Bundestagspräsidentin Bas „Viele heutige Probleme sind international“
Deutschland hat aktuell die Präsidentschaft der G7 inne. Deshalb empfängt die Bundestagspräsidentin diese Woche ihre Kolleginnen und Kollegen zur jährlichen Konferenz. Im Interview erzählt sie, was auf der Tagesordnung steht.
In den nächsten Tagen findet ein wichtiges Treffen im Bundestag statt: Die Präsidentinnen und Präsidenten von sieben Parlamenten kommen zusammen, zudem ist auch das Europäische Parlament vertreten. Freuen Sie sich auf Ihre Kollegen?
Ja, sehr. Es ist mir eine besondere Ehre, die Kolleginnen und Kollegen aus den USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan – sowie die Präsidentin des Europäischen Parlaments – bei uns in Berlin zu begrüßen. Einige treffe ich zum ersten Mal persönlich.
Diese Länder bilden zusammen den Kreis der sogenannten G7, in dem Deutschland aktuell den Vorsitz hat. 1975 begannen die Staats- und Regierungschefs der G7, sich jährlich zu einer Konferenz zu treffen – zuletzt Ende Juni im bayerischen Elmau. Seit dem Jahr 2000 kommen auch die Parlamentspräsidentinnen und -präsidenten der G7 einmal im Jahr zu einer eigenen Konferenz zusammen. An dieser Konferenz nimmt seit 2007 auch die Spitze des Europäischen Parlaments teil. Ich bin sehr froh über diesen Austausch.
Wie muss man sich so ein Treffen vorstellen? Mit weißen Tischdecken, Fahnen, Dolmetschern… – ist es eher steif oder geht es auch mal locker zu?
Ein bisschen von beidem. Mir ist es wichtig, meinen Kolleginnen und Kollegen eine gute Gastgeberin zu sein. Wir werden deshalb einen festlichen Rahmen für diese Konferenz bieten und sind zum Beispiel auch beim Bundespräsidenten eingeladen.
Trotzdem ist die Konferenz vor allem ein Arbeitstreffen. Dabei gilt es auch, die Regeln der Diplomatie zu beachten. Wir beraten über wichtige Themen wie den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Und wir stimmen gemeinsame Standpunkte ab. Dabei unterstützen uns selbstverständlich auch Dolmetscherinnen und Dolmetscher, damit es keine sprachlichen Missverständnisse gibt. Im Grunde geht es aber immer herzlich und kollegial zu.
Das Programm lässt auch Raum, über weniger politische Fragen zu sprechen und neue Eindrücke zu gewinnen. Wir besuchen zum Beispiel gemeinsam eine Kunstausstellung in Potsdam.
Einige Themen sind ernst, so soll es wie schon erwähnt um Russlands Aggression gegen die Ukraine gehen und die Frage, welche Konsequenzen dies für eine neue internationale Sicherheitsarchitektur hat. Klingt etwas abstrakt, was ist damit konkret gemeint?
In Europa hatten wir über 70 Jahre lang keinen Krieg mehr, an dem mehrere Staaten beteiligt waren. Nach der friedlichen Wende und dem Ende des Kalten Krieges haben wir nach einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsordnung gesucht, die Russland einschließen sollte. Wir haben in der OSZE, im Europarat und den G8 zusammengearbeitet und die Nato-Russland-Grundakte geschaffen. Russland hat sich unter Putin schon vor Jahren von diesem gemeinsamen Weg abgewandt. Mit seinem Angriff auf die Ukraine hat Putin endgültig die Hoffnung auf eine gemeinsame Sicherheitsordnung zerstört. Heute müssen wir uns – und unsere Partner – vor Russland schützen. Diese neue sicherheitspolitische Lage hat Schweden und Finnland dazu gebracht, der Nato beizutreten. Wir müssen unsere Bundeswehr stärken und die militärische Zusammenarbeit mit unseren Verbündeten ausbauen. Für uns ist dabei besonders wichtig, dass unsere Parlamente sich dabei einbringen und unsere Demokratie ihre Stärke unter Beweis stellt.
Ein weiterer Programmpunkt lautet „Demokratie stärken mit politischer Bildungsarbeit“. Wollen Sie voneinander lernen oder um was geht es dabei genau?
Die parlamentarischen Demokratien der G7 sind sehr unterschiedlich ausgestaltet. Das gilt auch für die Rolle, die ihre Parlamente haben. Trotzdem stehen wir alle vor ähnlichen Herausforderungen: Die Demokratie muss zeigen, dass sie auch schwierige globale Herausforderungen wie den Klimawandel bewältigen kann. Das funktioniert nur, wenn die Bürgerinnen und Bürger die Demokratie aktiv unterstützen und sich beteiligen. Politische Bildung ist ein wichtiger Schlüssel, um Menschen für die Demokratie zu gewinnen. Sie ist die Grundlage, um sich ein sachliches Bild vom politischen Geschehen machen zu können. Und sie hilft, damit sich möglichst viele Demokratinnen und Demokraten selbst einbringen und mitmischen.
Haben die Präsidentinnen und Präsidenten der Parlamente im Alltag häufiger miteinander zu tun oder ist das eine eher außergewöhnliche Situation?
Viele der heutigen Probleme sind international. Sie betreffen uns alle. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns eng austauschen. Ich habe daher häufig Parlamentspräsidentinnen und Parlamentspräsidenten in Berlin zu Gast. Im Januar war beispielsweise Mickey Levy, der Präsident des israelischen Parlaments, der Knesset, bei uns im Deutschen Bundestag. Dort hat er – anlässlich des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus – eine sehr berührende Rede gehalten.
Unser Parlament pflegt mit vielen Ländern enge Partnerschaften. Insbesondere mit unserem Nachbarn Frankreich. 2019 wurde eine eigene deutsch-französische parlamentarische Versammlung gegründet. Sie kommt das nächste Mal im November zusammen.
Aktuell hat der Ukraine-Krieg dazu geführt, dass ich auch in engem Kontakt mit meinem dortigen Kollegen Ruslan Stefantschuk stehe. Er nimmt in diesem Jahr als besonderer Gast an unserer G7-Konferenz teil und berichtet über die Lage in seinem Land.
Zur Person
Bärbel Bas, 1968 geboren, ist seit 26. Oktober 2021 Präsidentin des Deutschen Bundestages. 2009 zog sie zum ersten Mal für die SPD als Abgeordnete in den Bundestag ein. Mehr zu ihrem Werdegang erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.
(Mira Knauf)