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Pandemie Bundestag stimmt gegen Corona-Impfpflicht

Die Frage einer möglichen Impfpflicht wird seit Wochen heiß diskutiert. Heute hat der Bundestag über vier Vorschläge abgestimmt. Keiner bekam eine Mehrheit. Das heißt im Klartext: Eine Impfpflicht wird es nicht geben.

Abstimmung im Deutschen Bundestag, Abgeordnete an der Urne

Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gab im Bundestag seine Stimme ab. Der Gesetzentwurf, den er befürwortet hatte, setzte sich aber nicht durch. © picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

Obwohl die meisten Corona-Maßnahmen vor Kurzem aufgehoben wurden, beschäftigt die Pandemie uns weiter. Die Zahl der Erkrankten ist hoch und nach wie vor diskutieren Politikerinnen und Politiker heftig darüber, wie mit der Pandemie umzugehen ist und wie eine neue Corona-Welle im Herbst verhindert werden kann.

Eine Frage, die in den letzten Wochen besonders kontrovers besprochen wurde, ist die einer möglichen Impfpflicht. Soll der Staat die Menschen dazu verpflichten, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen, um die Pandemie zu stoppen – oder wäre das ein unzulässiger Eingriff in die Freiheit des Einzelnen?

Diese Frage wurde im Bundestag zur Gewissensfrage erklärt. Das bedeutet, dass die Abgeordneten ohne Fraktionsdisziplin darüber abstimmen können, frei nach ihrem eigenen Gewissen. Die Abstimmung fand heute statt. Vier Vorlagen standen den Abgeordneten dabei zur Auswahl.

Vorschlag 1: Impfpflicht ab 60 und Beratungspflicht

Dieser Vorschlag kam von einer fraktionsübergreifenden Gruppe. Ursprünglich waren es sogar zwei Gruppen, die zwei unterschiedliche Gesetzentwürfe erarbeitet hatten. Da aber voraussichtlich keiner dieser beiden Vorschläge die nötige Mehrheit erreicht hätte, haben die beiden Gruppen sich zusammengetan.

Sie schlugen gemeinsam eine Impfpflicht für alle Menschen ab 60 vor, die zum 15. Oktober 2022 greifen sollte. Außerdem sah der Entwurf eine verpflichtende Impfberatung für alle ab 18 vor.

Für diese Gruppe sagte Dagmar Schmidt (SPD) im Plenum: „Wir werden im Herbst wieder vor derselben Herausforderung stehen wie im letzten Jahr.“ Deshalb müsse man schon jetzt Vorsorge treffen und „die Impflücke schließen“, also dafür sorgen, dass deutlich mehr Menschen geimpft würden als bisher. Das Ziel des Entwurfs sei, die älteren Menschen zu schützen und eine „hohe Grundimmunität“ unter Erwachsenen zu erreichen, um zu einem „normalen Umgang“ mit dem Virus zu kommen.

Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach im Bundestag. Er sagte, die aktuelle Virus-Variante Omicron sei nur deshalb relativ mild im Verlauf, weil schon viele Menschen geimpft seien. „Sonst hätten wir jetzt eine lupenreine Katastrophe und wären im völligen Lockdown“, so der Minister. „Wollen wir uns daran gewöhnen, dass jeden Tag 200 oder 300 Menschen sterben?“, fragte Lauterbach – und verneinte das. Mit einer Impfpflicht ab 60 könne man 90 Prozent der Todesfälle verhindern.

Andrew Ullmann (FDP) betonte den Aspekt der verpflichtenden Beratung. Er als Arzt nehme Sorgen hinsichtlich einer Impfung sehr ernst. Es sei wichtig, die Menschen ärztlich aufzuklären, „nicht durch Telegram-Gruppen“. Die Impfung sei das einzige „wissenschafltlich fundiertes Mittel“ gegen die Pandemie, eine Impfung deshalb eine „gesellschaftliche Verantwortung“.

