Bundeswehrarzt Zur Arbeit in den Krieg
Isabelle Wildberger
Für Daniel Hinck gehören Auslandseinsätze zum Alltag: Immer wieder ist er als Bundeswehrarzt in der ganzen Welt unterwegs. Diesen Herbst war er in Afghanistan. Isabelle und Florian haben ihn im nordafghanischen Camp Marmal besucht – dem größten Feldlager der Bundeswehr.
US-Soldat, verwundet
Die Spannung in der Luft vor dem Operationssaal ist mit Händen zu greifen: Mehr als zehn komplett in Grün gekleidete, mit Mundschutz versehene Bundeswehrärzte und Assistenten stehen erwartungsvoll im Krankenhausgang. Alle schauen zur Eingangstür des Feldlazaretts, durch die gleich der angekündigte Patient geschoben wird: ein amerikanischer Soldat, verwundet bei einem Militäreinsatz im Norden Afghanistans.
Wie schwer seine Verletzungen tatsächlich sind, wissen Oberfeldarzt Daniel Hinck und seine Bundeswehr-Kollegen noch nicht. Hier in Masar-i-Sharif, mehr als 4.500 Kilometer weit weg von Deutschland, ist das Teil seines Jobs: Als Oberfeldarzt der Bundeswehr hat Daniel Hinck bereits zum 16. Mal seinen Krankenhausalltag in Hamburg gegen den Auslandseinsatz in Afghanistan getauscht.
Mali, Kosovo, Afghanistan
Eigentlich operiert der ausgebildete Chirurg Daniel Hinck zwei Drittel des Jahres am Hamburger Bundeswehrkrankenhaus in Wandsbek. Doch als Oberfeldarzt der Bundeswehr ist er auch in der ganzen Welt unterwegs: Seit 2001 war er unter anderem in Mali, im Kosovo oder vor der Küste Somalias stationiert.
Angst habe er dabei nicht, erzählt er. Für den Beruf hat er sich entschieden, weil er abwechslungsreich und herausfordernd ist: "Weil ich hier einfach die Möglichkeit habe, genau das zu finden, was ich mir immer gewünscht habe: Auf der einen Seite wirklich körperlich anstrengende Anforderungen an mich selber zu stellen, also den militärischen Dienst, andererseits aber tatsächlich auch diesen Dienst am Patienten."
Waffe und Skalpell
Der Alltag in Deutschland unterscheidet sich von dem in Afghanistan: Freie Tage gibt es im Auslandseinsatz nie, die Soldaten sind immer in Bereitschaft. Das Auswärtige Amt warnt Touristen ausdrücklich davor, nach Afghanistan zu reisen, doch für die Bundeswehr gilt das knapp 525 Fußballfelder große Camp Marmal am Fuße des Hindukusch als verhältnismäßig sicher.
Es ist das größte Feldlager der Bundeswehr und rund 2.000 Soldaten aus 21 Nationen sind hier stationiert. Was im Camp sofort auffällt: Alle Soldaten tragen hier eine Waffe bei sich. Auch Daniel: "Neben dem Skalpell ist die Waffe auch Bestandteil meines Berufs", erklärt er. Denn als Bundeswehrarzt rettet er Leben, muss sich im Ernstfall aber auch mit der Waffe verteidigen können.
Zwischen Militär- und Krankenhausalltag
Im Camp beginnt sein Tag meist schon kurz nach Sonnenaufgang: Beim "Doctor's Table" treffen sich die Ärzte aus Armenien, den Niederlanden und Deutschland, die in der internationalen Klinik arbeiten, und besprechen den Tagesablauf: 40 Flugminuten entfernt laufen heute zwei militärische Missionen, die vielleicht auch Auswirkungen auf die Klinik haben könnten.
Dieser Wechsel zwischen Militär- und Krankenhausalltag macht die Arbeit für Daniel besonders interessant: "Ich will nicht sagen, dass zwei Herzen in meiner Brust schlagen, aber vom Prinzip her ist es so, dass ich ohne Probleme von der einen Seite auf die andere Seite umschalten kann". Manchmal seien es Minuten, die entscheiden, ob er Soldat oder Arzt sei, erzählt er.
200 Patienten pro Woche
Im Feldlazarett in Masar-i-Sharif behandelt Daniel Hinck zusammen mit seinen Kollegen rund 200 Patienten pro Woche, von der Schussverletzung bis zur Erkältung. Damit im Kampf um Menschenleben keine Sekunde vergeudet wird, ist Teamwork wichtig.
Deswegen wird in der Klinik immer wieder der Ernstfall geübt. Dabei hat jeder seine Aufgabe, betont Daniel: "Jeder weiß, was er zu tun hat". Das ist besonders in internationalen Teams wichtig, damit man die jeweiligen Stärken und Schwächen des anderen besser kenne, so Daniel.
"Ich komme immer wieder"
In den Auslandseinsatz zu gehen, bedeutet immer auch einen Abschied vom Leben in Deutschland. Den Kontakt zu seiner Familie hält Daniel Hinck vor allem über Skype-Anrufe und SMS. Mindestens einmal pro Tag meldet er sich bei seiner Frau und den beiden Kindern. Für seine Familie sind die Auslandseinsätze Teil ihres Lebens.
Daniel fällt es nicht immer leicht, sich von ihnen zu verabschieden, aber er betont: "Sei es Geiselhaft, Verwundung, Krankheit: Ich komme immer wieder. Das ist die Willensstärke, die ich in mir habe, für mich selbst und meine Familie. Darum verabschiede ich mich nicht pathetisch. Ich sage ganz klar: Ich gehe zur Arbeit und ich komme wieder."
Beratung mit Dolmetscher
Nach der Übung steht im Feldlazarett die tägliche Visite an. Zwei afghanische Sicherheitskräfte, die durch die Explosion einer Sprengfalle ein Bein verloren haben, sind schon seit mehreren Tagen hier in Behandlung. Am nächsten Tag sollen sie in ein afghanisches Krankenhaus entlassen werden. Mithilfe des afghanischen Dolmetschers besprechen Daniel und sein Team die weiteren Schritte.
Mittlerweile ist auch der verwundete amerikanische Soldat in Masar-i-Sharif angekommen. Begleitet vom Sanitätsteam wird er sofort nach seiner Ankunft in der Notaufnahme des Feldlazaretts gebracht. Im Einsatz hat er sich eine Schussverletzung an der Hand zugezogen. Die behandeln Daniel Hinck und seine Kollegen mit mehreren Stichen und einem Verband. Noch am selben Tag kann der Soldat das Krankenhaus wieder verlassen.
Als nächstes nach Mali
Daniel Hincks Zeit in Afghanistan ist da noch nicht zu Ende: Acht Wochen wird er dieses Mal im Einsatz sein, bevor er es für ihn wieder zurück in seinen Alltag nach Hamburg geht. Dabei hat er seinen nächsten Auslandseinsatz schon ins Auge gefasst: Kommendes Jahr, vermutlich in Mali.
Isabelle Wildberger / Florian Skupin
Isabelle Wildberger
arbeitet als Reporterin beim Norddeutschen Rundfunk