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Auf dem Ziegenhof Hier geben die Tiere den Takt an

Cecilia Abel ist Ende 20 und leitet einen Ziegenhof. Gemeinsam mit einem Freund bewirtschaftet sie eine Fläche in etwa so groß wie zwanzig Fußballfelder. Mitmischen-Autorin Irina hat sie auf ihrem Hof in Brandenburg besucht.

Junge Frau mit Ziegen

Bäuerin Cecilia Abel hat den Hof mit Mitte zwanzig übernommen. © Irina Steinhauer

Cecilia Abel schiebt das schmale Holzgatter auf. „Hier kommen sie gleich reingerannt“, sagt die 28-jährige, stapft mit ihren schwarzen Gummistiefeln durch den Schlamm und zeigt auf eine Herde Ziegen, die vom anderen Ende der regennassen Wiese auf sie zuläuft. 16 Uhr, Zeit zum Melken.

Etwa anderthalb Stunden dauert das Melken. Zweimal am Tag, sieben Tage pro Woche. „Aktuell melken wir täglich etwa 120 Liter Milch“, erzählt Abel. Die junge Frau hat den Ziegenhof vor zweieinhalb Jahren zusammen mit Landwirt Daniel Baumgart übernommen. Ein kleinbäuerlicher Biobetrieb am Südrand des Spreewalds in Brandenburg. 80 Ziegen, zwei bis drei Böcke und ihr Nachwuchs.

Abel und Baumgart machen alles selbst: Heu ernten, Ziegen melken, Käse machen, Schlachten und die Produkte vermarkten. Zu zweit bewirtschaften sie rund 16 Hektar, eine Fläche in etwa so groß wie zwanzig Fußballfelder.

80 Ziegen, ein paar Böcke und ihr Nachwuchs

Ein bisschen Unterstützung haben sie schon: Zum Beispiel durch Lea, die hier ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) macht. Während sie die Anlage vorbereitet, große Milchkannen umherschiebt, Schläuche einhängt und Hafer vor den Futtergittern verteilt, drängen sich Dutzende Ziegen durch das Gatter in das angrenzende Gehege. Ganz ohne Hilfe von Hofhund Felix, der die Herde normalerweise begleitet aber an diesem verregneten Mittwoch Ende Mai lieber im Stall geblieben ist. „Ziegen sind sehr schlau“, sagt Bäuerin Cecilia Abel. „Von der Weide zum Melkstand das klappt wunderbar.“

Eine nach der anderen klettern die ersten zwölf auf die hüfthohe Melkplattform, reihen sich dicht nebeneinander auf, den Kopf durchs Futtergitter gesteckt. Lea macht die Euter sauber und melkt einige Strahlen mit der Hand. „Bei Ziegen kommt es manchmal zu Hornstößen, dann kann Blut mit in der Milch sein“, erklärt Abel. Sieht aber alles gut aus. Mit geübten Handgriffen legen die beiden das Melkzeug an. „Jetzt wird es gleich laut“, warnt die Landwirtin und stellt die Pumpe an. Milch läuft.

Die Ziegen bestimmen den Rhythmus

Auf dem Ziegenhof geben die Tiere den Takt an. Das ganze Jahr orientiert sich an ihrem Rhythmus: Im Februar kommen die Zicklein auf die Welt, im März oder April beginnen Abel und Baumgart mit dem Melken. Startschuss für die Käseproduktion. Die Ziegen stehen dann bis zum Winter Tag wie Nacht auf der Weide.

Im September sorgen die Böcke dafür, dass es auch im nächsten Jahr Nachwuchs gibt. Peu à peu geben die Ziegen im Herbst immer weniger Milch, bis die Junglandwirte das Melken im Dezember ganz einstellen. Dann kehrt Ruhe ein auf dem Hof. Bis im Februar alles von vorn beginnt.

Ziegen

Täglich zweimal Ziegen melken, Cecilia und ihr Team mögen die Aufgabe. © Irina Steinhauer

Kein Tag ist wie der andere

Es ist ein Vollzeitjob ohne Wochenende und Sommerurlaub. Einzig im Januar können Abel und Baumgart Urlaub machen. Zweimal am Tag muss einer von ihnen im Winter die Tiere füttern, ansonsten ist zu dieser Jahreszeit Pause angesagt auf dem Hof. „Ziegenhaltung ist ein Saisongeschäft“, erklärt Abel. Das bedeutet auch: Im Winter haben die beiden keine Einnahmen.

