Emilia Fester (Bündnis 90/Die Grünen) „Das Wahlalter sollte unbedingt gesenkt werden“
Thomas Zhou
Demokratie bedeutet, sich einzumischen. Doch wie macht man das genau und warum ist die Initiative von einzelnen so wichtig? Emilia Fester ist 2021 als jüngste Abgeordnete in den Deutschen Bundestag eingezogen und berichtet im Interview mit mitmischen-Autor Thomas, was es braucht, damit das Parlament, aber auch die politische Landschaft in der restlichen Bundesrepublik mehr Jugendbeteiligung ermöglicht.
Politisch interessiert war ich eigentlich schon immer, aber wirklich aktiv geworden bin ich, weil ich das Gefühl hatte, dass man das Feld nicht den ewig Gestrigen überlassen kann. Ich hatte und habe immer noch Zukunftsängste, aber gleichzeitig das Gefühl, dass es viel zu gewinnen gibt. Deshalb wollte ich unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen, statt zu fragen: „Wohin führt das alles?“ Ich bin dann zur Grünen Jugend gegangen und habe die Strukturen der Partei kennengelernt. Irgendwann stand ich vor der Frage, ob ich ins deutsche Parlament möchte – eine riesige Chance, die mir meine Partei gegeben hat. Das ist ein großes Privileg, gerade als so junge Person. Es ist nicht immer einfach, aber definitiv etwas Besonderes.
Das mit der Politisierung ist ganz interessant. Ich war mit elf das erste Mal auf einer Demo. Deswegen würde ich sagen, dass ich auf die eine oder andere Art schon immer politisch aktiv war. Auf ein Engagement in einer Partei bin ich erst später gekommen. Den Grünen bin ich dann kurz vor meinem 18. Geburtstag beigetreten.
Emilia Fester (Bündnis 90/Die Grünen) sitzt seit 2021 im Deutschen Bundestag. Sie ist unter anderem Obfrau im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement und Mitglied der Kinderkommission, der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder.
In einer Demokratie ist das eigentlich klipp und klar: Es ist ein Unding, dass junge Menschen nicht gehört werden. Alle Macht in dieser Republik soll vom Volke ausgehen. Und da auch junge Menschen zu ebendiesem Volk gehören, würde ihr Ausschluss von der Entscheidungsfindung diesem Anspruch nicht gerecht werden. Dass aber eben doch ein Ausschluss stattfindet, merkt man ganz stark, wenn man sich unsere Städte anschaut: Oft gibt es keine Orte, an denen junge Menschen sein können und erwünscht sind. Ein paar Spielplätze kennt jeder, aber wo ist denn das Äquivalent für Teenager? Das gibt es vielerorts einfach nicht. Und das ist nur ein Beispiel dafür, dass die Politik die Perspektiven von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene, im Land, aber auch im Bund zu selten hört und in ihre Entscheidungen einbezieht. Es gibt verschiedene Ansätze, wie man das ändern kann – zum Beispiel durch Beiräte oder Jugendparlamente. Wir sollten dabei aber nicht nur einzelne ausgewählte Gremien befragen, sondern jede Form von Politik sollte die Perspektive von Kindern und Jugendlichen beinhalten. Das sollte nicht nur dann passieren, wenn es um die Jugendhilfe oder Bildung geht, sondern zum Beispiel auch, wenn es die Migrationspolitik betrifft. Unfassbar viele Geflüchtete sind eben auch junge Menschen und haben eigene Bedürfnisse. Wir müssen einsehen, dass alles, was wir machen, jugendpolitisch betrachtet werden kann und muss.
Als ich Vorsitzende der Kinderkommission war, habe ich zu allen möglichen Themen nur junge Menschen als Sachverständige eingeladen. Und überhaupt nicht überraschend war: Junge Menschen sind tolle Expertinnen und Experten. Ich finde, dass sich viele meiner Kolleginnen und Kollegen nochmal hinter die Ohren schreiben können, dass man zum Beispiel zu den Gesetzen, die wir hier verabschieden, auch die Meinung junger Menschen und jüngerer Sachverständiger einholen kann. Eine andere Möglichkeit wären Jugendbeiräte entlang der Ministerien. Das BMFSFJ und das Entwicklungsministerium haben solche Jugendbeiräte. Die sollte es überall geben. Außerdem halte ich Projekte wie Bürgerräte für zweckdienlich, um gesellschaftliche Dilemmata zu beraten. Hier sollten auch junge Menschen involviert werden oder ein Bürgerrat nur mit jungen Menschen veranstaltet werden. Ganz viel muss aber eben auch vor Ort beginnen. Deswegen finde ich es sehr wichtig, kommunal damit zu beginnen. Man sollte mit jungen Menschen beraten, sie mitmachen und Projektentscheidungen treffen lassen. Auch das Wahlalter sollte unbedingt gesenkt werden. Denn an Wahlen teilnehmen zu können, ist schließlich die demokratischste Form, an der wir letztendlich alle beteiligen wollen.
