Schwangerschaftsabbruch Streit um Abtreibungen
Die Jusos haben kürzlich einen Antrag auf Streichung des Paragrafen 218 beschlossen. Damit wären Abreibungen ohne Einschränkung erlaubt. Im Bundestag gehen die Meinungen dazu weit auseinander, die Rede ist von "Babymördern", "Mittelalter" und "Hetze gegen schwangere Frauen".
Der Paragraf 219...
Kaum ein anderes Thema wird derzeit so emotional und quer durch alle politischen Lager kontrovers diskutiert wie der Paragraf 219a des Strafgesetzbuches (StGB). Dabei geht es um die Frage, ob Ärzte über Abtreibungen informieren dürfen. Anders als die Überschrift des Paragrafen ("Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft") nahelegt, ist nicht nämlich nur die "Werbung für Schwangerschaftsabbrüche" verboten, sondern auch die schlichte Angabe etwa auf einer Website, dass diese durchgeführt würden (gegen Bezahlung).
... und der Paragraf 218
Kürzlich haben nun die Jusos, also der Nachwuchs der SPD, im Windschatten der Debatte ein paar Geschütze installiert, mit denen sie das Feuer auf einen weiteren Paragrafen eröffneten – auf Paragraf 218. Dabei geht es um das generelle Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen. Entsprechend groß war die Aufregung, die AfD forderte im Bundestag dazu eine aktuelle Stunde. Dabei ging es am 13. Dezember hoch her.
Wo ist das Problem?
Bevor wir zur Debatte kommen, hier die Hintergründe: Das Gesetz, also der Paragraf 218 des StGB, verbietet in Deutschland Abtreibungen. Unter bestimmten Umständen bleiben sie jedoch straffrei, nämlich dann, wenn der Abbruch vor dem Ende des dritten Schwangerschaftsmonats geschieht und wenn sich die betreffende Frau vorher einer Pflichtberatung unterzogen hat. Diese Regelung ist ein Kompromiss zwischen Menschen, die in dieser ethisch heiklen Frage den Schutz des ungeborenen Lebens in den Vordergrund stellen und Menschen, die das Selbstbestimmungsrecht der Frau in den Vordergrund stellen.
Der Paragraf selbst ist seit Jahrzehnten umstritten, denn de facto begeht jede Frau, die abtreiben lässt, eine Straftat, auch wenn sie unter Umständen dafür nicht bestraft werden kann. Daher forderten die Jusos auf ihrem Bundeskongress die Streichung des Paragrafen 218.
AfD spricht von "Babymörderpartei"
Zu Beginn der aktuellen Stunde warf die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch den Jusos vor, "sie wollten das Töten von Babys erlauben" und den Schwangerschaftsabbruch bis zum neunten Monat ermöglichen. Deren Beschluss sei ein Anschlag auf das Leben und die Verfassung.
Sie appellierte an die SPD, sich davon zu distanzieren. "Wenn Sie jetzt nicht gegen diejenigen vorgehen, die die Babytötung legalisieren wollen, dann ist die Botschaft der SPD klar", sagte von Storch. Und weiter: "Ich will Ihnen gerne glauben, dass auch die übergroße Mehrheit der SPD keine Babymörderpartei sein will." Doch dann müsse sie dies auch zeigen.
SPD: Keine Debatte auf diesem Niveau
Der SPD-Abgeordnete Prof. Dr. Karl Lauterbach konterte in Richtung AfD: "Die von Ihnen bekannte allgemeine Hetze gegen Flüchtlinge wird jetzt ausgedehnt auf eine Hetze gegen schwangere Frauen." Die aktuelle Stunde sei "ein Tiefpunkt der Debattenkultur". Er sei nicht völlig einer Meinung mit den Jusos, es sei aber wichtig, die betroffenen Frauen nicht zu kriminalisieren.
Lauterbach bedauerte, dass auf dem von der AfD vorgegebenen Niveau "eine ethische Debatte" nicht möglich sei. Frauen an den Pranger zu stellen, sei anrüchig, und den Schwangerschaftsabbruch mit Mord und Totschlag gleichzusetzen, sei schäbig.
Kurzer Exkurs: Tatsächlich würde eine ersatzlose Streichung des Paragrafen 218 auch eine Abtreibung in der Spätphase der Schwangerschaft erlauben. Juso-Chef Kevin Kühnert hatte jedoch nach dem Bundeskongress erklärt: "Nichts dergleichen wollen wir, nichts dergleichen haben wir beschlossen." Er hatte zugegeben, dass es nicht besonders schlau gewesen sei, keinen konkreten Vorschlag zu einer neuen Fristenregelung zu unterbreiten.
Linke: Frauen keine vernunftbegabten Wesen?
Cornelia Möhring (Die Linke) verteidigte den Juso-Beschluss. Die Forderung nach Streichung der Paragrafen 218 und 219 sei "völlig richtig", und kaum eine Frau und kaum ein Arzt würde die von der AfD befürchteten Spätabtreibungen vornehmen. Die AfD demonstriere mit der Debatte ihr rückständiges Frauenbild. Für die AfD und große Teile der Union seien Frauen offenbar keine vernunftbegabten Wesen.
Grüne: Willkommen im Mittelalter
Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, die Debatte sei ein Paradebeispiel für die Politik der AfD, nämlich Skandale herbeizureden, wo es keine gebe. Die Jusos hätten ein gesellschaftlich wichtiges Thema angesprochen, und das sei völlig richtig. Zum Skandal werde es erst durch die falschen Behauptungen der AfD, und das sei unverantwortlich. Die Partei sei mit ihren "Wahnvorstellungen im Mittelalter stehengeblieben".
Auch FDP spricht von Mittelalter
Katrin Helling-Plahr (FDP) meinte hingegen, die Position der Jusos sei angesichts der Schutzpflicht des Staates für das ungeborene Leben verfassungswidrig. Aber Frauen machten sich die Entscheidung gegen das ungeborene Leben nicht leicht, eine von der AfD gewollte "gesellschaftliche Rolle rückwärts zurück ins Mittelalter" sei deshalb fehl am Platze.
Union verteidigt Status quo
Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) bezeichnete den Juso-Beschluss als "schwer erträglich": Sie meinte, mit ihrem Beschluss bestritten die Jusos das Lebensrecht des Kindes bis zur Geburt. Die Abgeordnete verteidigte den Abtreibungskompromiss mit der Entscheidungsfrist von zwölf Wochen und der Pflichtberatung, die gegen die Abtreibung gerichtet sei. Sie hoffe, dass der Kompromiss der Koalition zum aktuell diskutierten 219a zu einer "Versachlichung der Debatte" führe.
Wie geht's weiter?
Damit kommen wir nun weg von der emotionalen Debatte um den Paragrafen 218 und hin zu den Tatschen in Bezug auf den Paragrafen 219a: Union und SPD haben sich mittlerweile auf einen Kompromiss geeinigt: Offizielle Stellen sollen künftig Informationen über medizinische Einrichtungen zur Verfügung stellen, die Abtreibungen vornehmen. Der umstrittene Paragraf 219a soll demnach nicht abgeschafft, aber ergänzt werden, damit dieser Informationsauftrag gesetzlich verankert wird.
Um Ärzten mehr Rechtssicherheit zu geben, soll auch geregelt werden, dass sie sowie Krankenhäuser über die Tatsache informieren können, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. All dies soll nun in einen Gesetzentwurf gegossen werden, über den der Bundestag beraten und abstimmen muss.
(DBT/ah)