Wehrbericht 2021 „Das Jahr der Bundeswehr“
Von Material-Mängeln bis hin zu Beschwerden über Vorgesetzte: Wo es bei der Bundeswehr hakt, steht im Bericht der Wehrbeauftragten des Parlaments. Doch sie kritisiert nicht nur, sondern lobt die Soldatinnen und Soldaten auch.
Krieg in Europa, gerade mal rund 700 Kilometer von der ostdeutschen Grenze entfernt: Kein Wunder, dass der Bericht über den Zustand der Bundeswehr dieses Jahr mit besonderer Spannung erwartet wurde. Denn seit Kriegsbeginn wird in der Öffentlichkeit darüber diskutiert, wie wehrfähig die deutsche Armee ist, wie gut sie uns im Ernstfall verteidigen könnte.
Kürzlich übergab die Wehrbeauftragte des Bundestages Eva Högl (SPD) der Bundestagsvizepräsidentin Kathrin Göring-Eckardt den Wehrbericht 2021.
Högl fordert darin Investitionen, „um die Bundeswehr bei Material, Personal und Infrastruktur bestmöglich aufzustellen“. Die Notwendigkeit, die Armee zu modernisieren, „insbesondere um für ihren Kernauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung gerüstet zu sein“, habe der Angriff Russlands auf die Ukraine offengelegt.
Bei aller Kritik am Zustand der Bundeswehr, insbesondere was Material und Infrastruktur angeht, lobt die Wehrbeauftragte im Bericht aber ausdrücklich die Menschen: „Überall traf ich auf hoch motivierte und engagierte Soldatinnen und Soldaten, die selbst unter schwierigen personellen, materiellen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen ihre Aufträge stets erfolgreich ausführten. Das ist bewundernswert.“ Der Bericht führt viele Beispiele dafür an, wo die Armee überall geholfen und Großartiges geleistet habe – und kommt zu dem Schluss: „2021 war das Jahr der Bundeswehr.“
Alte Hubschrauber, desolate Truppenküchen
Bei jedem Truppenbesuch habe man ihr von Mängeln berichtet, schreibt die Wehrbeauftragte im Bericht und rügt: „Das ist völlig inakzeptabel. Und das muss verbessert werden. Im Ernstfall riskieren unsere Soldatinnen und Soldaten im Einsatz ihr Leben. Dafür haben sie Anspruch auf bestmögliche und vollumfängliche Ausstattung.“
Das betreffe sowohl die grundlegende Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten vor Ort als auch Waffen und großes Kriegsgerät. Ein Beispiel: der seit bald 50 Jahren zum Inventar der Bundeswehr gehörende Hubschrauber CH-53. „Aufgrund seines Alters ist er besonders störanfällig, zudem fehlen – wie bei vielen Geräten – die notwendigen Ersatzteile.“
Auch die Infrastruktur kritisiert Eva Högl in ihrem Bericht: „Der Zustand von Unterkünften, Sanitäreinrichtungen, Truppenküchen und Sportplätzen ist zum Teil desolat.“ Sanierungen gingen viel zu langsam vonstatten, Neubauten ebenso. „Hier braucht es Abhilfe – schnell, pragmatisch, zielführend“, fordert der Wehrbericht.
Positive Aussichten: Viel Geld für die Bundeswehr
Der Verteidigungshaushalt umfasste 2021 rund 46,9 Milliarden Euro, so steht es im Bericht. In diesem Jahr sieht der aktuelle Haushaltsentwurf der Bundesregierung über 50 Milliarden Euro vor.
Doch nicht nur das: Anlässlich des Krieges in der Ukraine schlägt die Bundesregierung ein einmaliges Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr vor. Ziel dabei sei, „die lange vernachlässigte Bundeswehr wieder zu stärken“, so formulierte es Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), als er am 22. März im Bundestag seinen Haushaltsentwurf für 2022 vorstellte.
In ihrem Bericht begrüßt die Wehrbeauftragte diese Pläne: „Die Ankündigung, ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr zu schaffen sowie den Verteidigungshaushalt zu erhöhen, sind sehr zu begrüßen.“
Geld ist nicht alles...
Im Wehrbericht betont Högl aber auch immer wieder, dass Geld allein nicht alle Probleme der Bundeswehr lösen könne. Die Beschaffung von neuem Material unterliege sehr strengen Regeln, die Vorgänge oft verkompliziere und dadurch unnötig verlangsame. Hier fordert die Wehrbeauftragte, die strengen Vergabeverfahren aufzulockern: „Denn der Truppe kommt es vor allem auf eine funktionale Ausstattung an, die häufig auf dem freien Markt lieferbar ist und damit schnell zu beschaffen wäre. Dies gilt vor allem für die persönliche Bekleidung und Ausrüstung.“
183.695 Soldatinnen und Soldaten
Die Personalsituation bei der Bundeswehr beurteilt die Wehrbeauftragte relativ positiv. Trotz der Corona-Pandemie habe es 2021 mehr Bewerbungen gegeben als im Vorjahr, nämlich 49.200.