Wer reich werden wolle, sei hier ohnehin falsch, meint Abel. Für die Landwirtin, die mit ihrem Freund in einem kleinen Häuschen auf dem Hof wohnt, ist die Ziegenhaltung trotzdem ein Traumberuf: „Was ich total schön finde ist, dass es so abwechslungsreich ist. Tiere ticken jeden Tag ein bisschen anders.“ Und auch die Arbeit verändere sich mit den Jahreszeiten, erzählt Abel, die gebürtig aus Braunschweig in Niedersachsen kommt und als Elfjährige mit ihren Eltern ins bayerische Traunstein am Chiemsee zog.

Neuland für Cecilia

Der Vater Maschinenbau-Ingenieur, die Mutter Hausfrau. „Nicht einmal meine Großeltern waren in der Landwirtschaft“, erzählt Abel. Nach der Schule will sie nach Berlin, macht im Südwesten der Hauptstadt ein Freiwilliges Ökologisches Jahr in der Domäne Dahlem, einem Freilandmuseum für Agrar- und Ernährungskultur mit Bio-Bauernhof.

„Ich hatte vorher nie einen Bezug zur Landwirtschaft“, erinnert sich die 28-jährige. In der Domäne Dahlem aber wird schnell klar: Sie will Landwirtin werden. Und, ein Öko-Betrieb soll es sein. Im brandenburgischen Eberswalde studiert sie Ökolandbau, hängt ein Masterstudium der Agrarwissenschaften in Stuttgart dran.

An den Ziegenhof kommt Abel über ein Praktikum während ihres Studiums. Danach hilft sie als Urlaubsvertretung aus, arbeitet einige Monate als Betriebshelferin. Als sie gefragt wird, ob sie den Hof gemeinsam mit Baumgart übernehmen möchte, steht die Antwort schnell fest.

Ein eigener Betrieb mit Mitte zwanzig

Den Hof pachten die beiden für fünf Jahre vom Gut Ogrosen, einem Biobetrieb mit Ackerbau, Milchkühen und Forstwirtschaft. Einzig die Ziegen kaufen sie. Klar sei das am Anfang eine „krasse Vorstellung“ gewesen, sagt Abel. Ein eigener Betrieb mit Mitte zwanzig.

Auf der anderen Seite habe sie schon länger mit dem Gedanken geliebäugelt. Aber wer nicht gerade den Hof der Eltern übernehmen kann, für den ist es in Deutschland gar nicht so leicht, an einen eigenen Betrieb zu kommen. Außerdem seien Ziegen für den Einstieg ideal, verrät Abel. „Alles ist klein und handlich.“

Noch ein Pluspunkt: Der Ziegenhof ist Teil einer ökologischen Höfegemeinschaft, den das Gut Ogrosen Anfang der 1990er Jahre gegründet hat. Die drei Betriebe, ein Schafhof zählt noch dazu, wirtschafteten zwar eigenständig, erklärt die junge Landwirtin, doch sie teilten sich zum Beispiel den Schlachtraum und die Hofkäserei.

Von Joghurt bis Schimmelkäse

Die liegt rund 10 Radminuten vom Weidemelkstand entfernt. Gleich nach dem Melken fahren Abel und Baumgart die Kannen mit ihrem Lastenrad in die Hofkäserei. Morgens verarbeiten sie die Milch direkt weiter. Abends wird sie gekühlt und am nächsten Tag mit der frischen Milch vermischt.

„Hier entsteht alles, was man aus Ziegenmilch machen kann“, sagt die Landwirtin, das blonde Haar unter einem roten Kopftuch versteckt. Von Joghurt über Camembert bis hin zu Blauschimmelkäse.

Ihr Hauptgeschäft aber ist der Ziegenfrischkäse. Abel zeigt auf die vielen runden Plastikförmchen auf einem Arbeitstisch in der Ecke des Raumes: „Den Käse muss ich gleich drehen.“ Sie greift nach dem ersten Behälter, kippt den runden Taler auf ihre Hand und lässt ihn mit der anderen Seite zuerst zurück in die Form plumpsen. „Das machen wir mehrmals am Tag, damit der Käse gleichmäßig entmolken kann“, sagt sie und greift nach dem nächsten Förmchen.