Ich habe mal eine kleine Abfrage in meiner Fraktion gemacht, wie viele von den Abgeordneten mit ihren Fachbereichen schon mal ein Gespräch mit Kindern und Jugendlichen geführt haben. Da sind tatsächlich bei Dreiviertel die Hände hochgegangen. Als ich dann gefragt habe, wer das mehr als einmal gemacht hat, sind leider schon recht viele Hände runtergegangen. Wir als Grüne sind ja für unsere selbstkritische Art bekannt und ich finde, in Sachen Jugendbeteiligung können wir einfach noch besser werden. Und dann gibt es noch Schülergruppen, die wir hier als Bundestagsabgeordnete durchs Haus führen, um dafür zu sorgen, dass sie einen Einblick in unsere Arbeit bekommen. Die Gespräche mit der jungen Generation sind dabei auch für uns immer sehr wichtig und inspirierend. Gerade diese Generation hat sich in den letzten vier Jahren ja auch stark verändert. Es ist total wichtig, den Zeitgeist zu spüren und von ihnen was für unsere Arbeit mitzubekommen.
Zum Beispiel durch Interviews wie dieses hier. Es geht darum, mit jungen Menschen in den Austausch zu kommen. Es geht darum, sie für Politik zu interessieren und ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie sich beteiligen können. Ich glaube, dass man das zum Beispiel durch eine Plattform erreichen kann, in der Informationen für Kinder und Jugendliche zur Verfügung gestellt werden. Man darf sich nicht wegducken, sondern muss in den Austausch gehen. Das sehe ich auch bei Social-Media so: Wir dürfen TikTok nicht den Rechten überlassen. Die politischen Auseinandersetzungen, die auf dem demokratischen Boden stattfinden, sind doch viel interessanter als die Hetze, die man auf TikTok sieht. Wir kämpfen gerade auch darum, dass wir das Grundgesetz für Vorhaben wie die Absenkung des Wahlalters geändert bekommen. In einem ersten Schritt wollen wir das von 18 auf 16 Jahre absenken. Da haben wir die CDU/CSU-Fraktion leider noch nicht überzeugt, aber genau das ist eben die Arbeit, die hier im parlamentarischen Raum für Kinder und Jugendliche stattfindet. Auch die Kinderrechte ins Grundgesetz zu bringen, ist für uns wichtig.
Ich würde mich total freuen, wenn alle jungen Menschen, die sich für Politik interessieren, aus ihrem Interesse auch eine Aktion ableiten. Ich kann nur empfehlen, aktiv zu werden und sich für die Dinge, die einem wichtig sind, zu engagieren. Das kann in einer Jugendpartei sein, es gibt aber sonst auch ganz viele andere Möglichkeiten. Zum Naturschutzbund gibt es zum Beispiel auch eine Jugend. Da muss man nicht mit den Erwachsenen abhängen, sondern man kann sich auch einfach in unterschiedlichen Jugendgruppen engagieren. Hauptsache, man tut etwas. Meiner Erfahrung nach ist es das Sinnvollste, sich zusammen zu tun und für das Gute zu streiten, auf welcher Ebene auch immer. Deswegen kann ich nur empfehlen: Geht demonstrieren, geht in die Jugendverbände, werdet aktiv und dadurch auch ein wichtiger Teil unserer Gemeinschaft.
Thomas Zhou
…ist 20 Jahre alt, lebt in Freiburg im Breisgau und studiert dort Jura. Neben Jugendbeteiligung engagiert er sich schwerpunktmäßig für internationale Themen. So bringt er als EU-Jugendvertreter die Perspektiven und Bedarfe junger Menschen aus Deutschland auf den Jugendkonferenzen der EU ein.