüne und Linke kritisieren Tierschutz

Tierschutz habe in Deutschland einfach keinen hohen Stellenwert, sagte Amira Mohamed Ali von der Linksfraktion. Jeden Tag litten tausende Tiere an der industriellen Massentierhaltung.

„Das wurde nur gemacht, weil die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat, an dessen Gängelband Sie über lange Zeit hingen. Ich kann bei all diesen Regelungen im Ergebnis nur eines feststellen: Die Dinge passieren extrem spät“, kritisierte auch Renate Künast von den Grünen-Fraktion.

Die ganze Debatte findet ihr auf bundestag.de und hier im Video.

(lh)

Mitmischen-Autorin

Laura Heyer

hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.

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