Schutz indigener Völker Welche Rolle spielt Deutschland?
Der Schutz indigener Völker ist wichtig – auch für die Umwelt. Welche Rolle Deutschland dabei spielen kann, damit hat sich der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beschäftigt.
Weltweit gibt es etwa 5.000 indigene Völker, die in 90 Staaten rund um die Welt leben. „Indigen“ – der Begriff kommt aus dem Lateinischen und bedeutet etwa „in einem bestimmten Gebiet geboren“. Für den Begriff „indigene Völker“ gibt es keine allgemein anerkannte Definition. Aber die Vereinten Nationen haben einige Kriterien formuliert, die die Eigenschaften der indigenen Völker beschreiben. Dabei geht es besonders auch um ihr Selbstverständnis.
Das macht indigene Völker aus
Indigene Völker sind Nachfahren der Erstbewohner eines Gebiets. Im Englischen werden sie deshalb auch „First Nations“ genannt. Sie identifizieren sich selbst als eine vom Rest der Gesellschaft abgegrenzte Gruppe und wollen ihre kulturellen Besonderheiten, die sich von der nationalen Bevölkerung im Land unterscheidet, bewahren.
Diese Völker haben Unterdrückung, Diskriminierung, Ausgrenzung und Enteignung erfahren, einige wurden sogar ausgerottet. Oft werden die indigenen Völker in den Staaten, in denen sie leben, vom politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben ausgeschlossen.
Bedrohung durch Klimawandel und Globalisierung
Die Globalisierung und der Klimawandel haben besonders starke Auswirkungen auf das Leben und den Lebensraum der indigenen Völker. Denn ihr Lebensraum wird durch die Agrar- und Rohstoffindustrie bedroht. So werden beispielsweise Teile des Regenwaldes in Brasilien, in dem indigene Völker beheimatet sind, abgeholzt, um dort Weideflächen für Vieh zu schaffen.
Die indigene Bevölkerung ist in ihrer Lebensweise besonders naturverbunden und sie wissen traditionell viel über Pflanzen, Tiere und Ökosysteme: Sie schützen rund 80 Prozent der weltweiten Biodiversität.
Ratifikation der ILO-Konvention 169
2021 hat Deutschland das Übereinkommen 169 über indigene Völker der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ratifiziert. 2022 trat die Ratifikation in Kraft.
Es ist das einzige internationale rechtlich bindende Vertragsrecht, das einen umfassenden Schutz der Rechte indigener Völker enthält. Es stammt aus dem Jahr 1989 und wurde bislang von 24 Staaten ratifiziert. Die Konvention hält beispielsweise fest, dass es Aufgabe der Regierungen sei, die Verwirklichung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte dieser Völker unter Achtung ihrer sozialen und kulturellen Identität und ihrer Bräuche zu fördern.
UN-Resolution stellt Rechte gleich
Außerdem gibt es eine UN-Erklärung aus dem Jahr 2007, die sich ebenfalls mit den Rechten der indigenen Völker beschäftigt. Genau genommen stellt sie die Rechte indigener Völker denen anderer Völker rechtlich gleich. In der Resolution wird erklärt, dass indigene Völker zur Vielfalt der Kulturen beitragen und nicht aufgrund ihrer Traditionen diskriminiert werden dürfen. Über die UN-Erklärung haben wir auch mit dem Rechtswissenschaftler Helmut Aust im Interview gesprochen.
Gespräch im Ausschuss
Kürzlich hat sich der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in einer öffentlichen Sitzung mit dem Schutz indigener Völker befasst, in der die Bundesregierung über den Stand der Umsetzung der ILO-Konvention 169 berichtete. Außerdem war Ivo Cípio Aureliano, ein brasilianischer Anwalt, der auf die Rechte der indigenen Bevölkerung spezialisiert ist, zu der Sitzung eingeladen. Und auch die Direktorin der ILO-Repräsentanz Deutschland, Annette Niederfranke, sprach im Ausschuss.
