UN-Jugenddelegierter „Tolle und ernüchternde Gespräche“
Laura Heyer
Joshua war auf dem „Jugendklimagipfel“ in Glasgow dabei, und zwar als Jugenddelegierter der Vereinten Nationen. Warum die Ideen des 18-Jährigen und seiner Mitstreiter teilweise im Mülleimer landeten, er aber er trotzdem positiv in die Zukunft blickt, erzählt er Timo (19) im Interview.
Joshua, du warst der „UN-Jugenddelegierte“ auf der Klimakonferenz in Glasgow. Was ist ein Jugenddelegierter und was sind deine Aufgaben?
Jugenddelegierte vertreten die Interessen junger Menschen, zum Beispiel beim Thema Umweltschutz und Klima. Eine Woche vor dem Weltklimagipfel COP 26 in Glasgow fand in diesem Jahr der „Jugendklimagipfel“ statt. Dort war ich dann dabei. Dazu gab es einen Vorbereitungsgipfel in Mailand. Beide Male ging es darum, die Meinungen deutscher Jugendlicher zum Klimaschutz mit den Meinungen der Jugendlichen anderer Länder zu einer gemeinsamen Position zu vereinen. Dafür bin ich im Vorfeld mit Jugendlichen aus Deutschland ins Gespräch gekommen und habe sie gefragt: Wo drückt der Schuh im Klimaschutz? Welche Maßnahmen wünscht ihr euch?
Spannend, und wie wird man Jugenddelegierter?
Vor einem halben Jahr hat der UN Youth Envoy, also quasi die Jugendabteilung der Vereinten Nationen, nach Jugenddelegierten gesucht. Alle Jugendlichen aus der ganzen Welt konnten sich bewerben. Dann wurden pro Land zwei Jugendliche ausgewählt. In der Bewerbung kam es vor allem darauf an, dass man sich sozial engagiert und sich mit Umwelt-Themen auskennt.
Wie hast Du persönlich die Stimmung auf der Klimakonferenz erlebt?
Sehr unterschiedlich. Zum einen war es extrem inspirierend, mit all den anderen Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Zum anderen war es super ernüchternd, weil ich seit drei Jahren jede freie Minute in das Thema Klima stecke und dann gesagt bekomme: Jugendliche seien nicht qualifiziert genug für den Verhandlungstisch, oder unsere Positionen seien zu undurchdacht.
Sehr enttäuschend war auch, dass wir das Papier, auf dem wir die Position der globalen Jugend aufgeschrieben hatten, nur zwei Stunden nach der Übergabe an Staatschefs und Umweltminister überall in den Mülltonnen gesehen haben. Zwei Monate lang zu verhandeln, um einen globalen Konsens von Jugendlichen zu bilden und dann zu sehen, dass das nicht einmal wertgeschätzt wird, ist sehr ernüchternd.
Womit genau hast du deine Woche in Glasgow verbracht?
Es ging darum, mit möglichst vielen Politikern und Politikerinnen über die Position der Jugend zu reden. Ich habe sie gefragt: Wie habt ihr vor, die Meinung der Jugend in das Abschlusspapier der Klimakonferenz zu verankern? Da hatte ich tolle und ernüchternde Gespräche.
Welche zum Beispiel?
Mitten auf dem Gipfel haben sich sieben Regierungschefs aus Skandinavien Zeit genommen, um mit 20 Jugenddelegierten über Bildung in Sachen Klima und Fragen der Finanzierung zu sprechen. Das Gespräch war toll, weil die Regierungschefs so offen für unsere Ideen waren. Dass sie sich mitten auf dem Gipfel Zeit für uns genommen haben, zeigt, wie skandinavische Länder zu Jugendbeteiligung stehen.
Ganz anders war es mit den deutschen Politikern und Politikerinnen vor Ort. Der deutsche Verhandlungsführer Jochen Flasbarth hatte gerade so Zeit für ein Foto, aber in den ganzen zwei Wochen nicht einmal kurz Zeit für ein Gespräch.
Worüber hättest du gerne mit ihm gesprochen?
