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Sexualität Wer zahlt fürs Verhüten?

Die Linke will kostenlose Verhütungsmittel für alle, die Grünen wenigstens für Menschen mit weniger Geld. Die Experten im Gesundheitsausschuss finden den Ansatz überwiegend gut, nur eine Frage bleibt: Wer soll dann bezahlen?

Kondome auf Wäscheleine

Kostenlose Verhütungsmittel, wie es sie in einigen Komunen schon gibt, wollen Grüne und Linke nun im ganzen Land. © picture alliance/imageBROKER

Vehüten kostet

Wer den Spaß hat, soll auch die Kosten tragen? Beim Sex gilt das für die große Masse der deutschen Bevölkerung: Verhütung gibt's nicht für lau. Mit einer Ausnahme für junge Frauen: Die Pille und andere ärztlich verschriebene Verhütungsmittel bekommen sie bis zum Alter von 21 Jahren kostenlos. Kondome in der Regel nicht. Zwei Fraktionen finden das nicht optimal. Die Grünen fordern deshalb per Antrag auch für Ältere einen kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln, wenn sie nur ein geringes Einkommen haben. Die Linken gehen noch weiter. Sie wollen, dass die Krankenkassen allen die Verhütung bezahlen – auch per Kondom. Den Antrag verhandelte – wie auch den der Grünen – am 7. November der Gesundheitsausschuss.

Die Anträge im Detail

Die Linksfraktion fordert, für verschreibungspflichtige Verhütungsmittel und operative Eingriffe wie die Sterilisation ohne Einschränkung die Krankenkassen heranzuziehen. Auch nicht verschreibungspflichtige Verhütungsmittel wie Kondome sollten die bezahlen. Dazu soll den Versicherten ein monatliches Budget bereitgestellt werden, das diese für eine Verhütungsmethode ihrer Wahl verwenden können.

Die Grünen-Fraktion spricht sich dafür aus, alle Empfänger von sozialen Leistungen, auch über 20, bei den Verhütungskosten vollständig zu entlasten. Das würde nicht nur Menschen betreffen, die Hartz IV beziehen, sondern zum Beispiel auch solche, die Bafög, Wohngeld oder Berufsausbildungsbeihilfe bekommen.

Rechtsanspruch und Beratung

Das Ganze ist nicht völlig neu, in einigen Kommunen existieren entsprechende Beihilfen schon jetzt und in allen Fraktionen gibt es Stimmen, die sich für eine entsprechende bundeseinheitliche Lösung aussprechen. In der Stellungnahme für den Gesundheitsausschuss tat das auch der Bundesverband pro familia. Begründung: Eine Hormonspirale, die drei bis fünf Jahre wirksam ist, koste bis zu 400 Euro. Wegen solcher Kosten würden Verhütungsmethoden falsch oder gar nicht genutzt. Sinnvoll wären ein bundesweit einheitlicher Rechtsanspruch sowie eine umfassende Verhütungsberatung.

"Selbstbestimmte Sexualität"

Die Berliner Frauenärztin Dr. Katrin Wolf erklärte in ihrer Stellungnahme, die sichere Verhütung, unabhängig von finanziellen Möglichkeiten, sei Grundlage für eine "selbstbestimmte Sexualität" und den Erhalt der Gesundheit. Eine bundesweit einheitliche Regelung würde die Anwendung von Verhütungsmitteln für benachteiligte Menschen ermöglichen und ungewollte Schwangerschaften verhindern. Im Sinne der "selbstbestimmten Sexualität" sollten auch kostenlos Kondome an Männer ausgegeben werden.

Interesse so groß wie nie

Auch die Sexualwissenschaftlerin Prof. Dr. Ulrike Busch begrüßte die Initiativen der Linken und der Grünen und erklärte, das Interesse an effektiver Verhütung sei so groß wie nie. Daher sollten auch Verhütungsmittel, für die es kein ärztliches Rezept braucht, kostenlos sein. In Belgien, Frankreich und Großbritannien gebe es bereits weitreichende Regelungen für eine kostenlose Verhütung. In Deutschland sollte eine Regelung für Menschen mit geringem Einkommen Vorrang haben.

Krankenkassen: Nicht zahlen

Der GKV-Spitzenverband, also der Verband der gesetzlichen Krankenkassen, findet das nur bedingt gut, denn die Krankenkassen hätten ja höhere Kosten. Er fordert, diese durch Zuschüsse aus Steuermitteln auszugleichen.

Rechtsexperten wandten in der Anhörung außerdem ein, die ganze Sache wäre rechtlich problematisch, weil es sich um eine "versicherungsuntypische Leistung" handele. Einfach ausgedrückt: Krankenkassen sind fürs Heilen und die Vorbeugung von Krankheiten zuständig – Schwangerschaft ist aber keine Krankheit. Eine Lösung wäre aber über die Sozialgesetze möglich. Ebenfalls einfach ausgedrückt: Wer arm ist, bekommt die Verhütungsbeihilfe direkt aus Steuergeldern, zum Beispiel zusammen mit dem Arbeitslosengeld II oder dem Bafög.

Wie die ganze Sache nun weitergeht und ob es in Zukunft kostenlose Kondome für alle gibt, müssen nun demnächst die Abgeordneten im Plenum entscheiden.

Die ausführlichen Statements der Experten könnt ihr euch hier nochmal im Video anschauen.

(DBT/ah)

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