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Arbeit im Ausschuss „Weniger laut und hektisch“

Als Kopfarbeit beschreibt Matthias Birkwald (Die Linke) die Arbeit in den Ausschüssen des Bundestages. Im Interview erklärt der Abgeordnete, warum es in den Runden keine medienwirksamen Rundumschläge gibt und warum er sich dennoch manchmal bissige Kommentare nicht verkneifen kann.

Porträtfoto Matthias Birkwald

Er sei „der Abgeordnete mit den meisten Zwischenrufen“, sagt der Linke Matthias Birkwald über sich selbst. © Bildstelle DBT

Herr Birkwald, diese Woche gründete der Bundestag Arbeitsgruppen, die Ausschüsse heißen. Warum?

Etwas überspitzt lässt es sich so sagen: Im Plenum, also der Vollversammlung, arbeiten wir Abgeordneten vorwiegend mit dem Herzen, in den Ausschüssen hingegen hauptsächlich mit dem Kopf. Präziser ausgedrückt: Im Plenarsaal sitzen alle Abgeordneten zusammen, die Kameras laufen, die Fraktionen tauschen ihre Argumente öffentlichkeitswirksam aus. Dabei kann es durchaus auch mal recht hitzig zur Sache gehen.

Und im Ausschuss …?

… da arbeiten hingegen Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker für bestimmte Themengebiete weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammen, hier wird viel fachlicher gearbeitet und die Diskussionen gehen deutlich tiefer ins Detail. In den Ausschüssen werden konkrete Änderungsvorschläge für Gesetze erarbeitet, die Fraktionen legen hier fest, wie sie abstimmen wollen. Durch die regelmäßige enge Zusammenarbeit im Ausschuss kennt man die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen auch besser, diese Vertrautheit erleichtert die Zusammenarbeit über Fraktionsgrenzen hinaus.

Wie funktioniert die Arbeit in einem Ausschuss genau?

Zu den regulären Ausschusssitzungen kommen wir in Sitzungswochen immer mittwochmorgens zusammen, bevor dann am frühen Nachmittag das Plenum beginnt. Morgens diskutieren wir etwa über Gesetzentwürfe der Bundesregierung und Anträge von den Oppositionsfraktionen, schlagen Änderungen vor und geben Empfehlungen für die Abstimmung im Plenum. Regelmäßig ist auch eine Staatsekretärin oder ein Staatssekretär – also ein hochrangiger Vertreter einer Ministerin oder eines Ministers – zu Gast. Er oder sie stellt die Vorhaben der Bundesregierung vor und steht Rede und Antwort.

Sie laden auch externe Experten ein, richtig?

Ja, häufig lädt ein Ausschuss externe Sachverständige – also zum Beispiel Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – ein, um sie um ihre Einschätzung zu Gesetzentwürfen und Anträgen zu bitten und ihnen Fragen zu stellen. Jede Bundestagsfraktion darf hierbei abhängig von ihrer Größe eine bestimmte Anzahl von Sachverständigen benennen.

Diese spezielle Art von Sitzung heißt „Anhörung“ und findet zusätzlich zu den regulären Ausschusssitzungen statt. In meinem Ausschuss, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales, haben diese Anhörungen in der vergangenen Legislaturperiode immer montags in Sitzungswochen stattgefunden – häufig auch mehrere an einem Tag. Anders als die regulären Sitzungen sind Anhörungen in der Regel öffentlich und können über das Internet mitverfolgt werden.

Video: „Was sind Ausschüsse?“

© mitmischen.de/DBT

Sie sagten, dass Abgeordnete im Ausschuss anders als im Plenum diskutieren, wie genau muss ich mir das vorstellen?

Die Diskussionskultur in einem Ausschuss ist auf jeden Fall eine andere als im Plenum. Wie gesagt, in einem Ausschuss sitzen die Expertinnen und Experten der Fraktionen für das jeweilige Themengebiet zusammen. Dadurch geht es in einem Ausschuss natürlich viel technischer und detailversessener als im Plenum zu. Für Außenstehende ist eine Ausschussdebatte daher nicht immer ganz verständlich.

Gibt es weitere Unterschiede?

Ja, ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass – wenn man die öffentlichen Anhörungen ausklammert – die Ausschusssitzungen, anders als Plenardebatten, nicht im Fernsehen oder anderweitig übertragen werden. Medienwirksame Rundumschläge, die im Plenum ja durchaus wichtig und gerechtfertigt sind, kommen somit in der Ausschussarbeit eigentlich nicht vor. Insgesamt würde ich sagen, dass die Arbeit im Ausschuss deutlich ergebnisorientierter ist als eine Plenardebatte.

Ist es auch mal laut, wird viel dazwischengeredet, oft gestritten?

Grundsätzlich ist das Arbeitsklima in den Ausschüssen kollegial, es geht deutlich weniger laut und hektisch zu als im Plenum. Wenn wir in den Ausschüssen über Gesetze und Anträge diskutieren, geht es natürlich auch kontrovers zu, die Debatten sind hier aber eher inhaltlicher beziehungsweise technischer Natur. Streit würde ich das nicht nennen. Was das Dazwischenreden betrifft: Ich bin ein großer Freund des Zwischenrufes …

Warum das?

ich halte ihn für ein Instrument der wehrhaften Demokratie. In der vergangenen Legislaturperiode war ich der Abgeordnete mit den meisten Zwischenrufen. Diesen Titel trage ich mit augenzwinkerndem Stolz. Allerdings beschränke ich mich damit weitestgehend aufs Plenum. Aber: Wenn eine Kollegin oder ein Kollege im Ausschuss Unsinn über mein Spezialgebiet, die Rentenpolitik, erzählt, kann ich mir auch dort einen bissigen Kommentar nicht immer ganz verkneifen.

Sie selbst waren lange Mitglied und auch stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales – wie hat Sie diese Zeit geprägt?

Sie hat mich noch mehr für Fragen von Arm und Reich, Oben und Unten und allem, was konkret mit sozialer Ungleichheit und sozialer Gerechtigkeit zu tun hat, sensibilisiert. Hier habe ich mein politisches Credo entwickelt: Sozial ist, was Würde schafft!

Über Matthias Birkwald

Der 60-jährige Kölner Matthias Birkwald studierte Politologie, Soziologie, Philosophie und politische Ökonomie und schloss sein Studium 1990 als Diplom-Sozialwissenschaftler ab. Er war seit 1993 Mitglied der PDS, der Vorgänger-Partei der Linken, der er daraufhin seit ihrer Gründung 2007 angehört. Seit 2009 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages und war seitdem immer Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales, im 19. Bundestag zudem stellvertretender Vorsitzender und Obmann des Ausschusses. Mehr erfahrt ihr in seinem Profil auf bundestag.de.

(log)

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