Zum Inhalt springen

Abgeordneter „Geld-Themen finde ich spannend“

Gloria Timm

Politik wird auch mit Geld gemacht. Gloria hat mit dem Grünen-Haushaltsexperten Sven-Christian Kindler über die Ausgaben für Klima und Gaming, teure Berater und verfallene Schulen gesprochen.

Portrait Sven-Christian Kindler

„Bei Geld geht es um zentrale Fragen: um Gerechtigkeit, um ökonomische Machtstrukturen, um Verteilung des Reichtums“, sagt Sven-Christian Kindler. Foto: Sven Brauers

Viele Menschen finden Finanz-Themen eher langweilig. Sie dagegen haben BWL studiert und beschäftigen sich auch jetzt als Abgeordneter im Bundestag schwerpunktmäßig mit Geld-Themen. Was ist daran spannend?

Nach meinem BWL-Studium habe ich im Unternehmenscontrolling bei einem großen Industrieunternehmen gearbeitet. Heute kontrolliere ich den Bundeshaushalt: 360 Milliarden Euro, die unsere Gesellschaft mitgestalten. Geld ist zentral in vielen Bereichen der Gesellschaft, der Wirtschaft, des Staates, der Politik. Bei Geld geht es um zentrale Fragen: um Gerechtigkeit, um ökonomische Machtstrukturen, um Verteilung des Reichtums. Deshalb finde ich Geld-Themen und konkret den Bundeshaushalt so spannend.

Im Sommer hat die Regierung dem Bundestag ihren Vorschlag für den Bundeshaushalt 2020 vorlegt. Ihren Plan also, wofür sie nächstes Jahr Geld ausgeben will. Jetzt stimmen die Abgeordneten über den finalen Haushalt ab. Was ist in der Zwischenzeit passiert?

Wenn die Regierung ihren Vorschlag im Sommer vorlegt, wird dieser an das Parlament weitergeleitet. Abgeordnete des Bundestages, besonders die, die im Haushaltsausschuss sitzen, können anschließend bis November Änderungen vorschlagen und einarbeiten. In den letzten Wochen fanden stundenlange Sitzungen statt, um über mehrere tausend Änderungsanträge abzustimmen. In der abschließenden Sitzung haben wir morgens bis fünf Uhr im Haushaltsausschuss getagt.

Und was war die größte Änderung, die jetzt neu dazukam?

Im ersten Entwurf der Bundesregierung waren Klima-Investitionen nicht mit eingeplant. Das wurde nun geändert, wenn auch die Investitionen immer noch deutlich zu gering sind. Kleinere Änderungen waren zum Beispiel die von mir eingebrachte Verlängerung der Förderung für die Games-Entwicklung in Deutschland. Die Bundesregierung hatte diese 50 Millionen Euro Förderungsgelder zuvor kappen wollen, aber sich dann doch zum Glück anders entschieden.

Worüber wurde im Haushaltsausschuss besonders lebhaft gestritten?

Wir diskutieren viel, aber besonders kontrovers war die Debatte über den Einsatz von externen Beratern in Ministerien. Grundsätzlich kann es in Einzelfragen sinnvoll sein, auf externe Fachexpertise zurückzugreifen. In den letzten Jahren konnte jedoch beobachtet werden, dass das besonders im Verteidigungs- und im Verkehrsministerium aus dem Ruder gelaufen ist. Probleme sind dabei zum Beispiel, dass die Berater zum Teil absurd teure Tagessätze bekommen (bis zu 10.000 Euro täglich) oder dass die Berater-Firmen nicht neutral sind, weil sie eigene Interessen haben, die mit ihrer Berater-Tätigkeit kollidieren. Und die Bundesregierung macht solche Konflikte nicht immer transparent.

Sie haben den Haushaltsplan öffentlich kritisiert. Was hätten Sie denn gerne anders gemacht?

Der Haushaltsplan für 2020 ist insgesamt enttäuschend. Meiner Meinung nach gefährdet er unsere Zukunft. Zum einen wird zu wenig investiert. Die Bundesregierung hält am Dogma der „schwarzen Null“ fest, will also keine neuen Kredite aufnehmen. Dadurch existiert in Deutschland ein großer Investitionsstau: Schulen verfallen, Eisenbahnbrücken sind marode und für den Klimaschutz wird viel zu wenig getan. Gleichzeitig werden Milliarden an Subventionen für die Flugindustrie, für den schmutzigen Diesel oder für Plastiktüten verschwendet. Das passt nicht zusammen.

Ein zweiter Aspekt, der im Bundeshaushalt zu kurz kommt, ist die Gerechtigkeit. Es sollte Geld für eine Kindergrundsicherung bereitgestellt werden, der soziale Wohnungsbau muss gefördert werden und solidarische Wohnprojekte sollten mehr finanzielle Unterstützung erhalten.

Wenn der Haushalt für 2020 verabschiedet ist – hat der Haushaltsausschuss dann für den Rest des Jahres frei?

Nein, uns geht die Arbeit bestimmt nicht aus. In dieser Woche finden erst mal noch die Reden im Plenum statt. Aber auch danach arbeitet der Ausschuss weiter, denn er ist noch für viele andere Aufgabenbereiche neben der Aufstellung des Bundeshaushalts verantwortlich. So kontrolliert er die Ausgaben der Bundesregierung auf Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Fließen die Gelder für die richtigen Zwecke? Wird das Geld wirtschaftlich eingesetzt? Gibt es also ein vertretbares Kosten-Nutzen-Verhältnis? Außerdem kümmern wir uns auch um die europäische Wirtschafts- und Währungspolitik und den Euro, um ihn gerechter und krisenfester zu machen. Uns wird im Ausschuss nicht langweilig.

Über Sven-Christian Kindler

Sven-Christian Kindler ist 34 Jahre alt, Betriebswirt und kommt aus Hannover. Seit 2009 sitzt er als Abgeordneter im Bundestag und dort speziell im Haushaltsausschuss. Für seine Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist er Sprecher für Haushaltspolitik und Sprecher der Landesgruppe Niedersachsen.

Mitmischen-Autorin

Gloria Timm

ist 18 und studiert in Heidelberg Molekulare Biotechnologie. Sie liebt Sport und Reisen, hat einen eigenen Blog und verbringt möglichst viel Zeit in der Natur.

Du hast auch Lust, bei uns mitzumischen?

Schreib für uns!

Mehr zum Thema