EU-Reform Youtube wird nicht gelöscht
Oliver Hahn
Lange ging auf Deutschlands Schulhöfen das Gerücht um, viele Youtube-Kanäle engagierter Creators würden bald dichtgemacht. Und schuld daran sei die EU. Wir erklären, worum es geht und was es Neues gibt.
Der Plan
Das soll eine von der Europäischen Union (EU) auf den Weg gebrachte Reform nun ändern. Die Stoßrichtung: Wer etwas erschaffen hat, etwa ein Musikstück, ein Bild oder einen Text, der soll für seine Leistung entlohnt werden, wenn jemand anderes diese nutzt. Dafür sorgen sollen Google, Youtube, Facebook, Twitter - also die großen Plattformen.
Gegen die Pläne der EU hatte Youtube Ende vergangenen Jahres im Netz Front gemacht und viele Nutzer aufgeschreckt. Sogar vom "Ende Youtubes" oder vom "Ende des freien Internets" war die Rede. Auch im Bundestag diskutieren Fachleute die Reform seit Monaten.
Wem gehört was?
Es gibt Youtuber, die posten auf ihrem Kanal gelegentlich Videos mit dem Titel "Erkenne den Song". Der Name ist selbsterklärend: Es geht darum, dass der Anfang eines Liedes angespielt wird und man im Wettkampf gegen andere versucht, das Lied als erster zu erkennen.
Solche Serien sind beliebt, jeder kann von zuhause aus mitspielen. Doch werden die Songs dabei ohne eine Erlaubnis der Künstler genutzt, wäre das illegal. Im Internet sind solche Verstöße gegen das Recht allerdings kaum zu kontrollieren.
Worum geht es eigentlich?
Das Europäische Parlament hat am 12. September 2018 einer Reform des Urheberrechts zugestimmt. Urheber sind alle Menschen, die zum Beispiel ein Lied komponieren und veröffentlichen, Journalisten, die Texte schreiben, oder Fotografen, die ihre Bilder online stellen. Kurz: Alle, die etwas Neues geschaffen und unter ihrem Namen veröffentlicht haben. Damit nicht einfach jeder diese Neuschöpfung nach Belieben kopieren und weiterverwenden kann, gibt es das Urheberrecht. Geistiges Eigentum wird damit geschützt.
Wenn jemand anderes das Werk nutzt, soll der Urheber oder eben jener, die die Rechte an dem Werk innehat, entlohnt werden. Wird dies missachtet, kann der Betroffene unter anderem auf Schadensersatz klagen. Dieses Recht soll nun im Internet besser durchgesetzt werden können, deswegen die Reform. Es gibt aber zwei Artikel der geplanten Richtlinie, die stark umstritten sind: Artikel 11 und 13.
Umstrittene Artikel
Artikel 11 wird auch Leistungsschutzrecht genannt. Es soll Nachrichtensuchmaschinen wie beispielsweise Google News in Zukunft verbieten, Artikel oder Textschnipsel von Nachrichtenseiten einfach so zu kopieren, also ohne Erlaubnis und Gebühr. Unter oder neben diesen Ausschnitten wird nämlich manchmal Werbung gezeigt, und die Einnahmen daraus bekommt dann etwa Google News — und eben nicht der Verlag, bei dem der Text ursprünglich erschienen ist.
Artikel 13 sieht vor, dass Portale wie Youtube oder Instagram Inhalte vor der Veröffentlichung auf Verstöße gegen das Urheberrecht überprüfen müssen. Einfacher gesagt: Bevor etwas ins Internet kommt, muss sichergestellt werden, dass nichts ohne Erlaubnis kopiert oder geklaut wurde.
Wie wird kontrolliert?
Diese Kontrolle soll auf den Portalen durch sogenannte "Upload-Filter" geschehen. Das sind Filter, die Videos oder andere Inhalte automatisch nach geschützten Inhalten – also etwa Songs oder Textpassagen – durchsuchen. Falls bei der Prüfung etwas gefunden wird und keine Lizenz (mit oder ohne Gebühr erteilte Genehmigung) vorliegt, wird das Video gesperrt.
Ist das Ende des Internets nah?