296 Abgeordnete stimmten für den Entwurf, 378 dagegen, es gab 9 Enthaltungen.

Vorschlag 2: Impfregister und „Impfmechanismus“

Die CDU/CSU-Fraktion schlug in ihrem Antrag ein Impfvorsorgegesetz vor. Das sieht zum einen ein Impfregister und eine verstärkte Impfkampagne vor. Das Register sollte eine zuverlässige Datengrundlage schaffen und es ermöglichen, Ungeimpfte gezielt anzusprechen und zu beraten. Zum anderen sah der Antrag einen „gestaffelten Impfmechanismus“ vor. Der Bundestag sollte diesen Impfmechanismus in Abhängigkeit verschiedener Kriterien auslösen können, wenn es nötig ist. Kriterien wären zum Beispiel gewesen: Wie gefährlich ist eine Virus-Variante? Wie übertragbar? Wie wirksam ist der verfügbare Impfstoff? Wäre der Impfmechanismus ausgelöst worden, dann hätten bestimmte Personengruppen, etwa Menschen über 60 beziehungsweise 50 oder gewisse Berufsgruppen wie Lehrkräfte oder Polizisten, zu einer Impfung verpflichtet werden können.

Tino Sorge (CDU/CSU) sagte im Plenum zur Impfpflicht: „Man kann das nicht sofort entscheiden: ja oder nein“, es komme auf die Umstände an. Momentan gingen die Zahlen der Corona-Infizierungen glücklicherweise zurück, was im Herbst kommen werde, wisse niemand. Deshalb ein Entwurf, der ein Abwägen im Herbst ermögliche, angemessen.

Seine Kollegin Nina Warken ergänzte später, der Entwurf für eine Impfpflicht ab 60 werde, sollte er eine Mehrheit finden, ohnehin vom Verfassungsgericht „einkassiert“ werden, das könne nicht das Ziel sein.

Für den Antrag der Union stimmten 172 Abgeordnete, 496 stimmten dagegen, 9 enthielten sich.

Vorschlag 3: Aufklärung statt Impfpflicht

Ein weiterer Antrag zielte darauf ab, die Impfbereitschaft der Menschen zu erhöhen, ohne sie zur Impfung zu verpflichten. Warum? Zum einen würde eine Impfpflicht stark in die Grundrechte der Menschen eingreifen. Zum anderen seien wichtige Fragen zur Schutzwirkung der Impfung noch nicht geklärt. Solange der Bundestag nicht einmal sagen könne, wie oft sich die Menschen impfen lassen müssten, könne er keine allgemeine Impfpflicht beschließen, hieß es in dem Antrag.

Diesen Antrag hat eine Abgeordnetengruppe um den FDP-Politiker Wolfgang Kubicki eingebracht, der heute auch im Plenum sprach. Der Impfschutz diene dem Selbstschutz, nicht dem Fremdschutz, sagte er. Und zum Selbstschutz dürfe die Bundesregierung die Menschen nicht zwingen. Verfassungsrechtlich sei der Entwurf für eine Impfpflicht „ein Problem“.

85 Abgeordnete stimmten für den Antrag, 590 dagegen, 12 enthielten sich.

Vorschlag 4: Keine Impfpflicht

Die AfD-Fraktion positionierte sich in ihrem Antrag klar gegen eine gesetzliche Impfpflicht. Eine solche wäre unverhältnismäßig und widerspräche dem Grundgesetz, hieß es in dem Antrag. Die AfD forderte die Bundesregierung außerdem dazu auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die ab 15. März 2022 geltende Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal wieder aufhebt.

Alice Weidel (AfD) sagte im Bundestag: „Die Impfpflicht ist nicht nur radikal verfassungsfeindlich, sie ist eine totalitäre Anmaßung, eine Herabwürdigung des Individuums.“ Die vorgeschlagene Impfpflicht ab 60 sei „in Wirklichkeit die Impfpflicht für alle.“ Weidel schloss: „Verlogener geht es nicht.“

Für den Antrag der AfD stimmten 79 Abgeordnete, 606 stimmten dagegen.

Hier seht ihr die hitzige Debatte im Video:

(jk)

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