Hochschulrahmengesetz Wer darf Medizin studieren?
Tim Oswald
Die Vergabe von Studienplätzen für Medizin verstößt gegen das Grundgesetz. Das hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt. Nun muss der Bundestag das Hochschulrahmengesetz ändern.
Zu viele junge Menschen wollen Arzt werden
Die Studiengänge Medizin, Tiermedizin und Zahnmedizin sind in Deutschland stark zulassungsbeschränkt. Das heißt: Nicht jeder, der Arzt werden möchte, kann sich an der Uni einschreiben und mit dem Medizin-Studium loslegen. Der Grund dafür ist denkbar einfach: Es gibt zu viele Bewerber und zu wenige Plätze. Auf jeden Studienplatz kommen ungefähr vier Bewerber. Doch wer entscheidet eigentlich, wer Arzt werden darf und wer nicht?
Quoten und Abitur-Noten
Die Zulassung zum Medizinstudium wird in Deutschland über Quoten geregelt: 20 Prozent der Studienplätze gehen an die Jahrgangsbesten, also die Abiturienten mit dem besten Notendurchschnitt im Abitur. Weitere 20 Prozent werden über Wartelisten verteilt, das heißt, sie gehen an Bewerber, die die entsprechende Anzahl an Wartesemstern hinter sich gebracht haben. Die Wartezeit variiert von Jahr zu Jahr, ist aber inzwischen deutlich höher als die Regelstudienzeit für das Medizinstudium. Die übrigen Plätze werden von den Hochschulen vergeben, die jeweils eigene Verfahren dafür haben.
Was muss sich nun ändern?
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil Ende 2017 klar gemacht, dass es mit dem aktuellen Verfahren der Studienplatzvergabe für die Medizin-Studiengänge nicht zufrieden ist – und es hat auch konkret festgelegt, was sich ändern soll.
Ein großer Kritikpunkt des Bundesverfassungsgerichts am aktuellen Verfahren ist die sogenannte Ortsangabe, bei der die Bewerber sechs Ortswünsche für ihr Studium angeben können. Wenn jemand nur sehr beliebte Universitäten angibt, kann es passieren, dass er trotz einer sehr guten Abi-Note keinen Platz bekommt, weil die jeweiligen Studienorte völlig überlaufen sind. Das verletze den im Grundgesetz verankerten Anspruch auf Chancengleichheit, so die Hüter der Verfassung.
Darüber hinaus kritisierten die Richter die hohe Wartezeit für Bewerber, deren Abi-Noten nicht ausgereicht haben. Die Wartezeit solle in einem angemessenen Rahmen liegen und nicht länger als vier Jahre dauern.
Schließlich ging es auch den hochschuleigenen Bewerbungsverfahren an den Kragen: Viele Hochschulen legen auch bei ihrer eigenen Auswahl nur die Abitur-Note als Kriterium an. Das findet das Bundesverfassungsgericht ungerecht, da bereits 20 Prozent der Plätze an die Jahrgangsbesten vergeben werden. Deshalb urteilten die Richter, dass Hochschulen nun mindestens ein weiteres Kriterium zur Abitur-Note hinzuziehen müssen.
Der Bundestag wird aktiv
Um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, muss der Bundestag aktiv werden. Denn die Studienplatz-Vergabe ist im Hochschulrahmengesetz des Bundes geregelt. Große Teile von Paragraf 32 des Hochschulrahmengesetzes wurden als verfassungswidrig erklärt. Deshalb wollen die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD nun die Aufhebung von Paragraf 32. Die Bundesregierung hat dazu bereits einen Gesetzentwurf eingebracht.
Durch die Aufhebung von Paragraf 32 hätten die Bundesländer die Möglichkeit, die Studienplatz-Vergabe für Medizin-Fächer im Rahmen eines neuen Staatsvertrages neu zu regeln. An einem solchen Vertrag arbeiten die Bundesländer auch schon.
Änderung der Quoten
Die Kultusministerkonferenz der Länder hat einen Vorschlag für so einen neuen Staatsvertrag ausgearbeitet. Und er enthält einige wichtige Änderungen für all diejenigen, die darüber nachdenken, Medizin zu studieren. Die Wartezeit-Quote soll gänzlich abgeschafft werden – für alle, die momentan noch warten, soll aber eine Übergangslösung geschaffen werden.
60 Prozent der Plätze sollen weiterhin durch die Unis selbst vergeben werden, jedoch müssen hier von den Universitäten noch zwei weitere Kriterien beachtet werden, die über die Abiturnote hinausgehen. Gleichzeitig soll der Anteil der Plätze, die an die Jahrgangsbesten vergeben werden, auf 30 Prozent steigen. Die übrigen 10 Prozent der Plätze sollen dann durch Kriterien vergeben werden, die mit der Schulnote nichts zu tun haben.
Doch nicht nur die Länder, die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben ihre Vorstellungen zur Studienplatzvergabe, sondern auch andere Fraktionen.
Schluss mit zusätzlichen Voraussetzungen?
Die Fraktion Die Linke hat eigene Vorstellungen in ihrem Antrag zur Reformierung des Hochschulrahmengesetzes vorgebracht. Sie will alle Zulassungsvoraussetzungen abschaffen, die über ein bestandenes Fachabitur, eine allgemeine Hochschulreife, eine abgeschlossene berufliche Ausbildung oder einen vergleichbaren Abschluss hinaus gehen. Darüber hinaus sollen alle Bewerber innerhalb von zwei Jahren einen Studienplatz in einem Fach ihrer Wahl bekommen. Damit einhergehend fordert die Linksfraktion auch die Erhöhung der Anzahl an Studienplätzen.
Auch die FDP-Fraktion brachte einen eigenen Antrag ein und fordert darin eine grundlegende Reform des Kapazitätsrechts für Hochschulen. Durch dieses Recht legen die Unis fest, wie viele Studenten maximal für bestimmte Fächer aufgenommen werden können. Die FDP findet, dass dieses System veraltet ist und will ein besseres Betreuungsverhältnis zwischen Studenten und Lehrenden erreichen. Gleichzeitig soll durch eine Reform mehr Geld für innovative Studienformate bereitgestellt werden.
Im Video könnt ihr euch die Debatte anschauen:
Tim Oswald
ist Schüler aus Weisenheim am Sand. Seine großen Leidenschaften sind Politik und Engagement. Außerdem liest er gerne, geht joggen und ist fasziniert von fremden Ländern und Sprachen. Seine Freunde machen sich heute noch darüber lustig, dass sein Lieblingsbuch in der Grundschule der Atlas war.