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3 Fragen an 6 Fraktionen Wirecard-Ausschuss: Was hat's gebracht?

In der letzten Sitzungswoche diskutierten die Abgeordneten die Schlussberichte der drei Untersuchungsausschüsse im Bundestag. Heute hier: 3. Untersuchungsausschuss „Wirecard“ – Worum ging's und was sind die wichtigsten Erkenntnisse? Antworten geben die Obleute aller sechs Fraktionen des Ausschusses.

CDU/CSU
Hauer bei der Bundespressekonferenz

Matthias Hauer ist Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Untersuchungsausschuss „Wirecard“, außerdem Mitglied im Finanzausschuss und im Ausschuss Digitale Agenda. © Florian Gaertner/photothek.de

Matthias Hauer (CDU/CSU)

Worum ging es im 3. Untersuchungsausschuss „Wirecard“?

Der Untersuchungsausschuss Wirecard hat die Frage beleuchtet, welche Kontrollmechanismen versagt haben, sodass Wirecard über Jahre hinweg unentdeckt seine Bilanzen – also die Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden – fälschen und ein Geschäft vortäuschen konnte, das es nie gab. Nach 52 Sitzungen und 110 Befragungen in knapp neun Monaten hat der Ausschuss im Juni einen 2.026 Seiten langen Abschlussbericht vorgelegt und darin ein Versagen von Behörden und Wirtschaftsprüfern festgestellt.

Was sind aus Ihrer Sicht die zwei wichtigsten Erkenntnisse und was folgt jetzt konkret aus dem Untersuchungsausschuss?

Im Zentrum des Aufsichtsversagens steht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin. Sie untersteht dem Finanzministerium und hat es versäumt, Hinweisen auf Betrug bei Wirecard konsequent nachzugehen. Auch die Abschlussprüfer haben Fehler gemacht und lange nicht erkannt, dass bei Wirecard Milliarden Euro fehlten. Der Bundestag hat bereits die Lehren aus dem Skandal gezogen. Unter anderem haben wir die BaFin neu aufgestellt und die Haftung der Abschlussprüfer verschärft.

Worüber gab es den größten Streit zwischen den Fraktionen und warum?

Anders als viele Untersuchungsausschüsse in der Vergangenheit war der Wirecard-Untersuchungsausschuss von einer größtenteils fraktionsübergreifend guten Zusammenarbeit geprägt. So wurden etwa Zeugen weitestgehend einvernehmlich beschlossen und geladen. Für Ärger sorgte vor allem das Finanzministerium, das Aufklärung wiederholt erschwert hat und eigene Fehler nicht einräumen wollte. Dort liegt die politische Verantwortung für den Skandal.

SPD
Porträtfoto Jens Zimmermann

Jens Zimmermann ist Obmann der SPD-Fraktion im Untersuchungsausschuss „Wirecard“, außerdem Mitglied im Finanzausschuss und im Ausschuss Digitale Agenda. © DBT/Stella von Saldern

Jens Zimmermann (SPD)

Worum ging es im 3. Untersuchungsausschuss „Wirecard“?

Wirecard ist ein deutsches Unternehmen, das 2020 pleitegegangen ist. Im Bilanzbericht, in dem Unternehmen unter anderem ihre Gewinne veröffentlichen, wurden Zahlen gefälscht. So wirkte es, als wäre Wirecard sehr erfolgreich. Viele Menschen haben deshalb in Wirecard-Aktien investiert und Geld verloren. Im Ausschuss haben wir uns angeschaut, welche Behörden diesen Betrug hätten erkennen müssen. Wir haben rund 400 Stunden getagt und über 100 Zeuginnen und Zeugen verhört. Ende Juni haben wir einen Abschlussbericht mit über 2.000 Seiten vorgelegt.

Was sind aus Ihrer Sicht die zwei wichtigsten Erkenntnisse und was folgt jetzt konkret aus dem Untersuchungsausschuss?

