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Ausstellung im Bundestag Die Berliner Mauer aus anderer Sicht

Naomi Webster-Grundl

Die Berliner Mauer war eines der meistfotografierten Bauwerke der Welt – meist von der Westseite aus. Nun zeigt eine Ausstellung im Bundestag die Mauer auch von der Ostseite und verdeutlicht, welch großen Einfluss sie auf das Leben unzähliger Menschen auf beiden Seiten hatte.

An einer grauen Betonwand sind schwarz-weiß, zensierte Porträts von Männern in Uniform abgebildet. Zwei junge Frauen stehen vor der Wand und betrachten die Bilder.

Die Grenzbeamten der DDR mussten auf Menschen schießen, die versuchten, über die innerdeutsche Grenze oder die Berliner Mauer zu fliehen. Wenn sie den sogenannten Schießbefehl nicht befolgten, drohte ihnen selbst Strafe. © Naomi Webster-Grundl/mitmischen.de

Zahlreiche Interessierte sind im Mauer-Mahnmal des Deutschen Bundestages zusammengekommen, um bei der Eröffnung der Foto-Ausstellung „Inventarisierung der Macht - Die Berliner Mauer aus anderer Sicht“ dabei zu sein. Früher befand sich hier der Todesstreifen, jetzt steht hier mit dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus eine Liegenschaft des Deutschen Bundestages. 

Der Raum gibt durch die Glasfront den Blick auf die Spree und das Reichstagsgebäude frei, das vor dem Mauerfall in West-Berlin stand. Mittendrin stehen Segmente der ehemaligen Mauer, versehen mit Jahreszahlen und der Anzahl von Menschen, die in den jeweiligen Jahren bei Fluchtversuchen zu Tode kamen. Diese Mauersegmente befinden sich als Teil des Mauer-Mahnmals immer in diesem Raum. Durch die neue Ausstellung der Schriftstellerin Annett Gröschner und des Fotografen Arwed Messmer bietet sich den Besuchern nun ein Blick auf die Grenze von beiden Seiten der Mauer.

Eine Collage zeigt Aufnahmen aus der Ausstellung „Inventarisierung der Macht“, Besucher sehen sich Bilder an, eine Frau hält eine Rede, ein Lageplan zeigt einen verhinderten Grenzdurchbruch.

Im Mauermahnmal des Deutschen Bundestages hat Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU/CSU) die Ausstellung „Inventarisierung der Macht – Die Berliner Mauer aus anderer Sicht“ eröffnet. © Naomi Webster-Grundl/mitmischen.de / DBT/JF Müller

Allgegenwärtig und doch unsichtbar

Der Ausgangspunkt des Langzeitprojektes waren Fotofilme, die die beiden Künstler im Jahr 1995 im Militärischen Zwischenarchiv in Potsdam zufällig in einem Pappkarton fanden. Fotos der Mauer aus den 1960er-Jahren, als die Mauer noch aus Drahtzäunen, Stacheldraht und Zementplatten bestand – und zwar von der Ostseite aus von DDR-Grenztruppen fotografiert. Es ist reiner Zufall, dass diese Fotofilme noch existierten. Denn in der ehemaligen DDR war die Mauer ein Objekt, das man nicht fotografieren durfte. Aufnahmen, die die Mauer zeigten, wurden entweder zensiert oder vernichtet.

So erzählt Kristina Volke, die Kuratorin der Kunstsammlung des Bundestages, in ihrer Rede, dass sie zwar in der DDR aufwuchs, doch all ihr Wissen, das sie über die Mauer hat, erst aus der Zeit nach dem Mauerfall stammt. Auch Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU/CSU) wuchs in der DDR auf und betont in ihrer Eröffnungsrede, dass die Mauer eines der meistfotografierten Bauwerke der Welt war – aber eben vor allem von der Westseite aus. „Diese Betonmauer war das Instrument eines Unrechtsstaates. Doch die DDR-Bürger haben die Mauer fast nie zu sehen bekommen.“

Schwarz-Weiß Fotografien hängen an Wänden und zeigen Aufnahmen der Berliner Mauer in den 60er-Jahren sowie Maueranlagen und Verteidigungspunkte.

In ihrem Langzeitprojekt dokumentieren der Fotograf Arwed Messmer und die Schriftstellerin Annett Gröschner die Mauer aus verschiedenen Blickwinkeln. © Naomi Webster-Grundl/mitmischen.de

Die Macht der Mauer

Umso wichtiger ist dieses Projekt der Schriftstellerin Annett Gröschner und des Fotografen Arwed Messmer, das die Mauer, wofür sie stand und die Leben, die sie veränderte oder gar beendete, in den Fokus rückt. An den grauen Wänden des Ausstellungsraumes sieht man zensierte Porträtfotos von Grenzbeamten. Es war ihre Aufgabe, auf die Menschen zu schießen, die versuchten, aus der DDR zu fliehen. Dafür wurden die Grenzbeamten in der DDR geehrt. Nach dem Mauerfall wurden dann einige in den sogenannten Mauerschützenprozessen genau dafür strafrechtlich verurteilt, wofür sie vorher Belobigung erfuhren. Diese Entwicklung wird durch Originalakten und literarische Collagen verdeutlicht. Auch einzelne Fluchtgeschichten – geglückte und solche mit tragischem Ende – finden Platz in der Ausstellung. 

Annett Gröschner erklärt in ihrer Eröffnungsrede, dass es ihr Traum gewesen war, die Lügen des DDR-Regimes in Archiven aufzudecken. Allerdings werde unklar bleiben, wie viel Material vernichtet wurde und ob so wesentliche Elemente verloren gingen, die für das Wissen über die deutsch-deutsche Geschichte wichtig gewesen wären. Doch Annett Gröschner und Arwed Messmer haben mit dieser Ausstellung über viele Jahre hinweg ein begehbares Archiv erschaffen, das einen sehr wichtigen Teil dieser Geschichte erzählt.

Die Ausstellung kann bis zum 27. April 2025 im Mauer-Mahnmal des Deutschen Bundestages besucht werden.
Der Eingang befindet sich am Spreeufer des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses, Schiffbauerdamm, 10117 Berlin. Zugang ohne Voranmeldung während der Öffnungszeiten Dienstag bis Sonntag 11 bis 17 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr.

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