Wirecard-Skandal „Hat da jemand gepennt?“
Läuft irgendwo etwas so richtig schief, kann der Bundestag zur Klärung einen Untersuchungsausschuss (UA) einrichten. Jetzt gibt es einen neuen UA zum Fall Wirecard. Was dahinter steckt, hat Julia den Abgeordneten Fabio De Masi (Die Linke) gefragt.
Was genau ist der Wirecard-Skandal?
Wirecard ist ein führendes DAX-Unternehmen [DAX ist der bedeutendste deutsche Aktienindex, Anm. d. Redaktion], das Zahlungen im Internet abgewickelt hat. Es kommt ursprünglich aus sehr schmutzigen Branchen, also der Bezahlung von Online-Wetten und Pornografie. Es ist dann aber ein großes Unternehmen für digitale Finanzgeschäfte geworden. Und jetzt stellt man fest: Das ganze Geld, das da angeblich verdient wurde, ist gar nicht da. Das Unternehmen ist pleite und hat viel schmutziges Geld gewaschen.
Was soll der Untersuchungsausschuss im Bundestag klären?
Viele Menschen haben in Wirecard-Aktien investiert. Sie haben Geld verloren, teilweise die gesamten Lebensersparnisse. Wir brauchen jetzt einen Untersuchungsausschuss, um zu klären, warum die Finanzaufsicht hier versagt hat.
Diese ist dafür zuständig, dafür zu sorgen, dass die Bilanzen von Unternehmen stimmen. Wir müssen herausfinden, ob bei der Finanzaufsicht jemand gepennt hat oder ob jemand vielleicht absichtlich beide Augen zugedrückt hat.
Die Bundeskanzlerin hat für Wirecard in China Lobbyarbeit gemacht, weil Karl-Theodor zu Guttenberg, der früher Wirtschafts- und später Verteidigungsminister war, sie darum gebeten hat. Wir wollen außerdem wissen, ob es Verbindungen zu Geheimdiensten gibt, da der Ex-Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung für Wirecard aktiv war.
Wie arbeitet der Untersuchungsausschuss?
Ein Untersuchungsausschuss kann Zeugen vorladen. Wenn sie nicht erscheinen, kann er auch gegen sie vorgehen. Es ist verboten, vor einem Untersuchungsausschuss zu lügen. Man kann sogar Leute ins Kreuzverhör nehmen, wenn sie sich widersprechen. Wir hoffen, so neue Erkenntnisse zu gewinnen. Es gibt auch Akten, die uns die Bundesregierung bisher nicht zur Verfügung gestellt hat, weil sie Informationen der Geheimdienste oder Schriftwechsel mit China nicht offenlegen wollten. Wir hoffen, dass wir im Untersuchungsausschuss Zugang zu solchen Informationen bekommen.
Was passiert dann mit den Erkenntnissen, die der Untersuchungsausschuss gewonnen hat?
Die werden veröffentlicht. Das kann dann jeder nachlesen, zum Beispiel Journalisten, die ja auch nicht immer zu allen Dokumenten Zugang haben. Wir haben dann eine öffentliche Debatte und verstehen besser, was da abgelaufen ist, wie die Geheimdienste und andere Akteure sich verhalten haben. Daraus ergibt sich dann natürlich die Frage, ob auch politische Verantwortung übernommen werden muss, etwa von Ministern.
Was erhoffen Sie sich?
Ich erhoffe mir, dass wir mehr Licht ins Dunkel bekommen. Dass wir die Rolle der Geheimdienste und der Finanzaufsicht aufklären können. Dass wir wissen, warum die Bundesregierungen Warnungen ignoriert hat, ob sie vielleicht das Unternehmen bewusst geschützt hat, aus dem Wunsch heraus, ein großes digitales Finanzunternehmen in Deutschland zu erhalten.
Letztlich erhoffe ich mir, dass wir eine Finanzaufsicht bekommen, die die ganzen Facebooks und Apples, die jetzt alle anfangen, ins Finanzgeschäft einzusteigen, zukünftig ordentlich beaufsichtigt werden. Denn die sind viel größer und viel gefährlicher als zum Beispiel die Deutsche Bank. Facebook hat etwa ein Drittel der Menschheit als Kunden. Und wenn wir die nicht ordentlich beaufsichtigen, dann können wir den Laden in Deutschland dicht machen.
Hier findet ihr mehr Informationen zum neuen Untersuchungsausschuss.
Über Fabio De Masi
Fabio De Masi, 40, ist stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Die Linke und finanzpolitischer Sprecher. Er leitet außerdem den Arbeitskreis Wirtschaft und Finanzen seiner Fraktion und ist Obmann im Finanzausschuss. Mehr erfahrt auf seinem Profil auf bundestag.de.
(jk)