Zum Inhalt springen

Digitalisierung „Wir können uns vieles von Estland und Finnland abschauen“

Robin Mesarosch (SPD) war kürzlich mit dem Digitalausschuss auf Reisen. Hier erzählt er von Quantencomputern, „unsichtbaren Dienstleistungen“ und dem Kampf gegen russische Hacker.

Der Bundestagsabgeordnete Robin Mesarosch in seinem Büro, im Hintergrund der Bundestag

„Ich bin zuversichtlich, dass sich durch die Digitalisierung mehr Menschen beteiligen werden“, sagt Robin Mesarosch (SPD). © Fionn Grosse

Sie sind kürzlich mit dem Digitalausschuss nach Estland und Finnland gereist. Welche neuen Ideen haben Sie für Deutschland mit nach Hause gebracht?

Ganz viele. Zum Beispiel arbeiten die Esten und Finnen gerade an etwas, das sie „unsichtbare Dienstleistungen“ nennen. Ein Beispiel: Wenn Eltern ein Kind kriegen, bekommen sie in Helsinki nach der Geburt automatisch Kindergeld, ohne es beantragen zu müssen. Und drei Jahre später bekommen sie automatisch eine SMS mit einem Vorschlag für einen Kindergartenplatz. Das sind sehr gute Ideen, die wir uns abschauen sollten. Darüber hinaus sollten wir uns auch anschauen, wie die beiden Länder ihre Ideen ganz konkret technisch umsetzen. Auch wir haben viele gute Ideen, aber machen zu selten was draus.

Diese Beispiele fallen in den Bereich E-Governance. Was ist das genau? Und welche Möglichkeiten bietet die Digitalisierung hier noch?

Das Ziel ist, dass der Staat die digitalen Möglichkeiten nutzt. Nicht weil es cool wäre oder so, sondern weil es den Staat schneller und praktischer macht für die Leute, die etwas von ihm wollen. Wenn du zum Beispiel einen neuen Personalausweis beantragen oder ein Auto anmelden willst oder Arbeitslosengeld beziehst, dann musst du in Deutschland stapelweise komplizierte Formulare ausfüllen – und dann erst mal warten. Die Idee ist, das alles mit digitalen Mitteln zu vereinfachen. Und darin sind die Esten und die Finnen besser als wir. Die beiden Staaten haben dafür ein gutes Grundgerüst aufgebaut, indem sie zum Beispiel die Möglichkeit geschaffen haben, dass sich jeder Bürger digital identifizieren kann und Ämter sich sicher und schnell Daten hin- und herschicken. Das funktioniert in Deutschland noch sehr schlecht und da müssen wir dringend besser werden.

Kann die Digitalisierung auch zu mehr Bürgerbeteiligung beitragen?

Ja. Durch die Digitalisierung gibt es Möglichkeiten, die es vorher nicht gab. Wenn man zum Beispiel in einer Partei politisch aktiv ist, ist das bis jetzt stark an den eigenen Wohnort gebunden. Aber gerade junge Leute ziehen öfter mal um oder sie verbringen ein Jahr im Ausland, und dann können sie meistens nicht mehr richtig mitmachen. Über Videokonferenzen und vielleicht sogar rein digitale Parteigruppen dabei bleiben zu können, wäre ein großer Fortschritt. Diese technischen Möglichkeiten gab es vor einigen Jahren noch nicht. Letztendlich ist es aber eine politische Entscheidung, ob wir diese Möglichkeiten auch nutzen und zum Beispiel zulassen, dass Leute sich digital direkt beteiligen. Im Zweifel muss man dafür auch Gesetze ändern. Aber ich halte das für einen guten Weg. Und ich bin zuversichtlich, dass sich durch die Digitalisierung mehr Menschen beteiligen werden.

Sie haben auf Ihrer Reise Vertreter verschiedener politischer Institutionen aber auch Unternehmen getroffen. Gab es ein Projekt, das Sie besonders beeindruckt hat?

Wir haben Quantencomputer angeschaut, die sehr, sehr viel schneller Informationen verarbeiten als normale Computer und deutlich komplexere Probleme lösen können. Die sehen erst mal beeindruckend aus, weil sie in Zylindern stecken, die auf unter minus 270 Grad runtergekühlt sind. Der eigentliche Computer ist zu großen Teilen aus purem Kupfer und glänzt wie Gold. Aber das wirklich Spannende ist, welche Probleme wir damit lösen können, die bislang ungelöst sind.

Allerdings sind mit solchen Technologien auch Risiken verbunden: Wenn die einen Zugang zu einem Quantencomputer haben und die anderen nicht, kann das sehr ungerecht werden. Zum Beispiel, wenn diejenigen mit den Quantencomputern dann viel besser Geld mit Aktien verdienen können als die ohne.

Angesichts des Krieges in der Ukraine ging es auch um das Thema Cyber-Abwehr. Man hört immer wieder, dass Russlands Krieg auch ein digitaler sei. Was bedeutet das? Und wie gut sind wir dagegen gewappnet?

Das Problem hat verschiedene Aspekte. Einmal geht es darum, dass Russland ganz gezielt auf Propaganda setzt. Im eigenen Land, wo die russische Regierung die Medien fast vollständig kontrolliert und so ihren eigenen Leuten Lügen über den Krieg erzählt. Das passiert aber auch im Ausland. Da sind es dann meistens nicht russische Staatsmedien, die uns falsche Informationen präsentieren. Bei uns sind das eher Videos, die in Familien-WhatsApp-Gruppen unterwegs sind, in denen angebliche Kriegsverbrechen der ukrainischen Soldaten gezeigt werden, die aber Fakes sind.

Die andere Strategie ist, mit Hackern Infrastruktur im Ausland anzugreifen, indem man zum Beispiel versucht, sich in Krankenhäuser einzuhacken und sie lahmzulegen. Oder in die Energieversorgung. Da wird das Digitale dann unmittelbar lebensbedrohlich: Denn wenn die Stromversorgung oder die medizinische Versorgung nicht mehr funktionieren, hat das natürlich furchtbare Auswirkungen.

Wie kann man sich dagegen verteidigen? Gab es dazu Erkenntnisse auf Ihrer Reise?

In diesem Bereich müssen viele Staaten zusammenarbeiten. Die Nato hat zum Beispiel in der estnischen Hauptstadt Tallinn ein Center of Excellence, wo zu Cyber-Sicherheit geforscht, gelehrt und geübt wird. Daran ist Deutschland auch beteiligt. Das ist der richtige Weg.

Cyber-Attacken sind eine große Bedrohung. Und die Dinge, die man digital angreifen kann, nehmen zu. Trotzdem: Wir leben in Deutschland in einem sicheren Land. Es wird nur wichtiger, dass wir uns immer besser schützen und uns weiter mit anderen befreundeten Ländern vernetzen und gegenseitig helfen.

Zur Person

Robin Mesarosch, 1991 geboren, hat Werbung, Rechtswissenschaft, Philosophie und Geschichte studiert. Danach war er Social-Media-Referent für verschiedene SPD-Politikerinnen und Politiker sowie für die SPD-Bundestagsfraktion. 2021 wurde er dann selbst für die SPD in den Bundestag gewählt, wo er Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie und im Digitalausschuss ist. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.

(jk)

Mehr zum Thema