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Enquete-Kommission „Lehren aus dem Afghanistan-Einsatz ziehen“

20 Jahre war die Bundeswehr in Afghanistan stationiert. Nun soll eine Enquete-Kommission im Bundestag diesen Einsatz aufarbeiten. Der Vorsitzende Michael Müller (SPD) erklärt, warum es dabei nicht nur um militärische Fragen geht.

Portrait des Abgeordneten Michael Müller

„Was ist gut gelaufen, was schlecht? Was müssen wir bei Auslandseinsätzen in Zukunft verbessern?“ Diese Fragen wird sich die Enquete-Kommission unter der Leitung von Michael Müller stellen. © Deutscher Bundestag

Zum Hintergrund

Die Bundeswehr war 20 Jahre in Afghanistan stationiert, insgesamt waren 160.000 deutsche Soldaten im Einsatz, 59 von ihnen sind ums Leben gekommen. Nach der Entscheidung der USA zum Abzug ihrer Truppen leitete auch die Nato und somit auch Deutschland im Frühjahr 2021 das Ende des Einsatzes am Hindukusch ein – begleitet von viel Kritik und mit der Folge, dass die islamistischen Taliban wie vor 2001 die Macht im Land übernommen haben.

Mit welchen Fragen wird die Enquete-Kommission sich beschäftigen?

Wir werden zum einen den militärischen Einsatz beleuchten: Wie konnte die Bundeswehr den Einsatz bewältigen? Wie war sie ausgestattet? Wie klar hat der Bundestag ihr ihre Aufgabe vorgegeben? Es wird aber nicht nur um das rein Militärische gehen. Wir werden uns auch die Vernetzung zu den zivilen und humanitären Partnern vor Ort genau anschauen. Und uns fragen, wie wir unseren Anspruch, in Afghanistan rechtsstaatliche Strukturen aufzubauen, umsetzen konnten.

Neben der Enquete-Kommission gibt es auch einen Untersuchungsausschuss, der sich mit dem Afghanistan-Einsatz beschäftigt. Wo liegen die Unterschiede zwischen den beiden Gremien?

Der Unterschied liegt vor allem in dem jeweiligen Zeitraum, den wir betrachten. Der Untersuchungsausschuss nimmt sich die Schlussphase des Einsatzes vor, die letzten eineinhalb bis zwei Jahre: Wie war da die Situation vor Ort? Wie ist es zu diesem Abzug gekommen, der die schlimmen Bilder hervorgebracht hat, die wir alle noch vor Augen haben? Da sind Menschen in großer Angst vor diesem Taliban-Regime geflohen, das sich so schnell wieder etabliert hat. Es wird die Kernaufgabe des Untersuchungsausschusses sein zu untersuchen, wie es dazu kommen konnte, wie die Entscheidungsstrukturen waren, wer dafür verantwortlich war.

In der Enquete-Kommission dagegen werden wir den gesamten Zeitraum des Einsatzes untersuchen, die ganzen 20 Jahre. Wir wollen dabei nicht nur zurück schauen, sondern vor allem aus dem Blick in die Vergangenheit Schlussfolgerungen für zukünftige Einsätze ziehen: Was ist gut gelaufen, was schlecht? Was müssen wir bei Auslandseinsätzen in Zukunft verbessern? Wir sind an vielen Stellen engagiert, etwa in Mali oder im Irak. Auch für diese Einsätze ist es wertvoll zu schauen: Wie muss die Bundeswehr, wie müssen die zivilen Kräfte ausgestattet sein? Welchen Auftrag müssen sie bekommen, um ihre Aufgaben besser erledigen zu können?

Natürlich werden wir uns mit dem Untersuchungsausschuss eng austauschen und gegenseitig auf unsere Ergebnisse zurückgreifen. Aber unsere Abschlussberichte werden sehr unterschiedlich ausfallen, da wir eben unterschiedliche Untersuchungsaufträge haben.

Die Enquete-Kommission besteht aus zwölf Abgeordneten und zwölf Sachverständigen. Was sind das für Experten, die Sie in der Kommission unterstützen?

Das ist eine Besonderheit von Enquete-Kommissionen: Hier sind die Sachverständigen den Abgeordneten gleichgestellt. Sie werden nicht nur als Experten angehört, sondern dürfen auch mit abstimmen.

Die Experten in unserer Enquete-Kommission kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen und Lebenssituationen. Das spiegelt unseren Auftrag wider, eben nicht nur den militärischen Teil des Einsatzes zu beleuchten, sondern auch die zivilen und humanitären Aspekte. Wir haben Vertreter der Bundeswehr in der Kommission, etwa ehemalige Generäle und den Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes. Aber wir haben auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dabei, Stiftungen, die sich mit Afghanistan beschäftigt haben, das Friedensforschungsinstitut, Menschen, die eine große Nähe zu den zivilen Kräften vor Ort hatten oder die sogar selbst den zivilen Einsatz unterstützt haben. Da kommt also ein wirklich großes Spektrum an Meinungen und Sichtweisen zusammen.

Welche konkreten Ziele haben Sie sich für Ihre Arbeit in der Kommission gesetzt?

Zwei Themen werden von besonderer Bedeutung sein: Erstens der vernetzte Auftrag. Wir haben den Anspruch, dass wir unsere Kräfte vor Ort koordiniert vorgehen lassen, dass es also eine Vernetzung gibt zwischen den unterschiedlichen Ressorts und zwischen der Bundeswehr und den zivilen Kräften vor Ort. Wir werden uns genau anschauen, wie das funktioniert hat, ob dieser Anspruch wirklich umgesetzt werden konnte.

Das zweite ist der Ausblick. Die Schlussfolgerungen zu Afghanistan müssen in die Zukunft gerichtet sein, so dass wir möglicherweise bei gegenwärtigen und zukünftigen Einsätzen das eine oder andere besser machen können – und vor allen Dingen vermeiden, dass es noch einmal so einen Abzug gibt, wie wir ihn in Afghanistan erlebt haben.

Wann ist denn mit den Ergebnissen Ihrer Enquete-Kommission zu rechnen?

Der Bundestag hat in seinem Einsetzungsbeschluss festgehalten, dass wir möglichst bis zum Sommer 2024 fertig werden sollen. Unter den Mitgliedern der Kommission halten wir es aber für sehr wahrscheinlich, dass wir länger brauchen werden, weil es doch ein sehr umfangreicher Auftrag ist, den wir zu bewältigen haben. Wir werden aber sicher innerhalb dieser Legislaturperiode zu einem Abschluss kommen.

(jk)

Erklärvideo Enquete-Kommission

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