Zwei Tage für einen Frischkäsetaler

Vom Melken bis zum fertigen Frischkäsetaler dauert es zwei Tage. Bevor die Ziegenmilch in den Förmchen landet, wird sie auf 23 Grad erhitzt. Dazu kommen Bakterien, die die Milch einige Stunden lang säuern, und Lab. Das ist ein Enzym, das aus dem Magen von zum Beispiel Kälbern gewonnen wird und die Milch „dick legt". Was dann entstehe nenne man Gallerte, erklärt Abel. „Die kann man sich vorstellen wie einen riesigen Pudding, der auf der Molke schwimmt.“ Die Masse wird in die Förmchen geschöpft, drei bis viermal am Tag gedreht, gesalzen und mit Kräutern aus dem Garten verfeinert. Fertig.

Junge Frau macht Käse

Mit Ziegenfrischkäse verdient Cecilia das meiste Geld. Die Produktion ist jedoch aufwändig. © Irina Steinhauer

Der Käse boomt, das Fleisch nicht

Aus 100 Kilo Ziegenmilch machen die Junglandwirte ungefähr zehn Kilo Käse, die sie im Hofladen, in Biokäseläden und über Markstände in der Region verkaufen. Allesamt Rohmilchkäsesorten. Das bedeute, dass die Milch nie über 40 Grad erhitzt werde, erklärt Abel und öffnet die Tür zum ersten der drei Reiferäume, in dem auf Holzbrettern mehrere Käselaibe reifen. Wegen der Rohmilch schmecke der Ziegenkäse generell nicht so intensiv, wie viele annähmen.

Auch beim Fleisch gibt es nach den Worten der Junglandwirtin noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Während Ziegenkäseprodukte stark nachgefragt seien, hielten sich die Deutschen beim Ziegenfleisch eher zurück. „Die Leute denken immer, dass es irgendwie ‚ziegig‘ schmeckt.“ Ein Irrtum, meint Abel. Zicklein-Fleisch sei mild und zart. Ein bisschen wie Kalbfleisch.

„Zicklein sind ein Minusgeschäft“

Von den 45 Ziegenjungen, die an diesem Tag am Rande des nahe gelegenen Waldstücks weiden, werden Abel und Baumgart die meisten schlachten. Schließlich brauchen sie die Muttertiere, nicht aber den gesamten Nachwuchs.

Denn nur, wenn Ziegen Junge zur Welt bringen, geben sie Milch. Damit aber die Herde in etwa gleich groß bleibt, reichen zehn bis 15 weibliche Zicklein pro Jahr aus. Die übrigen Tiere schlachten die beiden im hofeigenen Schlachtraum. Dabei sei das in der Regel ein Minusgeschäft, da sich das Fleisch kaum verkaufen lasse, sagt Abel. Manch Landwirt verschenke den Nachwuchs sogar, weil er sich finanziell nicht rentiere.

Weniger Milch, mehr Gesundheit

Anders als in den meisten Betrieben, wo der Nachwuchs oftmals schon nach wenigen Tagen auf günstigere Kuhmilch oder Milchpulver umgestellt werde, trinken die Zicklein im Ziegenhof am Gut Ogrosen so lange bei ihren Müttern Milch, bis sie selbst fressen können.

Erst dann beginnen Abel und Baumgart mit dem Melken. Und erst dann startet die Käseproduktion. Muttergebundene Aufzucht nenne man das, erklärt die Landwirtin. Das bedeute zwar weniger Milch, aber auch gesündere Tiere und außerdem weniger Arbeit.

„Ziegen sind schlechte Rasenmäher“

Mehr Arbeit macht hingegen die Art, wie die Ziegen weiden – nämlich in einer sogenannten Portionsweide. Zweimal am Tag bauen die Junglandwirte die Zäune der Weide um, sodass die Tiere stets eine frische Fläche zum Abgrasen haben.

Das sei wichtig, um zu verhindern, dass sich Magendarmwürmer ausbreiten, erklärt Abel. Weiden Ziegen auf derselben Fläche können sich über den Kot der Tiere Parasiten schneller in der Herde ausbreiten. Außerdem, sagt die Landwirtin, sei das auch für die Weide besser. Denn Ziegen seien schlechte Rasenmäher. „Die sind ganz mäkelig und selektieren total krass.“

Ob auf der Weide oder im Stall, im Melkstand oder in der Käserei – die Arbeit auf einem Ziegenhof kann ganz schön anstrengend sein. Für Cecilia Abel ist das kein Minuspunkt. Im Gegenteil: „Ich mag die körperliche Arbeit ganz gern“, sagt die junge Frau. Auch auf ein Wochenende verzichte sie gern. Einzig: „Im Sommer mal eine Woche wegfahren zu können, das wäre schon schön.“

(Irina Steinhauer)

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