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Sport in der Krise „Vollbremsung kurz vor dem Absprung“

Die Bundesliga auf Eis, die Olympischen Spiele verschoben – frustrierende Zeiten für Sportler. Die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses Dagmar Freitag (SPD) über Hilfsprogramme für Vereine, veränderte Wettkampf-Kalender und neue Doping-Probleme.

Der Trainer des Karlsruher SC vor seinem leeren Stadion.

Leere Stadien (hier beim Karlsruher SC) – und so wird es wohl noch eine ganze Weile bleiben, auch wenn das Training für viele Sportler langsam und unter vielen Auflagen wieder anläuft. © picture alliance/augenklick/GES

Die meisten Ligen und Turniere stehen weltweit gerade still, die Olympischen Spiele etwa sind aufs nächste Jahr verschoben. Was bedeutet das für Sportler, Vereine und Sport-Verbände?

Für viele Sportlerinnen und Sportler ist die aktuelle Situation wie eine Vollbremsung kurz vor dem Absprung. In vielen Sportarten war das Saisonfinale in Reichweite, etliche Top-Sportlerinnen und Sportler waren in der intensiven Vorbereitung auf ihren großen Traum: die Teilnahme an den Olympischen und Paralympischen Spielen in Tokyo. Auch im Breitensport ruht schlagartig der Trainings- und Wettkampfbetrieb. Jetzt basteln die Sportverbände komplett neue Wettkampf-Kalender in der Hoffnung, dass Sport wieder möglich sein wird. Ich fürchte allerdings, dass es dauern wird, bis wir zur lieb gewonnenen Normalität zurückkehren können.

Profitieren Sportler und Vereine von dem Corona-Rettungspaket, das kürzlich im Bundestag beschlossen wurde?

Ja, der Sport profitiert wie alle anderen Wirtschaftszweige natürlich auch von dem Paket – unter anderem durch den Zugang zum Kurzarbeitergeld für die Vereinsbeschäftigten oder Soforthilfen aus dem Bundesprogramm „Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbstständige“. Auch einige Bundesländer sind mittlerweile dem Beispiel Hamburgs gefolgt und haben eigene Programme aufgelegt, um Sportvereine zu unterstützen.

Irgendwann werden ja wieder Wettkämpfe stattfinden. Die Sportler müssen also weiter trainieren. Wie sieht Mannschaftstraining in kontaktlosen Zeiten aus?

Unter den aktuellen Auflagen ist Mannschaftstraining im eigentlichen Sinn natürlich nicht möglich. Die Einhaltung der Kontaktbeschränkungen wäre bei einem normalen Training ausgeschlossen und daher versuchen die betroffenen Vereine, ihre Sportlerinnen und Sportler auf Individual- und Kleinstgruppentraining ausweichen zu lassen. Das ist alles andere als optimal – aber aktuell alternativlos.

Besonders viel wird gerade über die Bundesliga diskutiert. Bis mindesten 30. April finden keine Spiele statt, danach unter Umständen sogenannte Geister-Spiele. Warum ist es so wichtig, dass die Bundesliga-Saison weitergeht?

Die Deutsche Fußball Liga hat deutlich gemacht, dass es zuvorderst die gewaltigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Profivereine sind, die die Fortsetzung des Spielbetriebs aus deren Sicht zwingend notwendig machen. Dieses Schicksal teilen sie aber mit den anderen großen Profi-Ligen, die ebenfalls vor großen Herausforderungen stehen, aber ihre Saison bereits vorzeitig beendet haben.

Für viele Fans ist ihr Sportverein ein wichtiger Lebensmittelpunkt. Ist die aktuelle Lage auch ein soziales Problem?

Die neben den wirtschaftlichen Auswirkungen größten Einschränkungen der Krise erleben wir doch alle jeden Tag: Unsere realen Kontakte zu Freunden und Familie sind auf ein Minimum reduziert, und das ist ein hoher Preis. Und auch Sportvereine sind wichtige soziale Inseln in der Mitte der Gesellschaft, wo Menschen mit identischen Interessen zusammenkommen und neben dem reinen Sporttreiben auch Spaß haben. Dieses Miteinander fehlt nun komplett und reißt eine große Lücke in das gesellschaftliche Gefüge, das vom Sport ganz entscheidend mitgeprägt wird.

Auch Schüler haben im Moment natürlich keinen Sport-Unterricht. Haben Sie als frühere Sport-Lehrerin einen Tipp fürs Training zuhause?

Naja, Sport in Gemeinschaft macht nun mal einfach mehr Spaß. Aber momentan müssen wir alle nach Strohhalmen greifen. Also ab in die Joggingschuhe oder aufs Fahrrad und raus an die frische Luft – aber eben alleine. Auch Krafttraining oder Gymnastik in den eigenen vier Wänden können ein bisschen gegen die erzwungene Bewegungsarmut helfen oder – nicht ganz ernst gemeint – Seilhüpfen, bis die Nachbarn sich beschweren. :-)

In der aktuellen Krise finden auch weniger Doping-Kontrollen statt. Kann man sicherstellen, dass Sportler die Situation nicht ausnutzen, um neue Doping-Mittel auszuprobieren?

Das ist in der Tat ein großes Problem. Die sonst weltweit regelmäßig durchgeführten Doping-Kontrollen sind aus nachvollziehbaren Gründen sehr reduziert und das öffnet der Manipulation leider Tür und Tor. Ich hoffe, dass wir diejenigen, die die Corona-Krise zum Betrügen ausnutzen wollen, dann später überführen werden.

Porträt Dagmar Freitag.

„Jetzt basteln die Sportverbände komplett neue Wettkampf-Kalender“, sagt Dagmar Freitag. Foto: Die Hoffotografen

Über Dagmar Freitag

Dagmar Freitag, 67, war Lehrerin, bevor sie 1994 für die SPD in den Bundestag einzog. Seit 2009 ist sie Vorsitzende des Sportausschusses und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses. Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.

(jk)

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