Ich hätte gerne mit ihm darüber gesprochen, wie den Kernforderungen der Jugend aus deutscher Sicht begegnet werden kann. Ein weiteres Thema wäre seine Position zu Jugendbeteiligung gewesen. Denn offiziell war ich nicht als deutscher Jugenddelegierter vor Ort, sondern als Jugenddelegierter der Vereinten Nationen. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern sitzen Jugendliche bei den deutschen Delegierten nicht direkt mit am Verhandlungstisch. Stattdessen müssen sie sich Gesprächstermine hart erarbeiten. Ich wünsche mir aber, dass Jugendliche von Anfang an einbezogen werden und nicht nur auf der Tribüne stehen dürfen.
Mit welchen Zielen bist du nach Glasgow gefahren? Hast du sie erreicht?
Unser aller größtes Ziel war es, einen globalen CO2-Handel mit allen Sektoren und allen Ländern einzuführen. Während das Thema zwar in der Abschlusserklärung zu finden ist, meinen die meisten Experten, dass die Umsetzung viel zu vage gehalten ist. Unsere zweite Forderung war, Bildung in Sachen Klima in Lehrpläne aufzunehmen. Und dabei soll im Unterricht nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch miteinander diskutiert und an Lösungen gefeilt werden. Leider ist dieses Thema – so wie leider auch jedes andere Thema unserer globalen Jugendresolution – wieder einmal unter den Tisch gefallen.
CO2-Handel oder auch Emissionshandel bedeutet, dass jeder Staat nur maximal eine bestimmte Menge klimaschädliches CO2-Gas ausstoßen darf. Wenn er mehr ausstößt, muss er anderen Ländern die Erlaubnis dazu abkaufen. Diese anderen Staaten haben dann Geld damit verdient, dass sie so wenig CO2 ausgestoßen haben, dass sie noch Erlaubnis-Zertifikate übrighatten. So sollen Länder einen finanziellen Anreiz bekommen, sich klimaschonend zu verhalten.
War die Konferenz ein so großer „Meilenstein“ wie die Klimakonferenz in Paris vor sechs Jahren? Was wurde erreicht?
Ja und nein. Bei der COP26 schlossen sich fast 100 Staaten einer Initiative zur Reduzierung des Treibhausgases Methan an. Methan hat eine 28 mal stärkere Treibhauswirkung als CO2. Länder wie Indien, China und Russland, die zu den fünf größten Verursachern von Methanemissionen gehören, haben sich dieser Initiative leider nicht angeschlossen.
Ein weiterer zentraler Beschluss war die Selbstverpflichtung von über 100 Staaten, die Zerstörung von Wäldern bis 2030 zu stoppen. Die teilnehmenden Staaten dieser Initiativen repräsentieren über 85 Prozent der weltweiten Waldfläche – das sind kumuliert etwa 34 Millionen Quadratkilometer.
Blickst du nach der Konferenz eher hoffnungsvoller oder skeptischer auf die Zukunft der Menschheit?
Sowohl als auch. Hoffnungsvoller, weil ich aus erster Hand erfahren durfte, wie sich viele Jugendliche auf der ganzen Welt mit genialen Ideen für mehr Klimaschutz einsetzen. Skeptischer, weil die Weltklimakonferenz wieder einmal gezeigt hat, dass diese Jugendlichen immer noch vom Entscheidungsprozess ausgeschlossen werden. Wenn die Ziele der Konferenz erreicht werden würden, würden es leider immer noch auf eine 2,4 Grad Erwärmung anstatt einer 1,5 Grad Erwärmung herauslaufen.
Mehr über Joshua Steib
Joshua Steib ist 18 alt und lebt in München. Er hat dieses Jahr Abitur gemacht und studiert nun Politikwissenschaften und Philosophie. Durch den Wettbewerb „Jugend debattiert“ hat er klimapolitisches Interesse entwickelt. Seit drei Jahren ist er unter anderem als Jugendbotschafter der Evangelischen Akademie Tutzing im Bereich Klimabildung aktiv.
Über den Autor
Timo Frahm ist 19 Jahre alt und studiert Internationale Beziehungen in Dresden. Er war als Teilnehmer eines Jugendpresseworkshops zur Förderung von Nachwuchsjournalisten in Glasgow, der von dem Pressenetzwerk für Jugendthemen und der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen organisiert und vom Bundesentwicklungsministerium finanziert wurde. Er war also Korrespondent: „Ich habe vor Ort gelernt, über internationale Konferenzen Bericht zu erstatten.“
Laura Heyer
hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.