„Ratifikation ist wichtiges Zeichen“
Die Ratifikation der Konvention durch die Bundesrepublik sei ein wichtiges Zeichen, sagte Bärbel Kofler (SPD), die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Es gehe um das Leben und die Rechte von ungefähr 480 Millionen Menschen, betonte sie. Anhand einiger Beispiele machte Kofler deutlich, was zum Thema ILO-Konvention 169 in Deutschland passiere. So habe man etwa im Dezember 2022 auf der Biodiversitäts-Cop, der Weltnaturkonferenz, 85 Millionen Euro zugesagt, um indigene Völker und Gemeinschaften im Rahmen des Biodiversitätsschutzes zu stärken.
Umwelt erhalten und schützen
Die ILO-Konvention 169 erkenne die Bestrebungen indigener Völker an, ihre Lebensgrundlagen, Identität, Sprache und Religion zu bewahren, sagte Annette Niederfranke. Zudem stelle die Konvention fest, dass diese Völker in vielen Teilen der Welt nicht in der Lage seien, ihre grundlegenden Menschenrechte in gleichem Umfang auszuüben wie die übrige Bevölkerung der Staaten, in denen sie leben. Niederfranke sagte, man wolle, dass möglichst viele Länder diese Konvention ratifizieren. In Afrika und Asien habe dies aber bislang nur jeweils ein Land getan. Eine Ratifzierungskampagne sei deshalb wichtig. Außerdem hob Niederfranke die Bedeutung der Konvention für die Umsetzung von Klimamaßnahmen hervor.
Neue brasilianische Regierung bemüht sich um Recht Indigener
Der Anwalt Ivo Cípio Aureliano sprach darüber, dass die ILO-Konvention 169 ein wichtiges Instrument beim Schutz der indigenen Bevölkerung sei.
Außerdem berichtete er, dass sich die neue brasilianische Regierung unter Luiz Inácio Lula da Silva verpflichtet habe, die Rechte der indigenen Völker zu schützen. Es gebe nun sogar zum ersten Mal in der brasilianischen Geschichte ein Ministerium für indigene Völker. Aureliano merkte aber auch an, dass die Regierung von Präsident Lula da Silva ohne eigene Mehrheit im Parlament regiere und es ihr daher an Kraft fehle.
Viele Abgeordnete wollten die indigenen Rechte aus der brasilianischen Verfassung streichen, so Aureliano. Sie wollten zum Beispiel erreichen, dass Schutzgebiete der Indigenen wieder geöffnet würden, um die Flächen für die Landwirtschaftsindustrie zu nutzen.
Die Regierung setze sich aber trotzdem für die Demarkierung der Gebiete und für den Schutz der Umwelt ein. Zur Erklärung: Im Rahmen der Demarkierung werden die Grenzen des Landes, das von einem indigenen Volk bewohnt wird, abgesteckt. Diese Demarkierung ist Voraussetzung dafür, dass die Territorien vom Staat anerkannt werden.
Schutz des Lebensraums und des Regenwaldes
Aureliano berichtete, dass es in den vergangenen vier Jahren, unter der vorherigen Regierung, viel Gewalt gegen die indigenen Völker gegeben habe. Nun würde man zum Beispiel darum kämpfen, mehr als 20.000 illegale Gold- und Diamantenschürfer aus den Gebieten der Yanomami, einer indigenen Volksgruppe aus dem Amazonasgebiet, herauszubekommen. Mit der neuen brasilianischen Regierung sei der Moment gekommen, in dem man dagegen etwas unternehmen könne.
Indigene Völker und die globalen Lieferketten
Es sei wichtig, dass andere Länder vom brasilianischen Staat forderten, dass er die Rechte der indigenen Völker achte, betonte der Anwalt. Er bat die Bundesregierung, auch mit Blick auf das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, auf den Schutz indigener Völker zu achten. Das Gesetz ist Anfang 2023 in Kraft getreten. Es regelt die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in den globalen Lieferketten. Und auch bei Handelsabkommen und Finanzierungsmechanismen, die Auswirkungen auf das Leben indigener Völker haben, müsse es Schutzmaßnahmen geben, fügte Aureliano hinzu.
Die Ausschusssitzung könnt ihr euch im Video ansehen, weitere Informationen findet ihr auf bundestag.de.