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Ost- und Westdeutschland Wie groß sind die Unterschiede?

Mariia Bolshakova

Die Wiedervereinigung Deutschlands ist mehr als dreißig Jahre her. Welche Unterschiede existieren dennoch zwischen Ost- und Westdeutschland? Über diese Frage diskutierten die Abgeordneten neulich im Plenum.

Im Vordergrund ist die Berliner Mauer zu sehen, durch ein Loch in der Mauer sieht man einen jungen Fahrradfahrer.

Die Teilung Deutschlands ist lang her. Die Lebensverhältnisse der Menschen in Ost- und Westdeutschland haben sich aber immer noch nicht vollständig angeglichen. © shutterstock/ Tossapol Chaisamritpol

Wie steht es um die Energiewende in den neuen Bundesländern? Und wie haben sich Arbeitslosigkeit und Lohnniveau entwickelt? Diese und andere Fragen werden im Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit beantwortet. Über den Bericht, der 2021 veröffentlicht wurde und noch aus der vergangenen Legislaturperiode stammt, debattierten die Abgeordneten Mitte Oktober im Bundestag.

Außerdem beschäftigten sich die Fraktionen mit dem aktuellen Bericht von Carsten Schneider (SPD), dem Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland. Mehr über das Amt von Carsten Schneider könnt ihr hier im Interview lesen.

Wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland

Die meisten Regionen in den neuen Bundesländern befänden sich noch immer in einer wirtschaftlich schwächeren Position, heißt es im Bericht der Bundesregierung von 2021. Zu den neuen deutschen Bundesländern gehören übrigens Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. In einigen Fällen wird im Bericht auch Berlin dazu gezählt. Die Wirtschaftskraft der neuen Bundesländer und Berlins habe sich aber zwischen 2010 und 2020 von 76 Prozent auf 81 Prozent des Bundesdurchschnitts erhöht.

Die strukturschwächsten Regionen Deutschland liegen laut Bericht immer noch in den neuen Ländern. Strukturschwach bedeutet etwa, dass es in diesen Gebieten wenig Arbeitsmöglichkeiten gibt, weil sich kaum Firmen dort ansiedeln. Im Bericht steht aber auch, dass einige Regionen in Ostdeutschland wirtschaftlich deutlich aufgestiegen sind, sodass man nicht mehr von einer „flächendeckenden Strukturschwäche“ sprechen könne.

Unterstützung der neuen Länder

Die Bundesregierung unterstützte diese Regionen mit finanziellen Programmen. Im Jahr 2020 seien den strukturschwachen Regionen deutschlandweit 1,7 Milliarden Euro zugekommen. So werde beispielsweise die Entwicklung von Unternehmen oder der infrastrukturelle Ausbau dieser Regionen gefördert. Außerdem hat die ehemalige Bundesregierung beschlossen, Arbeitsplätze des Bundes vorranging in diesen strukturschwachen Regionen anzusiedeln. So sollen laut Bericht in den kommenden Jahren rund 10.000 neue Arbeitsplätze in den neuen Ländern und in Berlin geschaffen werden.

Dabei geht es auch darum, Arbeitsplätze in den Kohleregionen zu schaffen. Denn auch die Energiewende solle laut Bericht in den ostdeutschen Ländern vorangetrieben werden. Braunkohle spielt in den neuen Ländern aber teilweise noch eine wichtige Rolle – in der Energieversorgung und weil viele Arbeitsplätze mit ihrem Abbau verbunden sind. Der Bund wolle deshalb bis 2038 eine Summe von 41 Milliarden Euro für den Strukturwandel der Kohleregionen zur Verfügung stellen.

Umgang mit der DDR-Vergangenheit

Seit 1990 sei viel geschehen, um die Altlasten der ehemaligen DDR zu beseitigen und das Erbe der Diktatur aufzuarbeiten, heißt es im Bericht. Die Erinnerung an diese Zeit sei Teil der gesamtdeutschen Geschichte. Dazu gehöre die Auseinandersetzung mit der Diktatur, aber auch die Erfahrung eines erfolgreichen Widerstands gegen diese Diktatur.

Politische Einstellungen in Ost und West

Laut Bericht ließen sich immer noch große Unterschiede zwischen den neuen und alten Bundesländern feststellen, wenn es um politische Einstellungen gehe. Kennzeichnend sei beispielsweise eine „durchgängig skeptischere, distanziertere und auch kritischer ausgeprägte Grundeinstellung gegenüber Politik“.

