IPS Afrikanische Staaten 2024 „Die Demokratie ist eine große Schüssel mit vielen Zutaten“
Marejke Tammen
Wie sieht die politische Zukunft Afrikas aus? Wie können afrikanische Demokratien geschützt werden? Und mit welchen Herausforderungen kämpfen sie? Diesen Fragen gingen die IPS-Stipendiaten im Gespräch mit Forschenden der Stiftung Wissenschaft und Politik nach und sie schilderten ihre persönlichen Eindrücke.
GDL-Streik, Platzregen, schwere Windwarnung. Die Umstände sind nicht optimal an diesem Mittwochvormittag. Doch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des IPS-Programms Afrikanische Staaten 2024 lassen sich davon nicht beeindrucken. Pünktlich um zehn Uhr betreten sie den imposanten Eingangsbereich der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Eine zweiläufige Bogentreppe mit rotem Teppich und schmiedeeisernen Handläufen führt ins Innere des Forschungsinstituts. Am oberen Ende der Treppe, hinter einer Sicherheitstür, liegt der Seminarraum, in dem es heute um das Thema „Megatrends Demokratisierung und Autokratisierung in Afrika“ geht. Auf dem Tisch in der Mitte des Raums liegen Infomaterialien, Stifte, Kekse und Mandarinen bereit. Es kann losgehen.
Als unabhängige wissenschaftliche Einrichtung forscht und berät die SWP zu Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Ein großes Forschungsgebiet der Stiftung sind die afrikanischen Staaten südlich der Sahara. „Wir freuen uns daher sehr, dass Sie uns heute besuchen kommen“, begrüßt Dr. Karoline Eickhoff die Stipendiaten. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Dr. Gerrit Kurtz möchte sie in den nächsten eineinhalb Stunden von den Stipendiaten erfahren, wie sie die politische Lage in ihren afrikanischen Ländern wahrnehmen und was zum Schutz der Demokratien nötig sei.
Mangelnde Vielfalt in Parlamenten
„In Uganda erleben wir gerade eine Welle der Autokratisierung“, berichtet Isaac. Die Gewaltenteilung sei auf dem Rückzug, viele Oppositionspolitiker säßen im Gefängnis, die Pressefreiheit sei eingeschränkt. „Es gibt keine Vielfalt in unserem Parlament“, beklagt der junge Apotheker. „Daher ist es wichtig, dass wir für unsere Demokratie kämpfen.“
Ila beobachtet eine ähnliche Entwicklung in Südafrika und sieht das Problem vor allem bei der Opposition: „Bei uns steht dieses Jahr eine Wahl an. Noch ist es eine freie Wahl, noch können wir etwas ändern. Aber unsere Oppositionsparteien sind so schwach“, sagt sie. „Sie haben kein gutes Angebot für die jungen Leute. Deshalb gehen viele junge Menschen gar nicht erst wählen.“
Politische Diskussionen auf Twitter
Auch im demokratischen Namibia gebe es derzeit einige Schwierigkeiten, wie Roshaan berichtet. „Ich stelle mir die Demokratie wie eine große Schüssel mit vielen Zutaten vor. Diese Zutaten sind die Elemente einer Demokratie, also zum Beispiel Gewaltenteilung, freie Wahlen und Religionsfreiheit“, erklärt sie. „Aber momentan fehlen immer mehr dieser Zutaten. Presse- und Meinungsfreiheit gibt es, aber wir haben ein großes Problem mit Homophobie und Queerfeindlichkeit.“
Anders sei es in Kenia. Grace erzählt, dass die Medien zwar frei seien, die Menschen aber viel freier in sozialen Netzwerken reden würden. Maryannita stimmt ihr zu: „Ich habe Angst davor, dass mir etwas passiert, wenn ich in der Öffentlichkeit über Politik rede. Auf Twitter ist das einfacher. Hier sind die Kenianer sehr stark aktiv und teilen ihre Meinung.“
Jung und unerfahren
Ein weiteres Problem in Südafrika sei das Alter von Politikerinnen und Politikern, sagt Ila. „Viele Leute sind genervt, dass im Parlament so viele alte Leute sitzen.“ Floris findet es daher wichtig, dass sich junge Menschen mehr engagieren. „In Südafrika haben wir eine schlechte politische Bildung. Ich glaube, viele junge Leute wissen gar nicht, was sie tun können.“
Ähnliches beobachte Maryannita in Kenia. „Bei uns bekommt ein junger Mensch bei gleicher Arbeit weniger Gehalt als ein älterer Mensch. Genauso in der Politik: Auch wenn ein Politiker keine gute Bildung hat, wird er respektiert, einfach weil er alt ist.“ Roshaan nickt zustimmend und sagt: „Ich kenne das. In Namibia wird jungen Leuten gesagt, dass sie keine Ahnung von Politik haben. Einfach, weil sie jung sind.“
Es gebe aber auch Vorteile als junger Mensch. In Südafrika sei es als junger Mensch viel einfacher einen Job zu finden, berichtet Alexi. „Junge Menschen haben auf dem Jobmarkt bessere Chancen. Für Menschen ab 45 Jahren ist es sehr viel schwerer eine Arbeit zu finden.“ Ila stimmt ihr zu und ergänzt: „Die Arbeitgeber können von jungen Leuten erwarten, dass sie länger und härter arbeiten. Bei älteren Menschen können sie das nicht erwarten.“
Nah am Volk
Zum Schluss des Gesprächs möchte Dr. Gerrit Kurtz von den Stipendiatinnen und Stipendiaten noch wissen, welche Beobachtungen und Erfahrungen sie aus den letzten Wochen in Deutschland mitnehmen. Floris berichtet, dass ihn die enge Beziehung zwischen Abgeordneten und der Bevölkerung sehr überrascht habe. „In Südafrika ist die Regierung weit von der Bevölkerung entfernt. Ich habe noch nie einen politischen Vertreter auf der Straße gesehen.“
Ila resümiert: „Ich habe festgestellt, dass meine Zukunft nicht in Europa liegt. Ich bin keine Europäerin. Ich möchte in Südafrika leben. In den afrikanischen Ländern gibt es viel Potential. Wenn wir das nicht nutzen, wer dann?“