Nicht nur die Betreiber von Online-Plattformen wir Youtube sind Gegner des EU-Vorhabens. Mehr als 70 einflussreiche Internet-Persönlichkeiten, darunter beispielweise Informatiker und World-Wide-Web-Begründer Tim Berners-Lee, haben einen offenen Brief an das EU-Parlament unterzeichnet, in dem sie vor den Gefahren der "Upload-Filter" warnen. Wenn diese einmal nicht richtig funktionierten, würden Videos gesperrt werden, die eigentlich unbedenklich seien, heißt es darin. Im Nachhinein Beschwerde einzulegen oder Anpassungen vorzunehmen, koste den Macher nicht nur Geld, sondern auch Arbeit.
Sie warnen auch vor der Einschränkung der Meinungsfreiheit, unter anderem durch "Overblocking". So nennt man den Vorgang, wenn Webseiten vorsichtshalber mehr sperren als sie müssten, um kein Risiko einzugehen.
FDP-Fraktion auch dagegen
Schon im vergangenen Jahr hatte die FDP-Bundestagsfraktion die geplante Reform mit einem Antragmit dem Titel "Bekenntnis zur Meinungsfreiheit" auf die Tagesordnung gesetzt. Die Argumente der Liberalen: Upload-Filtern sei es "technisch nicht möglich, legale und illegale Inhalte im Internet automatisiert zu unterscheiden."
Upload-Filter hätten den Aufbau eines komplizierten Kontrollsystems zur Folge, das Unternehmen auch für ganz andere Zwecke nutzen könnten, so die FDP-Fraktion. Beispielsweise könnten durch die Filter auch unliebsame Meinungen gesperrt werden, was einer Zensur gleich käme.
Kleine Anfrage der AfD
Auch die AfD-Fraktion treibt das Thema um. Sie hat zur Reform eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Unter anderem will sie wissen, ob die Regierung ausschließen könne, dass es zu dem sogenanntem "Overblocking" komme.
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD steht: "eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern, […] lehnen wir als unverhältnismäßig ab". Die AfD fragt, ob die Bundesregierung nun "gegen diese vorgehen" wird. In ihrer Antwort stellt die Bundesregierung klar, dass neutrale Stellen letztlich über die Rechtmäßigkeit von Filter-Maßnahmen entscheiden sollten.
Einigung in Brüssel?
Fachleute haben in Brüssel monatelang über die Details der Reform gerungen. Medien berichten in diesen Tagen, dass sie sich offenbar nun geeinigt hätten. Von geplanten Ausnahmeregelungen ist zu lesen: Unternehmen und Plattformen, die jünger als drei Jahre sind, deren Jahresumsatz weniger als zehn Millionen beträgt und deren Nutzerzahl bei unter fünf Millionen pro Monat liegt, sollen wohl von Artikel 13 ausgenommen werden.
"Auch private und nicht-kommerzielle Projekte, wie zum Beispiel Wikipedia, sollen von den Regeln nicht betroffen sein. Wo genau die rechtliche Grenze verläuft, erscheint jedoch unklar", heißt es etwa auf tagesschau.de.
Wie geht's weiter?
Jetzt müssen die EU-Mitgliedsländer und das Parlament bis voraussichtlich Mitte April final zustimmen. Es kann immer noch zu Änderungsanträgen kommen. Gegner der Reform machen aus unterschiedlichen Gründen weiter mobil – Verbände der Wirtschaft, Institute oder aber Kreative. Ihnen gehen die geplanten Vorschriften zu weit, es käme zu vielen negativen Auswirkungen.
Was macht Deutschland?
Bei der Reform handelt es sich um eine Richtlinie. Richtlinien sind Rahmengesetze der EU; sie stellen eine politische Forderung an die Gemeinschaft und müssen von den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten dann innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden.
Zurück zum Bundestag. Der Antrag der FDP-Fraktion wurde Ende Januar abgelehnt: CDU/CSU und SPD stimmten mit ihrer Mehrheit dagegen, FDP, AfD und Linke dafür, die Grünen enthielten sich. Dies hat jedoch keine direkten Auswirkungen auf die weitere Entwicklung in der EU.
Oliver Hahn
Oliver Hahn
ist Schüler