Die Wirtschaftsprüfer haben ihren Job nicht gut gemacht. Sie hätten den Betrug erkennen können, wenn sie genauer hingeschaut hätten. CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat bis heute leider keine Vorschläge gemacht, wie dies geändert werden kann. Anders sieht es im Finanzministerium aus: Hier hätte die BaFin, die Bundesfinanzaufsicht, strenger mit Wirecard sein müssen. Damit dies in Zukunft besser funktioniert, hat unser Finanzminister einen Gesetzeskatalog zusammengestellt und die BaFin neu aufgestellt.

Worüber gab es den größten Streit zwischen den Fraktionen und warum?

Den größten Streit gab es über die Wirtschaftsprüfer. Alle waren sich einig, dass sie keine gute Arbeit gemacht haben. Auch die Aufsichtsstelle (die APAS) und das Wirtschaftsministerium haben nicht gut genug hingeschaut. Wir wollten deshalb strengere Gesetze. Leider wollten die CDU und die CSU dies nicht. Im Untersuchungsausschuss haben alle demokratischen Parteien gut zusammengearbeitet. Wir konnten den Betrugsskandal von allen Seiten beleuchten und viele Zeuginnen und Zeugen anhören. Es ist gut, dass der Ausschuss eingesetzt wurde.

AfD
Porträtfoto des Abgeordneten

Kay Gottschalk von der AfD-Fraktion ist Vorsitzender und Obmann des Untersuchungsausschusses „Wirecard“, außerdem Mitglied im Finanzausschuss. © Kay Gottschalk/PicturePeople

Kay Gottschalk (AfD)

Worum ging es im 3. Untersuchungsausschuss „Wirecard“?

Die Vorgänge um Wirecard sind der größte Wirtschaftsskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte. Wie es dazu kommen konnte, dass in einem Dax-Unternehmen 1,9 Milliarden Euro verschwunden sind, hat viele Fragen aufgeworfen. Normalerweise sollen Wirtschaftsprüfer und Finanzaufsichtsbehörden rechtzeitig Alarm schlagen, wenn in einem Unternehmen Unregelmäßigkeiten passieren. Hier haben aber alle geschwiegen bis hin zur Regierung. Die gewonnen Erkenntnisse wurden in einem Bericht auf 2.026 Seiten festgehalten.

Was sind aus Ihrer Sicht die zwei wichtigsten Erkenntnisse und was folgt jetzt konkret aus dem Untersuchungsausschuss?

Die erste Erkenntnis ist, dass Wirtschaftsprüfer für Schäden, die sie anrichten, höher haften und in kürzeren Abständen in den Unternehmen ausgewechselt werden müssen. Die zweite ist, dass die BaFin reformiert werden muss, um ihren Aufsichtspflichten gerecht werden zu können. Diese Schwachstellen sollen durch eine Reform der BaFin und ein neues Gesetz (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz FISG) behoben werden, wobei die AfD dieses Gesetz noch gerne verschärfen würde.

Worüber gab es den größten Streit zwischen den Fraktionen und warum?

Es ging um die Länge des Untersuchungsausschusses, die Regierungsparteien waren für eine rasche Beendigung, da ja auch gerade einigen Ministern und Kanzlerin Merkel Fehler vorgeworfen werden. Die anderen Oppositionsparteien sprachen sich zunächst für eine längere Dauer aus. Im Hinblick auf den Wahlkampf und zukünftige Koalitionen war am Ende die AfD jedoch die einzige Partei, die den Untersuchungsausschuss bis in den September ziehen und damit die Zeit in dieser Legislatur komplett zur Aufklärung nutzen wollte.

FDP
Porträtfoto Florian Toncar

Florian Toncar ist Obmann der FDP-Fraktion im Untersuchungsausschuss „Wirecard“, außerdem Mitglied im Ältestenrat, im Finanzausschuss, im Gemeinsamen Ausschuss und im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. © DBT

Florian Toncar (FDP)

Worum ging es im 3. Untersuchungsausschuss „Wirecard“?

