Austauschprogramm Wie geht es weiter mit Erasmus?
Julia Funk
Studium im Mailand, Praktikum in Warschau, Sprachkurs in London – mit Erasmus fördert die EU Studenten, Schüler, Azubis und Jungunternehmer, die für eine Weile ins Ausland gehen. Aktuell wirbelt Corona das Programm durcheinander. Im Bundestag ging es kürzlich auch um Grundsätzliches.
In einer fremden Stadt zur Uni gehen oder arbeiten, Freunde aus anderen Kulturen finden, in ein neues Land eintauchen – rund 800.000 Schüler, Studenten und Auszubildende nehmen jedes Jahr am Erasmus-Programm der Europäischen Union teil. Bisher. Doch wegen des neuartigen Corona-Virus ist jetzt alles anders.
Universitäten schließen, Kurse finden online statt oder fallen gänzlich aus. Arbeitgeber schicken ihre Mitarbeiter ins Homeoffice. Einige Erasmus-Teilnehmer bleiben in ihrem Zielland, andere verlassen es, um schnell nach Deutschland zurückzukehren. Infos in Sachen Mobilität, Stornierungen, Kosten und mehr finden die Betroffenen hier. Und Achtung: Die Antragsfristen für neue Bewerbungen verschieben sich derzeit.
Erasmus im Bundestag
Auch der Bundestag beschäftigt sich derzeit mit dem Erasmus-Programm. Dabei geht es jedoch nicht um die aktuellen Probleme rund um die Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus, sondern um die teilnehmenden Länder.
In einem Antrag fordert die AfD-Fraktion die Bundesregierung dazu auf, sich im Europäischen Rat für Verhandlungen mit Großbritannien und der Schweiz einzusetzen. Die Schweiz ist 2014/2015 aus dem Programm ausgeschieden. Wie es mit Großbritannien nach dem endgültigen Vollzug des Brexits Ende dieses Jahres weitergeht, ist noch ungewiss. Es laufen Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien.
Erasmus kurz erklärt
Seit 1987 gibt es das Erasmus-Programm. Die Grundidee zu Beginn: Das Programm sollte Studenten bei der Finanzierung ihres Auslandsaufenthalts und der Anerkennung ihrer Leistungen im Ausland unterstützen. Europas Politiker wollten damit den Austausch zwischen Studierenden an Hochschulen verschiedener Länder ermöglichen. Aber auch verschiedene Projekte oder Kooperationen zwischen den Hochschulen werden durch Erasmus umgesetzt.
Und woher kommt der Name? Der Programmname ist auf Erasmus von Rotterdam zurückzuführen. Er war ein niederländischer Humanist und Theologe (1466-1536), der sich für ein friedliches Miteinander zwischen den verschiedenen europäischen Staaten einsetzte, gegen jede Art von Krieg eintrat und gerne und viel reiste.
Was für viele junge Leute in erster Linie eine tolle Zeit im Ausland bedeutet, ist aber noch viel mehr. Erasmus ist inzwischen das weltweit größte Programm für Förderungen von Auslandsaufenthalten an Hochschulen. Millionen Studierende profitierten bereits von Erasmus. Mehr als eine halbe Million davon kommen aus Deutschland.
Über die Jahre entwickelten sich mehrere Erasmus-Programme für weitere Zielgruppen. Ein Beispiel dafür ist Erasmus für Jungunternehmer. Auch Auszubildende und Schüler fördert Erasmus inzwischen. Seit 2014 werden alle diese Programme unter den Begriff „Erasmus+“ zusammengefasst.
Warum Erasmus?
Von einem Aufenthalt im Ausland profitiert nicht nur jeder Einzelne. Auch zukünftige Arbeitgeber wissen interkulturelle Kompetenzen, Sprachkenntnisse, Selbstbewusstsein und Kommunikationsfähigkeit zu schätzen.
Mit einem Praktikum im Ausland schlägt man sogar direkt zwei Fliegen mit einer Klappe: Arbeits- und Auslandserfahrung. In Deutschland kümmern sich vier Agenturen um das Erasmus+ Programm und setzen dieses um. Erasmus+ wurde auf sieben Jahre ausgelegt. Ende 2020 läuft es zunächst aus, eine Fortsetzung ist in Planung.
Wer bezahlt das alles?
Erasmus Teilnehmer bekommen einen monatlichen Zuschuss für die Dauer ihres Auslandsaufenthalts. Die Beiträge für das Gesamtbudget des Programms werden von den Mitgliedsländern der Europäischen Union finanziert.
Wie viel finanzielle Unterstützung (bei Erasmus wird das Mobilitätszuschuss genannt) ein Teilnehmer pro Monat bekommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Um welches Land handelt es sich? Ist es ein Stipendium oder ein Praktikum? Liegt eventuell eine Behinderung vor? Der Betrag ist unterschiedlich hoch und kann – je nachdem – zwischen knapp 200 und 700 Euro betragen. Es gibt übrigens keine Regeln, wofür dieses Geld ausgegeben werden darf. Ob für Bücher, Lebensmittel, Unterkunft, öffentlichen Verkehr oder einfach für Entertainment vor Ort.
Wie geht es weiter?
Wie es im nächsten Jahr mit Erasmus+ grundsätzlich und jenseits von Corona weitergeht, steht noch nicht genau fest. Wie viel Geld künftig in das Programm fließt, hängt vom EU-Haushalt ab. Der wird jährlich vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union neu beschlossen. Allerdings gibt es auch einen mehrjährigen Finanzrahmen, der jeweils für sieben Jahre gilt.
Die Finanzplanung 2021 bis 2027 ist noch nicht abgeschlossen – der Brexit hat die Verhandlungen verzögert. Aber die Europäische Kommission hat schon Vorschläge gemacht. Die sehen eine Verdoppelung der Gelder für Erasmus+ auf 30 Milliarden Euro vor. Es gibt auch einen ersten Programmentwurf mit inhaltlichen Weiterentwicklungen.
"Wir müssen etwas wagen"
Der EU-Kommissar für Bildung, Kultur, Jugend und Sport Tibor Navrascsiscs sagte dazu kürzlich: „Ich bin sehr stolz, dass die Kommission die Verdopplung des Erasmus-Haushalts vorgeschlagen hat – das ist die höchste Aufstockung von allen Programmen in unserem EU-Haushaltsvorschlag. Wir müssen etwas wagen. Ich fordere die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament auf, uns zu unterstützen.“
Die AfD macht in ihrem Antrag deutlich, dass sie es von dem Erfolg der Verhandlungen mit der Schweiz und Großbritannien abhängig machen würde, wie viel Geld die EU zukünftig für Erasmus+ zur Verfügung stellen sollte. Wie Ronja Kemmer (CDU/CSU) über den Antrag der AfD denkt, hat sie uns im Interview erzählt.
Und was die anderen Fraktionen dazu sagen, könnt ihr hier im Video der Debatte sehen:
Julia Funk
Julia hat Crossmedia und Public Relations studiert, Erfahrung im Film und Fernehen gesammelt und schreibt hin und wieder Artikel für verschiedene Online-Magazine. Auf Straßenschildern liest sie Sätze und Wörter gerne rückwärts.