Corona-Impfung "Wir werden das Virus besiegen"
Laura Heyer
Wann können Corona-Impfungen starten? Wie sicher ist der Impfstoff? Und wer soll zuerst drankommen? Das erklärt der SPD-Politiker und Mediziner Karl Lauterbach im mitmischen-Interview.
Herr Lauterbach, mehrere Unternehmen haben vielversprechende Ergebnisse zu Corona-Impfstoffen geliefert. Werden wir im Jahr 2021 einen zuverlässigen Impfstoff gegen das Virus in Deutschland haben?
Ja, ich denke schon. Wir werden im kommenden Jahr sogar mehrere zuverlässige Impfstoffe gegen Corona haben. Wir rechnen mit Impfstoffen der Firma Biontech aus Deutschland und den Unternehmen Moderna aus den USA und Oxford Astra aus Großbritannien. Zudem haben mindestens drei weitere Impfstoffe gute Ergebnisse in den ersten Tests gezeigt. Es ist sogar möglich, dass erste Impfungen schon im Dezember dieses Jahres stattfinden können. Das hängt nun von den staatlichen Zulassungen ab. Einige Impfstoffe werden dabei für manche Länder besser geeignet sein als für andere.
Warum das?
Das liegt zum Beispiel an den Kosten für die Produktion oder die Lagerung. Dass es mehrere Impfstoffe gibt, hat dabei nur Vorteile: Einerseits werden wir Impfstoffe für unterschiedliche Personengruppen haben. Andererseits kann je nach Umständen wie zum Beispiel dem Klima im Land, der Impfstoff mit der entsprechenden Lagertemperatur verwendet werden.
Damit bewahrheitet sich, was viele Experten wie auch Christian Drosten, der Leiter der Virologie der Berliner Charité, schon zu Beginn der Pandemie gesagt haben: Wir werden das Virus langfristig mit Impfstoffen besiegen.
Die Zulassung der Impfstoffe geht schneller als normalerweise. Wie können wir sicher sein, dass etwa Nebenwirkungen ausreichend erforscht sind?
Es stimmt, die Impfstoffe sind bisher schneller, aber nicht weniger gründlich untersucht worden. Viele Schritte, die sonst langatmig hintereinander geschehen, hat man nun gleichzeitig gemacht. Zudem stand der Forschung mehr Geld zur Verfügung, um diese Prozesse anzugehen. Daher würde ich nach allem, was ich bisher dazu gelesen habe, sogar umgekehrt davon ausgehen, dass diese Impfstoffe besonders gründlich untersucht worden sind und man sich auf eine hohe Zuverlässigkeit einstellen kann. Dazu laufen aktuell auch weitere Studien, deren Ergebnisse bald vorliegen sollten.
Aber wie steht es um mögliche Nebenwirkungen, die gegebenenfalls erst nach langer Zeit auftreten?
Die Langzeitfolgen kann man erst nach der offiziellen Zulassung untersuchen, weil man dazu nicht nur Zeit, sondern auch eine sehr große Zahl an Geimpften benötigt, die verschiedene Voraussetzungen mitbringen. Das können sie mit keiner Studie abdecken. Diese Situation haben wir bei jedem Impfstoff – auch wenn er erst nach zehn Jahren zugelassen wird. Die langfristigen Folgen kann man erst wirklich benennen, wenn die Bevölkerung breit geimpft wird.
Bundestag und Bundesrat haben eine Reform des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Darin geht es auch um die Impfungen. Was genau ist geplant?
Zunächst sollen Impfzentren aufgebaut werden. Zudem sollen Menschen, die einer Risikogruppe angehören oder durch ihren Beruf, zum Beispiel in einem Krankenhaus, besonders gefährdet sind, als erstes eine Impfung bekommen können. Darüber hinaus ist beschlossen worden, dass der Impfstoff vom Bund übernommen wird und nicht von den Bürgern selbst bezahlt werden muss – auch, wenn sie nicht versichert sind.
Wer sollte sich zuerst impfen lassen und wie läuft der Prozess?
Das wird am Ende der Deutsche Bundestag entscheiden müssen. Grundlage dafür sind zum einen die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, das ist ein unabhängiges Expertengremium, das sich dabei an den Kriterien der evidenzbasierten Medizin orientiert, also auf der Basis empirisch zusammengetragener und bewerteter wissenschaftlicher Erkenntnisse. Und zum anderen werden wir Abgeordneten uns an Empfehlungen des Deutschen Ethikrates orientieren. Das ist ebenfalls ein unabhängiges Gremium, das nur an den durch das Ethikratgesetz begründeten Auftrag gebunden ist.
In welche Richtung könnte es gehen?
Klar ist, dass Menschen mit Risikofaktoren und Menschen, die durch ihren Beruf gefährdet sind, zuerst geimpft werden sollten. Ich würde nicht vorschlagen, junge Menschen zuerst zu impfen, damit sie andere nicht mehr infizieren. Denn wir wissen aktuell noch nicht, ob die Impfung die Ansteckung verhindert. Zurzeit sieht es so aus, also ob die Impfung nur den schweren Verlauf von Covid-19 verhindert. Da aber schwere Verläufe bei jungen Menschen nicht so häufig sind, würde diese Strategie keinen Sinn machen.
Es soll keine Impfpflicht geben. Eine gute Entscheidung?
Ja, ich halte das für eine sehr gute Entscheidung, an der wir als Parlament auch nicht rütteln werden. Es ist nicht nötig, eine Impfpflicht einzuführen, da sich ein Großteil der Menschen nach meiner Einschätzung impfen lassen möchte. Mit einer Herdenimmunität, also dass genug Menschen geimpft sind, rechne ich Ende 2021.
Wird mit einem Impfstoff das Leben wieder so werden wie vor dem Corona-Ausbruch?
So schnell werden wir leider nicht zur Normalität zurückkehren können. Auch im kommenden Jahr wird sich ein Großteil der Bevölkerung noch durch Masken und Abstand schützen müssen. Denn am Anfang wird der Impfstoff nur ausreichen, um die Risikogruppen zu schützen. Es ist daher wichtig, die Maßnahmen weiter einzuhalten. Auch bei Menschen im mittleren Alter hat sich gezeigt, dass Corona langfristige negative Folgen haben kann. Daher dürfen wir die Pandemie nicht aus dem Auge verlieren.
(lh)
Über Prof. Dr. Karl Lauterbach
Prof. Dr. Karl Lauterbach, 57, hat Medizin in in Aachen, Texas (USA) und Düsseldorf studiert. Darüber hinaus absolvierte er ein Studium der Gesundheitsökonomie und Epidemiologie, also der Wissenschaft von der Entstehung, Verbreitung, Bekämpfung und den sozialen Folgen von Epidemien, zeittypischen Massenerkrankungen und Zivilisationsschäden. Der SPD-Politiker ist seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages und direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Leverkusen-Köln IV. Er ist Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz sowie im Unterausschuss Europarecht. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.
Laura Heyer
hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.