Wirecard war ein scheinbar erfolgreiches, aufstrebendes Unternehmen, das es sogar in den prestigeträchtigen Index DAX geschafft hat, wo die größten deutschen Firmen zu finden sind. Jedoch war dieser Aufstieg stets begleitet von hartnäckigen Betrugsvorwürfen – zu Recht, wie sich herausstellte. Denn die kriminelle Chefetage des Konzerns hat allen nur vorgespielt, man sei erfolgreich. Als vor einem Jahr aufflog, dass das Geschäft von Wirecard großteils nicht existierte, brach der Konzern zusammen und viele Menschen verloren eine Menge Geld – teilweise waren die gesamten Ersparnisse fort. Im Untersuchungsausschuss haben wir aufgeklärt, warum die Behörden so lange wegsahen und Wirecard sogar noch unterstützt haben, anstatt den Vorwürfen nachzugehen. Wir haben einen über 2.000 Seiten langen Bericht geschrieben, in dem wir rekonstruieren, warum alle Kontrolleure so lange nichts vom Betrug mitbekommen haben. Unsere Arbeit wird nun helfen, in Zukunft einen ähnlichen Fall zu verhindern.

Was sind aus Ihrer Sicht die zwei wichtigsten Erkenntnisse und was folgt jetzt konkret aus dem Untersuchungsausschuss?

Zum einen war unsere staatliche Kontrollbehörde, die BaFin, nicht in der Lage, schnell und gezielt einzugreifen, als sie es hätte tun müssen. Sie hat viel zu spät reagiert und dann auch nur langsam. Zum anderen haben die Wirtschaftsprüfer sehr schlecht gearbeitet und selbst die allerdeutlichsten Hinweise auf den Betrug übersehen oder nicht sehen wollen. Deswegen wurde nun die BaFin gestärkt und auch bei den Wirtschaftsprüfern gibt es einige Veränderungen. Der Fall Wirecard hat aber sicherlich überall alleine schon durch die große Aufmerksamkeit in den Medien die Menschen dafür sensibilisiert, dass sie leider immer auch damit rechnen müssen, dass Kriminelle sie betrügen könnten. Deswegen werden viele Leute in der Wirtschaft jetzt viel wachsamer sein – ein guter Nebeneffekt unserer Arbeit.

Worüber gab es den größten Streit zwischen den Fraktionen und warum?

Im Untersuchungsausschuss haben die verschiedenen Fraktionen insgesamt gut zusammengearbeitet und in vielem an einem Strang gezogen. Aber natürlich gibt es auch unterschiedliche Meinungen. Als Opposition finden wir, dass der Finanzminister die politische Verantwortung für das Desaster von Wirecard trägt, denn letztendlich stehen die Kontrolleure von der BaFin unter seiner Führung. Die Regierungsfraktionen, insbesondere die SPD-Fraktion, stimmten dem gar nicht zu, und meinten, der Minister habe gar nichts wissen können. Das halte ich für eine Ausrede.

Die Linke
Porträtfoto De Masi

Fabio De Masi ist Obmann der Fraktion Die Linke im Untersuchungsausschuss „Wirecard“, außerdem Mitglied im Finanzausschuss. © GUE/NGL

Fabio De Masi (Die Linke)

Worum ging es im 3. Untersuchungsausschuss „Wirecard“?

Wirecard war ein Unternehmen, das Einkäufe im Internet abwickelte. Das Unternehmen war an der Börse sehr wertvoll, hat aber seine Gewinne gefälscht und ist über Nacht pleitegegangen. Viele Politiker hatten für Wirecard geworben. Ein Manager, Jan Marsalek, ist mit Hilfe von Ex-Agenten aus Österreich untergetaucht. Viele Menschen haben Ersparnisse verloren, weil sie Geld in Wirecard investiert hatten. Wir haben untersucht, wie es dazu kommen konnte und warum die Behörden und die Regierung nicht eingegriffen haben, obwohl Journalisten und Finanzprofis vor Wirecard gewarnt hatten.

