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Kriminalität gegen Frauen Opposition: Die Regierung soll mehr gegen Gewalt tun

Laura Heyer

Jede dritte Frau in Deutschland wird in ihrem Leben einmal Opfer von psychischer, körperlicher oder sexualisierter Gewalt. Alle vier Fraktionen der Opposition fordern von der Regierung, mehr dagegen zu unternehmen.

Plakat 'Frauenrechte sind Menschenrechte'

Die Kampagne „One Billion Rising“ setzt sich jedes Jahr am 14. Februar gegen die Gewalt an Frauen und Mädchen ein. Dabei gehen viele Frauen und Männer auf die Straße. In diesem Jahr findet der Protest online statt.© picture alliance / Paul Zinken/dpa | Paul Zinken

Am 14. Februar ist Valentinstag – er gilt weltweit als Tag der Liebe und der Verliebten. Gleichzeitig werden am 14. Februar in diesem Jahr weltweit Menschen auf die Straße gehen oder online protestieren, um auf das Thema Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen. Die Aktion heißt „One Billion Rising" (englisch für „Eine Milliarde erhebt sich“). Eine große Unterstützerin ist zum Beispiel die Vorsitzende des Repräsentantenhauses in den USA, Nancy Pelosi.

Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen ist in allen Ländern und allen Kulturen der Welt ein Thema. Auch in Deutschland. Statistisch gesehen wird jede dritte Frau hierzulande in ihrem Leben einmal Opfer von psychischer, körperlicher oder sexualisierter Gewalt. Jede vierte Frau erfährt Gewalt durch den eigenen Partner, so steht es in der Kriminalitätstatistik der Polizei.

Die vier Fraktionen der Opposition im Bundestag haben das Thema jetzt auf die Tagesordnung gesetzt. Ihre Anträge mit unterschiedlichen Schwerpunkten haben die Abgeordneten Ende 2020 im Plenum diskutiert, jetzt befassen sich die Ausschüsse damit.

Was ist „Gewalt an Frauen“?

Diese Frage beantwortet die sogenannte Istanbul-Konvention. Sie ist ein Übereinkommen aller Staaten in Europa zur Bekämpfung der Gewalt an Frauen. Der Grundsatz der Konvention in Artikel 1a lautet: „Zweck dieses Übereinkommens ist es, Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen.“ Bis heute haben 46 Mitgliedsstaaten des Europarats die Konvention in Istanbul unterzeichnet (daher der umgangssprachliche Name Istanbul-Konvention). 34 davon haben sie inzwischen ratifiziert, also in ihr Recht umgesetzt.

Als Gewalt an Frauen wird laut der Konvention „eine Menschenrechtsverletzung und eine Form der Diskriminierung der Frau verstanden und bezeichnet alle Handlungen geschlechtsspezifischer Gewalt, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden bei Frauen führen oder führen können (…).“

Wo findet Gewalt statt?

Frauen und Männer sind in Deutschland sehr unterschiedlich von Gewalt betroffen. Männer erleben Gewalt eher im öffentlichen Raum, also auf der Straße und oftmals von fremden Personen. Bei Frauen ist das anders – sie erleben Gewalt am häufigsten in Paarbeziehungen. Betroffen sind alle Altersgruppen und auch alle Gruppen der Gesellschaft. 2019 wurden in Deutschland insgesamt 141.792 Menschen Opfer von Partnerschaftsgewalt, knapp 115.000 Opfer waren weiblich.

Laut erster Umfragen haben die Corona-Pandemie und der Lockdown zu mehr Gewalt an Frauen und Kindern geführt. Opferverbände wie der sogenannte „Weiße Ring“, der sich um Opfer von Gewalt kümmert, oder das Hilfetelefon für Frauen, berichten von mehr Anrufen und Hilfesuchenden (mehr dazu lest ihr hier).

Das fordert die AfD

Mit diesem Thema befasst sich auch die AfD in ihrem Antrag. Sie fordert einen umfassenden Bericht, in dem sichtbar wird, wie auf „häusliche Gewalt durch die Corona-Einschränkungen“ reagiert wurde. In der Folge sollten die getroffenen Maßnahmen dann auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden, schreiben die Abgeordneten. Zudem solle die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern ein Konzept entwickeln, „wie Opfer im Falle eines erneuten Lockdowns besser vor Gewalt geschützt werden können“.

