Mauerbau 1961 Deutsche Teilung festgemauert
Obwohl gerade Sommerpause im Parlament ist, tritt der Bundestag am 18. August 1961 zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Der Grund: die Trennung zwischen Ost- und Westberlin, die mit der Abriegelung der drei westlichen, freien Sektorgrenzen von der sowjetischen begonnen hat und in den Mauerbau mündet.
© Lena Kampf, REGIERUNGonline, dpa
Wie kam es zur Rede?
In den frühen Morgenstunden des 13. August 1961 lässt die Führung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) an der Sektorgrenze in Berlin Barrikaden errichten. Rund 10.000 Polizisten der Volksarmee reißen Straßenpflaster auf und spannen Stacheldraht. An diesem Tag schließt die DDR alle Sektorenübergänge zwischen West und Ost, auch S- und U-Bahnverbindungen werden unterbrochen - mit Ausnahme von lediglich 13 Kontrollpunkten. Selbst das Brandenburger Tor wird abgeriegelt, und der Bau der Berliner Mauer beginnt. Diese Teilung trifft die Bürger beider Länder unvorbereitet. Kein Wunder: Noch am 15. Juni 1961 hatte Walter Ulbricht, Staatsoberhaupt der DDR, auf einer Pressekonferenz betont: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten". Die Realität widerspricht dieser Aussage, und so kommt der Bundestag am 18. August zu einer außerordentlichen Sitzung in Bonn zusammen – Sommerpause hin oder her.
Warum hat die Rede für Aufsehen gesorgt?
Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) verurteilt die Abriegelung in seiner Regierungserklärung scharf: Das Viermächteabkommen sei damit klar gebrochen worden. Das "Ulbricht-Regime" habe so gegenüber der gesamten Welt die politische Bankrotterklärung einer 16-jährigen Gewaltherrschaft abgegeben. Moskau und sein "Marionettenregime" planten damit, den "freien Teil der deutschen Reichshauptstadt von der freien Welt abzuschnüren". Doch das ließen die Bundesregierung und ihre westlichen Verbündeten nicht zu, versichert Adenauer: "Der Nato-Rat hat erklärt, die Freiheit Berlins aufrechtzuerhalten."
Danach ergreift Willy Brandt (SPD), damals Regierender Bürgermeister von Berlin, das Wort, appelliert daran die Stadt nicht fallen zu lassen und beruhigt gleichzeitig die Berliner. Er bezeichnet den Mauerbau als "schreiendes Unrecht". Brandt fordert die Vereinten Nationen auf, sofort einzugreifen: "Den Weg vor das Weltforum kann man sich nicht aufheben für den Fall, dass eine Welt zu brennen beginnt". Außerdem fordert der Berliner Bürgermeister die Gesellschaft dazu auf, die Stadt nun umso stärker zu unterstützen und die Teilung nicht zu akzeptieren. Sie anzuerkennen würde das Grundgesetz verletzen, welches die Bundesrepublik dazu verpflichtet "sich um die Menschen in der sowjetisch besetzten Zone zu kümmern", sagte Brandt. Allerdings beruhigt er die Westberliner Bevölkerung auch: Die Teilung sei "keine unmittelbare Bedrohung" für die Stadt. Kurz vor Ende seiner Rede mahnt Willy Brandt die Alliierten, "dass überzeugende, nichtmilitärische Maßnahmen ergriffen werden sollten." Und mit Blick auf den beginnenden Mauerbau unterstrich Brandt: "Die Spannung wird nicht verschärft, indem man die Wahrheit sagt, sondern die Spannung wird verschärft, indem einseitige Akte des Unrechts begangen werden." Ohne überzeugende nichtmilitärische Maßnahmen würde man Walter Ulbricht, den Staatsratsvorsitzenden der DDR, dazu einladen, seine "Politik der vollendeten Tatsachen fortzusetzen".
Was hat die Rede bewirkt?
"Was zusammengehört, ist weiter auseinandergerissen, es wird brutal zerschlagen", sagt Willy Brandt an diesem Tag. Seine Worte sollten noch lange Gültigkeit haben: Ganze 28 Jahre lang dauert es, bis die Mauer 1989 fällt. In dieser Zeit verlieren hunderte Menschen ihr Leben; tausende kommen ins Gefängnis, weil sie versucht haben, die Grenze zu überwinden. Brandts flammende Rede vor dem Bundestag brandmarkt die Teilung schon am 18. August 1961 als "Verletzung der Menschenrechte". Die Mahnung von ihm und von Konrad Adenauer, auf militärische Gegenschläge zu verzichten, wird erhöht. Und: der Zugang nach Westberlin bleibt stets gesichert.
Was wir der Rede zu verdanken haben
Willy Brandt konnte mit seiner Rede nicht den Stopp des Mauerbaus erzwingen. Doch mit einer Politik der kleinen Schritte verfolgte er das Ziel, sich dem Ostblock, besonders aber der DDR anzunähern. Im Zuge des "Wandels durch Annäherung" erreichte der spätere Bundeskanzler im Dezember 1963 ein Passierscheinabkommen, das es den Westberlinern erlaubte, ihre Verwandtschaft in Ost-Berlin zu besuchen. So gelang ihm, dass die Teilung zwischen Ost und West nicht auch noch eine völlige Entfremdung der Bevölkerung in beiden Teilen zur Folge hatte.
(Beitrag erstmals veröffentlicht am 05.05.2011)