Was sind aus Ihrer Sicht die zwei wichtigsten Erkenntnisse und was folgt jetzt konkret aus dem Untersuchungsausschuss?

Die Bundesregierung wollte Wirecard helfen, neue Geschäfte in China zu machen, obwohl bereits viele Leute vor Wirecard warnten. Bei deutschen Behörden hat sich keiner für die Warnungen zuständig gefühlt und man wollte einem scheinbar erfolgreichen Unternehmen keine Steine in den Weg legen. Man hat sogar verboten, auf fallende Aktienkurse des Unternehmens zu wetten, weil Wirecard behauptete, von Journalisten erpresst zu werden. Niemand hat diese irre Geschichte überprüft. Mitarbeiter von Behörden haben sogar privat Aktien von Wirecard gekauft und gehofft, dass diese immer wertvoller werden, obwohl sie für die Aufsicht über das Unternehmen zuständig waren. Ein Untersuchungsausschuss ist kein Gericht. Aber viele unserer Erkenntnisse werden vor Gerichten eine Rolle spielen, etwa wenn es darum geht, ob Markus Braun, der Ex-Chef von Wirecard, betrogen hat.

Worüber gab es den größten Streit zwischen den Fraktionen und warum?

Den größten Streit gab es darüber, welche Verantwortung die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Finanzminister Olaf Scholz (SPD) haben, da sie sich für Wirecard in China eingesetzt haben.

Die Grünen
Porträtfoto Lisa Paus

Lisa Paus ist Obfrau der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Untersuchungsausschuss „Wirecard“, außerdem Mitglied im Finanzausschuss. Foto: Laurence Chaperon

Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen)

Worum ging es im 3. Untersuchungsausschuss „Wirecard“?

Im Untersuchungsausschuss ging es um den Wirecard-Skandal. Wirecard war ein Finanzdienstleister, über den man beispielsweise Rechnungen im Internet bezahlen konnte. Bis sich im Juni 2020 herausstellte, dass die Firma pleite war, weil in ihrer Bilanz 1,9 Milliarden Euro fehlten. Der Wirecard-Untersuchungsausschuss versuchte zu klären, wie so ein riesiger Betrug möglich war, ohne dass Finanzaufsicht, Wirtschaftsprüfer und Finanzminister davon etwas mitbekommen haben. Wo also die Fehler lagen und wer Verantwortung dafür trägt.

Was sind aus Ihrer Sicht die zwei wichtigsten Erkenntnisse und was folgt jetzt konkret aus dem Untersuchungsausschuss?

Die erste Erkenntnis war, dass in der Finanzaufsicht alle Beteiligten nicht miteinander redeten und die Verantwortung an den nächsten weiterschoben. Die zweite war, dass die privaten Wirtschaftsprüfer wenig prüften, weil sie Wirecard nicht als Kunden verlieren wollten. Als Folge des Untersuchungsausschusses gab es sieben Rücktritte. Eine weitere Folge wäre die Reform der Finanzaufsicht und strengere Gesetze für private Wirtschaftsprüfer. Dafür gibt es Vorschläge – doch umsetzen muss das die nächste Bundesregierung.

Worüber gab es den größten Streit zwischen den Fraktionen und warum?

Den größten Streit gab es um die politische Verantwortung. Die CDU/CSU sah die Verantwortung beim SPD-Finanzminister, die SPD bei den privaten Wirtschaftsprüfern. Wir Grüne sahen ein weiteres großes Problem bei den Lobbyisten, die Politik, Verwaltung und Justiz geblendet hatten. Diese Lobbyisten stammten größtenteils aus den Reihen der CDU/CSU. Deshalb fordern wir Grünen ein sogenanntes Lobbyregister, auch beispielsweise beim Bundeskanzleramt. Und weil sich die Fraktionen nicht einigen konnten, wer die politische Verantwortung trägt, wurde der Bericht auch stolze 2.026 Seiten dick.

(loh)

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