Sondersitzung des 20. Deutschen Bundestages Debatte über Grundgesetzänderung und Sondervermögen
Der 20. Deutsche Bundestag hat am Donnerstag, den 13. März 2025, in erster Lesung mehrere Gesetzentwürfe zur Änderung des Grundgesetzes beraten.

Der 20. Deutsche Bundestag kam 18 Tage nach der Bundestagswahl zum 21. Deutschen Bundestag für eine Sondersitzung zusammen. © IMAGO / Future Image
Im Mittelpunkt der Debatte stand ein von den Fraktionen von SPD und CDU/CSU eingebrachter Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes. Mit dem Entwurf wollen die beiden Fraktionen Verteidigungsausgaben ab einer bestimmten Höhe von den Regeln der Schuldenbremse ausnehmen, ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur einrichten und den Ländern einen Verschuldungsspielraum für ihre Haushalte einräumen. Die Vorschläge sind das Ergebnis der Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD. Die drei Parteien haben nach der Bundestagswahl am 23. Februar inzwischen Koalitionsverhandlungen aufgenommen.
Im Fokus der Debatte stand zum einen das Verfahren. Insbesondere Vertreter von AfD, Die Linke und BSW kritisierten, dass die Grundgesetzänderungen noch in der laufenden 20. Legislaturperiode umgesetzt werden sollen. Der 21. Deutsche Bundestag konstituiert sich am 25. März.
Zum anderen ging es um inhaltliche Differenzen. Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und FDP hatten jeweils eigene Gesetzentwürfe vorgelegt, die beide Grundgesetzänderungen für höhere Verteidigungsausgaben vorsehen. Für ihre weitergehenden Vorschläge warben Vertreter von Union und SPD vor allem um die Unterstützung der Grünen. Für eine Grundgesetzänderung ist im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Union und SPD verfügen zusammen nicht über die erforderlichen Stimmen. Auch im Bundesrat ist eine Zweidrittelmehrheit nötig.
SPD: „Historische Chance“ nicht verspielen
SPD-Fraktionsvorsitzender Lars Klingbeil warb eindringlich für den Vorstoß von SPD und Union. Er verwies - wie auch in der Begründung des Gesetzentwurfs - auf die turbulente internationale Lage, es seien „außergewöhnliche Zeiten“. Die Nachkriegsordnung sei ins Wanken geraten, eine neue Ordnung sei noch nicht da. Europa müsse sein Schicksal stärker in die eigenen Hände nehmen, sagte der Sozialdemokrat: „Auf Deutschland kommt eine Führungsrolle zu – und die müssen wir ausfüllen.“
Damit Deutschland ein starkes Land in Europa sein könne, dürfe man nicht nur in die Sicherheitspolitik investieren. „Investitionen in unsere Sicherheit und in die Infrastruktur unseres Landes - das gehört zusammen, das eine wird es ohne das andere nicht geben“, sagte Klingbeil. Die Schritte, die man mit den Änderungen im Grundgesetz gehen wolle, seien „historisch“. Er warb insbesondere bei den Grünen um Unterstützung für das Vorhaben und zeigte sich zuversichtlich, dass es zu einer Einigung kommen werde. Diese „historische Chance“ dürfe nicht leichtfertig verspielt werden. „Wenn die Geschichte anklopft, muss man die Tür öffnen, weil man niemals weiß, ob es vielleicht eine zweite Chance dafür gibt", mahnte der SPD-Chef.
CDU/CSU: Abschreckung muss „glaubwürdig militärisch unterlegt werden“
Auch der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Friedrich Merz, betonte die Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung noch in der laufenden Legislaturperiode mit dem 20. Deutschen Bundestag. Diese duldete „keinen Aufschub“, so der Christdemokrat, den absoluten Vorrang habe die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit. „Das Wort Abschreckung muss jetzt schnell und glaubwürdig militärisch unterlegt werden. Jede weitere Verzögerung wäre unverantwortlich“, sagte Merz. Für diese „nationale Kraftanstrengung“ müsse auch die wirtschaftliche Grundlage gelegt werden, sagte der Fraktionschef mit Blick auf das vorgeschlagene Sondervermögen. „Mit dieser Volkwirtschaft, so wie wir sie gegenwärtig haben, ist diese Aufgabe nicht zu leisten“. Es gehe nicht darum, „Geld für nichts und wieder nichts“ auszugeben, „sondern wir wollen das eingebettet sehen in eine umfassende Reformagenda für unser Land“.
Merz ging in der Debatte auf die Grünen zu und stellte Änderungen am Gesetzentwurf von SPD und Union in Aussicht. So schlug er vor, 50 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für den Klima- und Transformationsfonds zur Verfügung zu stellen. Dies sei ein sehr konkretes Angebot. „Was wollen sie eigentlich in so kurzer Zeit noch mehr als das, was wir ihnen jetzt in den Gesprächen vorgeschlagen haben?“, fragte Merz in Richtung Grüne. „Ist Scheitern aus ihrer Sicht eine ernsthafte Option?“
Grüne: Paketlösung ist eine „willkürliche Entscheidung“
Die Co-Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Katharina Dröge, unterstrich die skeptische Haltung ihrer Fraktion. Sie kritisierte, dass auch in dem von Merz angekündigten Änderungsantrag nicht festgeschrieben sei, dass das Geld aus dem Sondervermögen für zusätzliche Investitionen verwendet werden müsse, obwohl SPD-Fraktionschef Klingbeil dies in seiner Rede betont habe. Wer das ernst meine, „der hätte kein Problem damit, das Wort Zusätzlichkeit ins Grundgesetz zu schreiben“, kritisierte Dröge. Es sei auch merkwürdig, dass es an den Grünen sei, für die Berücksichtigung des Klimaschutzes zu kämpfen. „Machen Sie das nicht zu unserem Privatproblem“, so die Grünen-Abgeordnete.