Einen weiteren Fokus legt die AfD auf sogenannte Zwangsverheiratungen, also den Abschluss einer Ehe, bei der nicht beide Partner zugestimmt haben. Diese Art von Heirat findet teilweise in Kulturkreisen von Menschen statt, die nach Deutschland eingewandert sind. In ihrem Antrag verlangt die AfD von der Bundesregierung, neue Beratungsstellen zu schaffen oder vorhandene Beratungsstellen zu erweitern, um über Zwangsverheiratung aufzuklären und zu beraten. Sie solle zudem Hilfsprogramme für Betroffene anbieten.

Mehr Schutz fordert die FDP

Auch die FDP-Fraktion sieht die Corona-Krise als großes Problem, das häusliche Gewalt noch verstärkt habe. Daher fordern die Abgeordneten in ihrem Antrag, Schutzeinrichtungen wie Frauenhäuser weiter auszubauen und auch online zu registrieren, damit Betroffene schneller einen Platz bekommen.

Linke: Femizid statt Mord

Ein Gewaltdelikt an Frauen sollte nicht Mord, sondern „Femizid“ genannt werden – das fordert die Linkenfraktion in ihrem Antrag. Damit werde deutlich, dass bei diesen Fällen „Frauen oder Mädchen aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit“ getötet werden. Darüber hinaus möchte die Fraktion eine “Femicide-Watch“-Beobachtungsstelle einrichten und auch die Polizeistatistik um den Bereich „Partnerschaftsgewalt erweitern“.

Außerdem fordert die Linke in einem weiteren Antrag, Gewalt, die online geschieht, zu erfassen. Sie soll als „digitale geschlechtsspezifische Gewalt“ klar definiert werden und als eigener Aspekt von Hasskriminalität in die Polizeistatistiken aufgenommen werden.

Grüne wollen mehr Unterstützung

Die Grünen fordern in ihrem Antrag mehr Präventionsmaßnahmen wie Beratungs- und Meldestellen. Zudem sollen alle Fälle von Gewalt an Frauen noch genauer erfasst werden und eine Sonderzentrale für Hasskriminalität on- und offline bei der Staatsanwaltschaft eingerichtet werden, um Fälle noch schneller verfolgen zu können.

CDU/CSU und SPD: Deutschland tut viel

Jedes Opfer von Gewalt ist eines zu viel, darin sind sich alle Fraktionen einig. Doch „für uns steht jedes Opfer, das von Gewalt betroffen ist, im Mittelpunkt und nicht das Geschlecht“, sagte Sylvia Pantel (CDU/CSU) in der Debatte. Die Bundesregierung habe zum Beispiel mit dem Hilfetelefon und anderen Einrichtungen viele Möglichkeiten für Frauen geschaffen. Ihre Kollegin Nina Warken wies zurück, dass die Zahlen von Gewalt bisher statistisch nicht ausreichend erfasst würden. Ein Interview mit ihr lest ihr hier.

„Wir können nur gemeinsam als Gesellschaft dagegen kämpfen. Deswegen müssen wir alle hinschauen, handeln und Gewalt anzeigen“, appellierte Gülistan Yüksel von der SPD-Fraktion.

Opposition ist kritisch

Mariana Iris Harder-Kühnel (AfD) machte besonders die Migrationspolitik der Regierung für die Gewalt gegen Frauen verantwortlich. Geflüchtete aus anderen Ländern hätten ein anderes Frauenbild und durch mehr Zuwanderung würden daher auch mehr Gewaltdelikte entstehen, so Harder-Kühnel.

Nicole Bauer von der FDP-Fraktion wies besonders auf die Verschärfung des Problems durch die Corona-Krise hin. Die Regierung müsse etwas unternehmen, um dem entgegenzuwirken.

Linke und Grüne fordern mehr Aufklärung

Während andere Länder Femizide schon längst systematisch erfassten, sei Deutschland noch weit hinterher, kritisierte Cornelia Möhring (Die Linke). „Es geht perspektivisch um eine Veränderung des Bewusstseins“, sagte sie in der Aussprache.

Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, es müsse ein Augenmerk auf das Thema Hasskriminalität im Netz gelegt werden. „Insbesondere im Internet und in den sozialen Netzwerken schlägt Frauen und Mädchen eine Welle von Gewalt und Hass entgegen. Täter diskreditieren und verdrängen diese aus den sozialen Netzwerken“, dagegen müsse etwas unternommen werden, sagte Schauws.

Die ganze Debatte seht ihr im Video oder lest sie auf bundestag.de

(lh)

Mitmischen-Autorin

Laura Heyer

hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.

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