Debatte Mutterschutz für Selbständige und Gründerinnen
Frauen, die ein Kind bekommen, werden durch Mutterschutz und Elterngeld finanziell aufgefangen – zumindest, wenn sie fest angestellt sind. Selbstständige und Gründerinnen bekommen deutlich weniger Unterstützung. Darüber diskutierten die Abgeordneten kürzlich im Bundestag.
Wer ein Kind bekommt, pausiert in der Regel im Beruf eine Weile. Fest angestellte Frauen werden in dieser Zeit gut aufgefangen: Sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt, während des sogenannten Mutterschutzes, können sie zuhause bleiben und bekommen ihr volles Gehalt weiter. Das bezahlt teilweise die Krankenkasse, teilweise der Arbeitgeber. Selbstständige dagegen bekommen im Mutterschutz nur 70 Prozent ihres Gehalts. Und auch andere Arbeitsschutzvorschriften, insbesondere die des Mutterschutzgesetzes, gelten für sie nicht.
Die Unionsfraktion hat deshalb einen Antrag mit dem Titel „Schwanger- und Mutterschaft für Gründerinnen und Selbständige erleichtern“ vorgelegt, der am 15. Juni im Bundestag besprochen wurde. Darin fordert sie unter anderem, Höhe und Umfang des Mutterschaftsgeldes anzupassen und auch das Elterngeld an die Lebensrealität von Selbstständigen anzugleichen.
Union: „Nicht fair und nicht mehr zeitgemäß“
Melanie Bernstein (CDU/CSU) sagte in ihrer Rede, für schwangere Arbeitnehmerinnen würden Kündigungsschutz und Beschäftigungsverbot im Mutterschutz bei gesichertem Einkommen gelten. Das sei „gelebte Praxis, nachvollziehbar und anerkannt“. Selbstständige und Gründerinnen genössen aber nicht den gleichen Schutz, und das obwohl Deutschland ihre „innovativen Ideen“ dringend brauche. Vor allem im Handwerk, bei körpernahen Dienstleitungen oder in Betreuungsberufen könne es in der Schwangerschaft auch über den Mutterschutz hinaus zu Ausfällen kommen, „schlimmstenfalls zum Betriebsstillstand“. Dass die „gesellschaftlich und wirtschaftlich unverzichtbare Gruppe von Selbstständigen“ nicht in gleichem Maße wie Arbeitnehmerinnenunterstützt werde, sei „nicht fair und nicht mehr zeitgemäß“.
SPD: „Ja, wir müssen etwas ändern“
Sarah Lahrkamp (SPD) bekräftigte: „Ja, wir müssen etwas ändern.“ Es müsse selbstverständlich sein, dass der Schutz von werdenden Müttern auch für Selbstständige gelte. Andernfalls würde die Frage, ob sie als Selbstständige ein Kind bekommen könnten, schlimmstenfalls zu einer „Entweder-Oder-Entscheidung“.
Dennoch bezeichnete Lahrkamp den Antrag der Unionsfraktion als „absolut verfrüht und total unnötig“. Aufgrund der Petition „#meinewerkstattbleibt“ der Tischlermeisterin Johanna Röh habe der Bundestag sich ausgiebig mit der Thematik beschäftigt. Fraktionsübergreifend seien sich alle einig, dass etwas geschehen müsse, und das Familienministerium arbeite schon an einem entsprechenden Entwurf.
AfD: „Buntes, diverses Familienvernichtungsministerium“
Martin Reichardt (AfD) bezeichnete die aktuelle Familienpolitik als „Ampel-Irrsinn“ und nannte das Familienministerium ein „buntes, diverses Familienvernichtungsministerium“. Eine „Familienpolitik, die sich an den Bedürfnissen von Kindern und Familien orientiert“, sei nur mit der AfD zu machen, behauptete Reichardt. Er rief die Union dazu auf, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Seine Fraktion werde dem Antrag zustimmen, erklärte Reichardt. Denn: „Jede Maßnahme und jeder Cent, die darauf verwendet werden, dass in Deutschland mehr Kinder geboren werden, begrüßen wir von ganzem Herzen.“
Grüne: „Liste altbekannter Forderungen“
Auch Nina Stahr (Bündnis 90/Die Grünen) betonte: „Dass alle, die ein Kind bekommen haben, Recht auf Schutz haben, sollte selbstverständlich sein.“ Deutschland könne es sich weder gesellschaftlich noch wirtschaftlich leisten, auf selbstständige Frauen zu verzichten.
Welche Ideen liefere aber der Antrag der Unionsfraktion, fragte Stahr rhetorisch. Und antwortete: „Leider keine.“ Stattdessen sei der Antrag nur eine „Liste altbekannter Forderungen“ ohne konkrete Ideen für die Umsetzung. „Zur Wahrheit gehört aber auch“, so Stahr: „Die Umsetzung ist nicht einfach.“
Linke: „Lassen Sie uns das richtig machen“
Heidi Reichinnek (Die Linke) freute sich über „die Leidenschaft für das Thema“ im Plenum. Auf die Agenda hätten es aber die betroffenen Frauen selbst gesetzt, betonte sie. Die Unionsfraktion, kritisierte Reichinnek, mache plötzlich Vorschlage, die ihrer sonstigen Politik völlig entgegenlaufe. So finde sie es interessant, dass die Union im Antrag fordere, in das Vertragsrecht privater Krankenkassen einzugreifen. „Jetzt, wo Sie nicht mehr in der Verantwortung sind, spucken Sie plötzlich große Töne“, warf Reichinnek den Unionsabgeordneten vor. Aber, so appellierte sie an alle Fraktionen: Wenn sich jetzt schon alle einig seien, „dann lassen Sie uns das doch richtig machen: guten Mutterschutz für alle!“
FDP: „Das muss ein dauerhafter Weckruf sein“
Gyde Jensen (FDP) konstatierte, 2021 seien rund ein Drittel aller Selbstständigen Frauen gewesen. Selbstständige, Unternehmerinnen und Gründerinnen trügen also wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg des Landes bei. Auch Jensen dankte deshalb der Petentin Johanna Röh dafür, dass sie auf die Mängel im System hingewiesen habe. „Das muss ein dauerhafter Weckruf sein“, mahnte die Abgeordnete.
Der „eher lieblose Antrag“ der Union aber werde der Komplexität des Themas nicht gerecht, kritisierte Jensen. So finde sie es „vollkommen unseriös“, dass die CDU/CSU-Fraktion Haushaltsdisziplin fordere, gleichzeitig aber ständig Anträge vorlege, die keine Vorschläge für die Finanzierung beinhalteten.
Hier seht ihr die Debatte im Video: