Bericht zur Bundeswehr Zu wenig Mützen für die Truppe
Zu wenig Material, dafür zu viele Formulare: Alljährlich deckt der Wehrbericht auf, was bei der Bundeswehr schiefläuft. Zu viel Bürokratie und schlechte Ausrüstung sind nur zwei der Kritikpunkte, die jetzt im Bundestag zur Sprache kamen.
Der Wehrbericht – was ist das eigentlich?
"Wer Verbesserung will, muss Missstände ansprechen", heißt es im aktuellen Wehrbericht, der Mitte April im Bundestag debattiert wurde. Und Missstände gibt es laut Wehrbericht in der Bundeswehr derzeit viele: Mängel bei der Ausrüstung, Rechtsextremismus und zu viel Bürokratie sind nur einige der Sorgen, auf die der aktuelle Bericht hinweist.
Der Wehrbericht ist ein über 100 Seiten dickes Schriftstück, in dem schwarz auf weiß steht, wo bei der Bundeswehr im vergangenen Jahr der Schuh drückte. Veröffentlicht wird er ein Mal im Jahr vom Wehrbeauftragten des Bundestages. An ihn können sich Soldaten wenden, wenn sie Bitten und Beschwerden loswerden möchten. Derzeit hat Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) dieses Amt inne.
Rechtsextremismus und Sexismus
2018 haben sich etwas mehr als 2.500 Soldaten mit Beschwerden an den Wehrbeauftragten gewandt, geringfügig mehr als im Vorjahr. Beschwerden sind etwas anderes als "meldepflichtigen Ereignisse", die sind etwas seltener geworden. Meldepflichtig sind zum Beispiel Beleidigungen gegenüber Kollegen. Es habe allerdings mehr rassistische Äußerungen gegeben. So hat sich laut Bericht ein Hauptgefreiter gegenüber einem Kameraden wie folgt geäußert: "Den kann ich mir gut in der Gaskammer vorstellen". 18 Soldaten wurden 2018 aus dem Dienst entlassen, weil sie durch Rechtsextremismus aufgefallen waren.
Dem Bericht zufolge hat es außerdem mehr sexuelle Übergriffe und Belästigungen gegeben, 2018 wurden 288 angezeigt, 2017 noch 235. Bartels glaubt allerdings, dass es nicht unbedingt mehr Taten gab, sondern dass nur mehr davon auch angezeigt wurden. Er führt die höhere Zahl deshalb auf ein größeres Bewusstsein für solche Vorfälle in der Truppe zurück.
Keine Mützen und Panzer
Es gibt allerdings noch ganz andere Probleme: Der Bundeswehr fehlt es so ziemlich an allen Ecken an Material. Natürlich drehen sich die Beschwerden auch um kaputte Panzer, nicht vorhandene U-Boote und defekte Flugzeuge. Aber eben nicht nur: Den Wehrbeauftragten erreichten auch eine Menge Klagen, in denen es um die Uniformen der Soldaten geht. Es werden beispielsweise bereits ausgemusterte oder mehrfach gestopfte Uniformen getragen.
Einige Bestandteile, wie eine Sorte Schirmmützen, seien derzeit überhaupt nicht lieferbar und andere wiederum von so schlechter Qualität, dass sie ständig reißen. An einem Schießstand musste laut Bericht die Arbeit eingestellt werden, da keine schusssicheren Westen mehr zur Verfügung stehen.
Schlechte Führung und zu viel Papier
Zu wenig Geld in der Kasse des Verteidigungsministeriums lässt Bartels künftig nicht mehr als Argument für die Mängel bei der Ausrüstung gelten. Im Jahr 2019 beträgt der Etat fast fünf Milliarden Euro mehr als noch 2018. Vielmehr sieht er das Problem in zu viel Bürokratie und schlechter Führung. Zu viele Soldaten würden laut Bartels einen beträchtlichen Teil ihrer Arbeitskraft an "ungünstige Strukturen verschwenden".
Millionengrab "Gorch Fock"
Als Beispiel für die unorganisierte Arbeitsweise nannte Bartels die Reparatur des Segelschulschiffs "Gorch Fock". Ursprünglich war nur ein kleiner Umbau mit Kosten von zehn Millionen Euro geplant. Mittlerweile belaufen sich die Kosten auf 135 Millionen Euro und ein Ende der Renovierung ist noch nicht absehbar. Bartels bemängelt, dass es offenbar "niemandes Aufgabe zu sein scheint, zu fragen: Ist das normal, wenn der Reparaturpreis sich verdreizehnfacht?"
Nachdem Bartels den Wehrbericht vorgestellt hatte, kamen am 12. April im Plenum die Abgeordneten der Fraktionen zu Wort. Union, SPD, FDP und Grüne nahmen ihren Wortbeitrag zum Anlass, dem Wehrbeauftragten und seinen Mitarbeitern für ihre gute und wichtige Arbeit zu danken. Auch bei beim Thema Rechtsextremismus und schleppender Regierungsarbeit beim Bürokratieabbau war man sich weitgehend einig. Bei anderen Themen wie der Präsenz der Bundeswehr an Schulen, unterschieden sich die Meinungen allerdings stark.
Union: Mehr Geld für Bundeswehr
Die Unionsfraktion bemängelte, dass das Verteidigungsministerium in den nächsten Jahren weniger Geld erhalten soll, und das, obwohl sich "die weltweite Sicherheitslage zusehends verschlechtert", sagte Anita Schäfer (CDU). Sie wies außerdem darauf hin, dass die Bundeswehr derzeit daran arbeite, Vereinbarkeit von Beruf und Familie deutlich zu verbessern, räumte aber ein, dass die Infrastruktur modernisiert und die Digitalisierung vorangetrieben werden müsse.
SPD: Zu viel Rechtsextremismus und Diskriminierung
Die SPD würdigte das Amt und die Arbeit des Wehrbeauftragten als wichtige, unabhängige Anlaufstelle für Soldaten. Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD) kritisierte vor allem zwei Aspekte, die aus dem Wehrbericht hervorgehen. Erstens, dass Rechtsextremismus nach wie vor ein großes Problem sei (Anstieg der meldepflichtigen Ereignisse von 100 auf 170). "Der Gedanke, dass die Bundesrepublik überwunden werden soll und andere die Macht übernehmen wollen, hat in der Bundeswehr nichts verloren", so Brunner. Zweitens bemängelte er, dass homosexuelle Soldaten nach wie vor diskriminiert würden.
AfD: Bundeswehr in desolatem Zustand
Die AfD sieht die Bundeswehr in einem sehr schechten Zustand. "Das freundliche Desinteresse vieler Deutscher, die Aussetzung der Wehrpflicht und eine Kanzlerin, die nicht in militärischen Dimensionen denkt", seien verantwortlich dafür, so Elsner von Gronow (AfD). Er bekräftigte, wie wichtig eine stabile Armee für ein Land sei und dass sich Deutschland nicht "bequem auf die Militärmacht der USA als Garant unserer Sicherheit in Deutschland und Europa verlassen dürfe". Die AfD sehe hier ein weiteres "Versagen des Staates bei seiner vornehmsten Aufgabe: dem Schutz seiner Bürger."
FDP: Bundeswehr soll an Schulen
Die FDP kritisierte, dass die Bundesregierung nur sehr schleppend auf die im Wehrbericht angesprochenen Probleme reagiere und appellierte an ihre Verantwortung. Außerdem bemängelte Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann das Vorhaben, der Bundeswehr beispielsweise in Berlin zu verbieten, Vorträge an Schulen zu halten.
Die Linke: Bundeswehr soll nicht an Schulen
Linken-Abgeordnete Christine Buchholz kritisierte, dass noch immer Fälle von überzogener Härte in der Ausbildung im aktuellen Wehrbericht vorkommen. "Damit muss Schluss sein", so Buchholz. Außerdem betonte sie, dass es allein Aufgabe der Lehrer sei, an Schulen über die Bundeswehr aufzuklären und nicht die von Offizieren. Wenn die Bundeswehr das selber tue, gehe es dabei ihrer Meinung nach um Karriereberatung und Anwerbung von Minderjährigen.
Grüne: Ministerin versagt
Dr. Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen) wies auf die schlechte Führung und Organisation im Verteidigungsministerium hin. Er bemängelte, dass Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) kaum wirkliche Reformen auf den Weg brächte. Am Beispiel des Segelschulschiffes "Gorch Fock" sei außerdem sichtbar, wie wenig das Ministerium bereit sei, aus Fehlern zu lernen.
Hans-Peter Bartels hatte auch noch etwas Positives in der Debatte zu berichten. Die Bundeswehr löse einen Großteil ihrer täglichen Aufgaben. Und das liegt für den Wehrbeauftragten übrigens nicht am Apparat selbst, sondern nur an der "loyalen Professionalität" der Soldaten und "der Liebe für ihren Beruf".
Die komplette Debatte könnt ihr euch hier im Video anschauen.
(DBT/ab)