Interview „Fragen, woher der Strom kommt“
Tim Oswald
Ein Aachener Uni-Professor lässt Elektroautos für Normalverdiener bauen. Pia Walendzik gehört zum Team. Die Maschinenbauingenieurin über Ideen für den Einsatz alter Batterien, 100-Prozent E-Mobilität und Fahrspaß.
Sie arbeiten bei e.GO, einem Unternehmen, das E-Autos verkauft. Fahren Sie selbst eins?
Nein, leider noch nicht. Das hat vor allem den Grund, dass man sich in Aachen, unserem Firmensitz, noch relativ gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegen kann. Außerdem müssen wir ja auch erstmal unsere Kunden mit unseren Autos versorgen, bevor wir selbst unseren e.GO Life fahren können. In Zukunft würde ich aber sehr gerne ein E-Auto aus unserem Haus fahren.
e.GO Life – was ist das genau?
Der e.GO Life ist ein kompaktes Elektrofahrzeug, das sich besonders als Zweitwagen oder als Flottenfahrzeug eignet. Das Elektroauto ist zu Preisen ab 15.900 Euro abzüglich Umweltbonus erhältlich. Der e.GO Life ist mit kleiner Batterie ökologisch und wirtschaftlich die sinnvollste Lösung für den Individualverkehr in den Innenstädten. Vor allem hier müssen die Emissionen gesenkt werden. Außerdem ist der e.GO Life nicht nur praktisch und bezahlbar, sondern bietet auch großen Fahrspaß. Er hat eine sehr gute Beschleunigung und ermöglicht durch den Heckantrieb zudem eine sportliche Fahrweise.
Viele Deutsche haben immer noch Vorbehalte gegenüber E-Autos. Was entgegnen Sie ihnen?
Das stimmt und die Vorbehalte sind verständlich: Es gibt auf dem Markt bis jetzt vor allem hochpreisige E-Autos, die für viele Menschen nicht erschwinglich sind. Wenn man dann noch weniger Reichweite als in einem herkömmlichen Auto hat, sind diese Vorbehalte natürlich nachvollziehbar.
Genau das wollen wir bei e.GO anders machen. Die Frage ist dabei nicht, wie wir ein E-Auto entwickeln, sondern wie wir es schaffen, bezahlbare E-Mobilität zu anzubieten. In den Gesprächen zeigt sich dann oft, dass die Vorbehalte abgebaut werden können. Mit dem e.GO Life wollen wir zeigen, dass es mit heute bereits vorhandenen Technologien möglich ist, ein bezahlbares Elektroauto anzubieten. Im Bereich der Stadtfahrzeuge gehen wir in Deutschland von einem Bedarf von rund 400.000 solcher Neufahrzeuge für den Kurzstreckenverkehr pro Jahr in den nächsten zehn Jahren aus. Wir selbst können mit unserem ersten Werk allerdings lediglich bis zu 30.000 Fahrzeuge herstellen, sodass wir uns über Fahrzeuge weiterer Anbieter freuen.
Die Politik diskutiert gerade über Steuererleichterungen für E-Autos. Finden Sie das sinnvoll?
Ja, definitiv. Das erleichtert den Markteintritt für E-Autos sehr. Die Politik kann gerade im Bereich der Marktöffnung viel für die E-Mobilität tun. Subventionen sollten jedoch nur ein Instrument unter vielen sein.
Man liest häufig, Deutschland hinke im Bereich der E-Mobilität hinterher. Stimmt das? Und wenn ja, woran liegt das?
Ja, das stimmt. Ein Faktor ist, dass wir in Deutschland viele starke Autobauer haben, die lange Zeit nicht in den Bereich der E-Mobilität eingestiegen sind, obwohl es für sie möglich gewesen wäre. Das heißt, der Markt ist in dieser Hinsicht tatsächlich lange Zeit nicht bedient worden. Nun sehen wir, dass sich das ändert und die Kunden langsam auch mehr Auswahl bekommen.
Die Elektromobilität hat den Ruf, eine harte Branche zu sein. Unternehmen wie Tesla, die auf E-Mobilität setzen, haben Schwierigkeiten, Gewinne zu schreiben. Wie läuft es in Ihrem Unternehmen?
Man muss vorneweg sagen, dass der Markteintritt, gerade als Autobauer, ein sehr großer Schritt ist, der mit vielen Investitionen und Hürden verbunden ist. Dies trifft eben neue Hersteller wie Tesla oder uns besonders. Damit sich so eine Investition auszahlt, müssen wir natürlich erstmal weiterwachsen, um ein etablierter Hersteller am Markt zu werden.
Erleichtert Ihre Kooperation mit Volkswagen den Markteintritt für Sie?
Auf jeden Fall. Für uns als kleinen Hersteller ist es etwas Besonderes, mit einem so erfahrenen und großen Partner wie VW zusammenarbeiten zu können. Es macht auch die Entwicklung und Produktion einfacher, wenn wir auf gewisse Baukastenelemente aus dem VW-Konzern zurückgreifen können. Das macht unsere Fahrzeuge günstiger und effizienter.
Einige Umweltschützer beklagen, dass E-Mobilität gar nicht so sauber sei wie angenommen. Stimmt das?
Bei so einer Bewertung ist es wichtig, dass man sich die gesamte Bilanz des Autos anschaut. Man sollte sich also fragen, woher die einzelnen Rohstoffe kommen, woher der Strom kommt und was mit den Batterien nach ihrem Einsatz im Auto passiert. Wir versuchen all das im Blick zu behalten. Deshalb nutzen wir keine großen Batterien, da deren Einsatz aus ökologischen wie auch ökonomischen Gesichtspunkten nicht sinnvoll ist. Auch für den Verbleib der Batterien nach ihrem Lebensende haben wir eine Lösung gefunden: Wir nehmen sie in Kooperation mit den Stadtwerken Aachen zurück. Die Batterien eignen sich dann zwar nicht mehr dafür, E-Autos anzutreiben, sind jedoch weiterhin ein sinnvoller Energiespeicher, der für Energieunternehmen interessant ist.
Was schätzen Sie: Wann fahren in Deutschland 50 Prozent E-Autos – und wann 100?
Das ist eine schwierige Frage. Ich hoffe, dass wir um 2030 bei 30 bis 40 Prozent E-Autos angekommen sind. Wie es weitergeht, ist sehr schwer abzuschätzen. Wir dürfen nicht verkennen, dass wir mit unserer heutigen Batterie-Technologie noch nicht den kompletten Bedarf abdecken können. Vor allem auf langen Strecken macht die heutige Batterie-Technologie noch wenig Sinn. Die Entwicklungen der nächsten Jahre werden zeigen, ob sich irgendwann 100 Prozent E-Mobilität sinnvoll erreichen lassen.
Zu Pia Walendzik
Dr. Pia Walendzik ist Maschinenbauingenieuren und bei e.GO verantwortlich für den Bereich Business Development. Das bedeutet, sie und ihr Team überlegen sich, welche Ideen e.GO hat, um die Mobilität von morgen zu gestalten und welche Produkte das Unternehmen in diesem Bereich anbieten möchte.
Tim Oswald
ist Schüler aus Weisenheim am Sand. Seine großen Leidenschaften sind Politik und Engagement. Außerdem liest er gerne, geht joggen und ist fasziniert von fremden Ländern und Sprachen. Seine Freunde machen sich heute noch darüber lustig, dass sein Lieblingsbuch in der Grundschule der Atlas war.