Der Personalstand Ende 2021: 183.695 Soldatinnen und Soldaten, davon 55.256 Berufssoldatinnen und Berufssoldaten, 119.921 Soldatinnen und Soldaten auf Zeit sowie 8.518 freiwilligen Wehrdienst Leistende.
Trotzdem blieben weiterhin Posten unbesetzt. Deshalb begrüßt die Wehrbeauftragte, dass das Verteidigungsministerium vorhabe, die Soldatenlaufbahn flexibler zu gestalten und somit bestenfalls neue Zielgruppen für diesen Beruf zu finden.
23.606 Frauen bei der Bundeswehr
23.606 Frauen arbeiteten laut Wehrbericht derzeit bei der Bundeswehr. Bei den Soldaten liege der Anteil bei fast 13 Prozent, im Sanitätsdienst sogar bei gut 41 Prozent.
Vor allem in Führungspositionen seien Soldatinnen allerdings weiterhin unterrepräsentiert: „Zwar gibt es mittlerweile Zugführerinnen und Kompaniechefinnen sowie Frauen, die Bataillone und Korvetten führen. Im Generalsrang dienen Frauen bislang jedoch nur im Sanitätsdienst.“
Lob für die Katastrophen-Hilfe
Besonders lobend hebt die Wehrbeauftragte in ihrem Bericht das hervor, was offiziell „Amtshilfe“ heißt – nämlich die Unterstützung der Bundeswehr in Extremsituationen wie der Corona-Pandemie oder der Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Bayern.
In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, Testzentren und Gesundheitsämtern habe die Bundeswehr beim Impfen, Testen und der Kontaktnachverfolgung ausgeholfen. Zwischenzeitlich seien bis zu 25.000 Soldatinnen und Soldaten in Sachen Corona aktiv gewesen. „Man mag sich gar nicht vorstellen, wie die Pandemie ohne die helfenden Hände der Truppe verlaufen wäre“, so Högl.
Sie mahnte aber auch, die Amtshilfe sei auf Kurzzeitigkeit angelegt und dürfe kein Dauerzustand werden.
Ende des Afghanistan-Einsatzes
Auch das Ende des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr nach 20 Jahren hebt die Wehrbeauftragte im Bericht als besonderes Ereignis im Jahr 2021 hervor: „Der Einsatz war in vielerlei Hinsicht eine Zäsur. Er war der umfangreichste und prägendste Einsatz in der Geschichte der Bundeswehr. Insgesamt ließen 59 Soldaten ihr Leben in Afghanistan.“ Auch das Ende des Einsatzes sei beispiellos gewesen. Nachdem die Nato das Land verlassen hatte, übernahmen die Taliban die Macht. Die Bundeswehr brachte daraufhin in elf Tagen über 5.000 Personen nach Deutschland in Sicherheit: „die größte, schwierigste und gefährlichste Evakuierungsmission in der Geschichte der Bundeswehr“.
Nach 20 Jahren Einsatz in Afghanistan fragt die Wehrbeauftragte: „Was haben wir erreicht – politisch, wirtschaftlich, militärisch, zivilgesellschaftlich? Und was wird bleiben?“ Antworten auf diese Fragen solle eine Enquete-Kommission des Bundestages liefern, was Eva Högl sehr begrüße.
Umweltschutz bei der Bundeswehr
Der Wehrbericht wirft auch Schlaglichter auf Themen, die vielen nicht bekannt sein dürften. Zum Beispiel zählt er auf, inwiefern die Bundeswehr ihren Teil zum Umweltschutz leistet. Im Pilotprojekt „Green Barracks“ etwa würden Kasernen mit erneuerbaren Energien beheizt. Der Lufttransport-Stützpunkt in Niger verfüge über eigene Photovoltaik-Anlagen. Außerdem ermögliche die Bundeswehr den Soldatinnen und Soldaten kostenlose Bahnfahrten, achte bei Gebäude-Sanierungen besonders auf die Energie-Effizienz und leiste mit ihren weitläufigen Übungsplätzen einen Beitrag zum Artenschutz. In einem Satz: „Die Bundeswehr nimmt das Thema Umwelt sehr ernst.“
(Julia Karnahl)