Innere Sicherheit Härtere Strafen nötig?
Die AfD will Kriminelle härter bestrafen und hat dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt. Die Abgeordneten der anderen Fraktionen widersprechen. Die Union sieht in den Vorschlägen "den Marsch in den Unrechtsstaat".
Die AfD hat einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Inneren Sicherheit vorgelegt. Dafür bekam sie am 19. Oktober bei der ersten Lesung im Bundestag viel Gegenwind durch alle anderen Fraktionen.
Die Pläne im Detail
Das Rechtswesen ist eine komplizierte Sache, deswegen ist es gar nicht so einfach, auf den ersten Blick zu verstehen, was die AfD plant – hier ein Überblick möglichst verständlich:
Die Revision soll abgeschafft werden. Was ist das? Wenn jemand glaubt, dass er zu Unrecht verurteilt wurde oder die Strafe zu hoch ausgefallen ist, kann er in Revision gehen. Die Gerichte müssen den Fall dann noch einmal neu verhandeln. Geht es nach der AfD, besteht diese Möglichkeit in Zukunft nur noch, wenn der zuständige Richter die Revision zulässt, das bleibt ihm überlassen.
Eine Untersuchungshaft soll dem Entwurf zufolge auch über sechs Monate ausgedehnt werden können, wenn Wiederholungsgefahr besteht. Aktuell dauert sie maximal sechs Monate.
Statt Bewährungsstrafen (Täter muss erst ins Gefängnis, wenn er weitere Straftaten begeht) soll es in Zukunft in mehr Fällen gleich Haftstrafen geben.
Wenn der Täter kein deutscher Staatsbürger ist, soll er in Zukunft leichter abgeschoben werden.
Einführung einer "Präventivhaft" ohne zeitliche Begrenzung. Das bedeutet: Wenn ein Richter glaubt, dass jemand gefährlich ist, kann er ihn auf unbestimmte Zeit in den Knast schicken – ohne dass er überhaupt eine Straftat begangen hat. Die Präventivhaft will die AfD ins Asylgesetz schreiben – sie gilt dann also nur für Ausländer. Unter bestimmten Umständen können Ausländer nach einer gewissen Zeit deutsche Staatsbürger werden. Ihre Kinder sind es, ebenfalls unter bestimmten Umständen, von Geburt an. Beides will die AfD abschaffen – das ist ebenfalls Bestandteil des Gesetzentwurfs.
Jugendliche Straftäter, die bislang deutlich milder bestraft werden als Erwachsene, sollen künftig härter bestraft werden.
Der Bundesinnenminister soll eine "Liste der kriminell besonders auffälligen Familien" führen.
AfD: Junge härter bestrafen
Was genau will die AfD damit erreichen? Laut ihrem Abgeordneten Roman Reusch soll mit den Neuerungen alles schneller gehen: Es seien Maßnahmen, "die sofort wirken und den Verfahrensstau an den Gerichten" abbauen.
Reusch forderte zudem, bei Heranwachsenden ausnahmslos das Recht für Erwachsene anzuwenden. Zur Revision meinte er, es sei eine "irrsinnige Zumutung für alle Beteiligten", monate- und jahrelange Verfahren nochmals von vorne verhandeln zu müssen.
Union: Gang in den Unrechtsstaat
Axel Müller (CDU/CSU) kritisierte den Antrag. Die AfD behaupte, es glänge dem Staat nicht, die innere Sicherheit zu gewährleisten. "Das ist nicht richtig", so Müller. "Im Jahr 2017 haben wir einen Rückgang der Straftaten um 25 Prozent verzeichnet", sagte er "das ist der stärkste Rückgang bei den Straftaten seit 25 Jahren."
Die von der AfD geforderte Abschaffung der Revision bedeute den "Gang in den Unrechtsstaat". Das würde bedeuten, dass ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter (der vielleicht ja auch unschuldig ist) kaum noch eine Möglichkeit hat, das Urteil anzufechten.
Auch mache die AfD bei ihrem "Rundumschlag" nicht vor dem Jugendstrafrecht halt. Der Fraktion gehe es nicht mehr um Erziehung, sondern nur noch um "reine Abschreckung". Zur Erklärung: Das Jugendstrafrecht ist anders als das Strafrecht für Erwachsene, man könnte auch sagen "milder". Es hat Elemente, die der Erziehung dienen, etwa Weisungen, Verwarnungen, Erteilung von Auflagen, z. B. Schadensersatz, Entziehung der Fahrerlaubnis usw.
FDP: Sonderstrafen nicht ok
Der FDP-Abgeordnete Dr. Jürgen Martens hielt der AfD vor, ein "Sonderstrafrecht für Ausländer" anzustreben. Die AfD sehe zusätzlich zur eigentlichen Bestrafung die "Ausbürgerung von Menschen vor, selbst wenn diese staatenlos werden". Dies widerspreche mindestens fünf völkerrechtlich verbindlichen Abkommen. Die "Liste der kriminell besonders auffälligen Familien" sei eine "Wiederaufstehung der Sippenhaft", so Martens und die "gab es zuletzt im Dritten Reich."
SPD: Sippenhaft indiskutabel
Auch Helge Lindh (SPD) findet Sippenhaft indiskutabel. Wer ihren Gesetzentwurf lese, wisse, "wohin die Reise mit der AfD geht und in welchen Unrechtsstaat wir uns bewegen", betonte Lindh unter Verweis auf die in der Vorlage geforderte Präventivhaft und Abschaffung der Revision. In Sachen Einbürgerung würden "all die mühsam erkämpften Rechte" für Menschen mit Migrationshintergrund "wieder verschwinden".
Linke: Verstoß gegen Menschenrechte
Gökay Akbulut (Die Linke) findet in dem Gesetzentwurf ebenfalls "einige Parallelen zum Dritten Reich". Die darin enthaltenen Forderungen verstoßen "gegen das Grundgesetz, die Rechtsstaatlichkeit, gegen die Europäische Menschenrechtskonvention sowie gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen", sagt er. Mit dem Entwurf sollten Grund- und Menschenrechte von Flüchtlingen und Migranten "komplett ausgehebelt werden".
Grüne: Nicht verfassungskonform
Auch die Grünen-Parlamentarierin Canan Bayram sah in dem Gesetzentwurf eine Gefährdung des Rechtsstaates und stimmte den Argumenten ihrer Vorredner zu. Beim Thema Migration sei es der AfD nicht gelungen, "verfassungskonforme Regelungen auf den Weg zu bringen", sagte Bayram. Heißt: Aus ihrer Sicht ist die Ganze Sache nicht in Einklang mit dem Grundgesetz.
Das Video zur Debatte könnt ihr euch hier in der Mediathek anschauen.
(DBT/ah)