Dröge betonte, dass die außen- und sicherheitspolitische Lage herausfordernd und gefährlich sei und Handeln erfordere. Die Grünen würden bei diesem Thema auch zu schnellen Entscheidungen bereit. Sie kritisierte es aber als „willkürliche Entscheidung“, diese Grundgesetzänderungen ein Paket zu packen. Dafür gebe es keinen sachlichen Grund, Grund sei vielmehr, dass sich Union und SPD gegenseitig nicht vertrauten. Dröge erklärte, die Fraktion sei bereits, das, was dringlich sei, sofort anzugehen. Das, was notwendig sei, wolle man mit der gebotenen Sorgfalt angehen, sagte die Abgeordnete mit Verweis auf eine Reform der Schuldenbremse. „Wenn Sie das anders machen wollen, dann spiele Sie mit der Sicherheit unseres Landes“, so Dröge.
FDP: CDU-Chef plant „linke Wirtschaftspolitik“
FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Dürr warf Friedrich Merz „Wortbruch“ vor. Mit dem Finanzpaket würden Union und SPD die Schuldenbremse de facto abschaffen, kritisierte der Liberale. Zwar sei es richtig, dass Deutschland mehr für seine Verteidigungsfähigkeit tun müsse, um seinen Verpflichtungen gegenüber Nato und EU nachzukommen. „Krieg und Frieden“ dienten Union und SPD aber nur als Begründung für eine andere wirtschaftspolitische Agenda. „Sie planen eine linke Wirtschaftspolitik für Deutschland“, kritisierte Dürr. Der Abgeordnete verwies auf den Gesetzentwurf seiner Fraktion. Dieser sei eine maßvolle und effektivere Alternative zu den Vorschlägen von SPD und Union. „Unbefristet einfach mehr Schulden zuzulassen, das ist eine Aufweichung verantwortungsvoller Haushaltspolitik“, kritisierte Dürr.
AfD: „Skrupeloser Angriff auf die Verfassung“
AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel ging insbesondere Friedrich Merz scharf an. „Noch kein Bewerber um das Kanzleramt hat in so kurzer Zeit so viele Wahlversprechen gebrochen wie Sie“, sagte Weidel. Merz werde als „Totengräber der Schuldenbremse“ in die Geschichte eingehen. Der Christdemokrat opfere bedenkenlos den Wohlstand der Bürger, „um auf Biegen und Brechen Kanzler zu werden“, schimpfte die Abgeordnete. Sie kritisierte auch das Vorhaben, die Grundgesetzänderungen noch in der laufenden Legislaturperiode umsetzen zu wollen, obwohl ein neuer Bundestag bereits gewählt sei. Das sei ein „skrupelloser Angriff auf die Verfassung und die demokratische Legitimität“. Die geplante Verschuldung sei eine „gigantische Hypothek, mit der sie sich an den kommenden Generationen versündigen, die für diese Ausgaben gerade stehen müssen“: Der „finanzpolitische Staatsstreich“ habe sich zudem bereits negativ auf deutsche Staatsanleihen ausgewirkt, es müssten nun höhere Zinsen gezahlt werden, kritisierte Weidel. Die Begründung für die Grundgesetzänderung wies die AfD-Abgeordnete zurück. „Sie beschwören eine angeblich plötzlich veränderte Weltlage und schüren Kriegspanik, um die Bürger einzuschüchtern und gefügig zu machen“, kritisierte Weidel.
Die Linke kritisiert „Blankoscheck für Aufrüstung“
Für die Gruppe Die Linke kritisierte Heidi Reichinnek das Verfahren. Es sei „zutiefst undemokratisch“, dass noch in der laufenden Wahlperiode über drei Grundgesetzänderungen mit einem Finanzvolumen von bis zu 1.000 Milliarden Euro abgestimmt werden solle. Reichinnek warb für eine Reform oder Abschaffung der Schuldenbremse. Den Vorschlag von Union und SPD werde die Linke ablehnen, handle es sich doch um einen „Blankoscheck für Aufrüstung“.
BSW: „Größter Wahlbetrug in der Geschichte“
Ähnliche Kritik an Verfahren und Inhalt äußerte Sahra Wagenknecht für die Gruppe BSW. Sie sprach von einer „neuen Etappe im Niedergang unserer Demokratie“. Es werde das „wahnwitzigste Aufrüstungspaket und der größte Wahlbetrug in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ behandelt, kritisierte Wagenknecht.
Die Debatte in voller Länge:
Dieser Beitrag erschien zuerst auf bundestag.de.