Am 14. Oktober berieten die Abgeordneten in einer ungefähr 40-minütigen Debatte über die beiden Veröffentlichungen und einen Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „32 Jahre Deutsche Einheit – Schutzschirm gegen Inflation und Armut spannen, Lohn- und Renteneinheit herstellen“. Die wichtigsten Standpunkte der Fraktionen haben wir für euch zusammengefasst.

SPD: Ostdeutsche nur sehr selten Führungspositionen

Er habe die Zivilgesellschaft stärker miteinbinden wollen, betonte Carsten Schneider (SPD), der Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland. Deshalb habe er für seinen Bericht im Gegensatz zum üblichen Jahresbericht 16 Gastautorinnen und -autoren eingeladen, über die Situation in Ostdeutschland zu schreiben. Die Beiträge zeigten Herausforderungen auf, aber auch die gute Entwicklung Ostdeutschlands.

Ein Problem in Ostdeutschland seien weiterhin niedrige Einkommen oder die Tatsache, dass Ostdeutsche nur sehr selten Führungspositionen bekleideten.

CDU/CSU: „Defizite an Wohlstand ausgleichen”

Friedrich Merz von der CDU/CSU-Fraktion sagte, man müsse vor allem über die deutlich abnehmende Zustimmung zu Demokratie und Marktwirtschaft sprechen. Diese Entwicklung sei für ganz Deutschland und besonders für den Osten besorgniserregend.

Merz machte Vorschläge, wie man diesem Problem begegnen könne: indem man zuhöre und anerkenne, dass Menschen in Ostdeutschland andere Lebenserfahrungen mitbrächten; indem man darüber spreche, wie man das große Defizit an Vermögen im Osten ausgleichen könne und indem man Sport und Kultur im Osten besonders fördere.

Grüne: „Hotspot für Investoren”

Der Osten Deutschlands werde inzwischen von internationalen Investoren wie Tesla oder Intel als Hotspot wahrgenommen, sagte Michael Kellner, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz. Das sei auch auf die vielen erneuerbaren Energien zurückzuführen, und es sei deshalb umso wichtiger, am Kohleausstieg festzuhalten.

Um Existenzen und Jobs zu sichern, sei es außerdem essenziell, Haushalte und Firmen im Hinblick auf die Energiepreise zu entlasten. Das geschehe derzeit mithilfe von drei Entlastungspaketen der Bundesregierung. Kellner stimmte außerdem mit Merz überein, dass man an der Vermögensbildung im Osten arbeiten müsse.

FDP: „Inflationsbekämpfung als große Priorität”

Linda Teuteberg von der FDP-Fraktion betonte, dass besonders die Menschen in Ostdeutschland wüssten, dass Strom nicht aus der Steckdose und Wohlstand nicht aus der Geldpresse komme. Deshalb hätten sie ein gutes Gespür dafür, was in der aktuellen Situation zu tun sei. Inflationsbekämpfung sei eine große Priorität, aber auch weniger Bürokratie, ein Planungsrecht, das mehr ermögliche als verhindere. Außerdem benötige man Regulierungen, die von Existenzgründern und dem Mittelstand bewältigt werden könnten, betonte Teuteberg.

AfD: „Den Ostdeutschen dankbar sein”

Die ältere Generation der Ostdeutschen habe sich mit viel Fleiß und Durchhaltevermögen über die Jahre etwas Wohlstand erarbeitet, sagte Leif-Erik Holm von der AfD-Fraktion. Nun müsse sie mitansehen, wie durch „völlig irrsinnige Politik“ alles kaputtzugehen drohe. Man könne den Ostdeutschen dankbar sein, dass sie deshalb auf die Straßen gingen, so Holm. Sie hätten nichts gegen Demokratie, sondern wollten eine echte Demokratie für alle.

Linke: „Schutzschirm gegen Inflation und Armut”

Die Energiekrise treffe die Menschen im Osten viel stärker als viele im Westen, betonte Dietmar Bartsch von der Linksfraktion. Die Menschen im Osten hätten geringere Löhne, weniger private Vermögen und weniger Rücklagen bei Unternehmen. Es müsse dringend gehandelt werden. Die Bundesregierung sei aber zu langsam. Es brauche Lohneinheit sowie einen Schutzschirm gegen Inflation und Armut, so Bartsch abschließend.

Die komplette Bundestagsdebatte seht ihr hier im Video, das Protokoll findet ihr wie immer auf bundestag.de.

Mitmischen-Autorin

Mariia Bolshakova

Mariia kommt aus Russland und hat dort Jura studiert. In Deutschland absolviert sie gerade ihr Masterstudium. Sie macht gerne Fotos von „einsamen“ Luftballons.

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