Kriminalität Sexualisierte Gewalt an Kindern soll härter bestraft werden
Eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten stimmte für einen Gesetzentwurf, mit dem Kindesmissbrauch und sexualisierte Gewalt an Kindern härter bestraft werden sollen. Trotz allgemeiner Zustimmung zählte die Opposition Mängel auf.
Münster, Lügde und Bergisch Gladbach – diese Orte machten hierzulande zuletzt negative Schlagzeilen in den Medien: Missbrauchsfälle an Kindern wurden dort aufgedeckt und ganze Netzwerke von Pädophilen enttarnt. Als pädophil gilt jemand, der sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlt.
Auf solche Missbrauchsfälle hatten die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD reagiert und dem Bundestag einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vorgelegt.
Das neue Gesetz sieht härtere Strafen vor und räumt den Ermittlungsbehörden mehr Befugnisse ein. So kann etwa Telefon- und Internetkommunikation von Verdächtigen weitreichender überwacht werden.
Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen sowie der AfD-Fraktion wurde der Gesetzentwurf angenommen. Die Fraktionen der FDP, der Linken und der Grünen enthielten sich. Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde für erledigt erklärt, da er im Wortlaut gleich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf war.
Was ändert das Gesetz?
Das Gesetz verschärft in erster Linie die Strafen für solche Verbrechen und Tatbestände. Ein Beispiel: Verbreitet, besitzt oder stellt eine Person Kinderpornografie her, gilt dies nun als Verbrechen. Zuvor wurde es lediglich als Vergehen eingestuft, für das es Geldstrafen oder geringe Freiheitsstrafen gibt.
Nun muss eine Person, die kinderpornografische Medien besitzt, verbreitet oder herstellt, für mindestens ein Jahr ins Gefängnis. Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren sind nun möglich.
Auch wer sexualisierte Gewalt gegen Kinder ausübt, sie also in irgendeiner Form sexuell missbraucht, muss dafür für ein bis 15 Jahre ins Gefängnis gehen.
Bisher gab es für Letzteres maximal zehn Jahre Haft. Auch wird dies nun als Verbrechen eingestuft. Neu ist auch, dass jetzt bestraft wird, wer kindlich aussehende Sexpuppen besitzt oder verbreitet.
Statistik: Fälle steigen
Bisherige Strafen hätten nicht die „erhoffte Abschreckungswirkung entfaltet“, begründen die Fraktionen von CDU/CSU und SPD ihren Gesetzentwurf. Daher wollen sie weitere Maßnahmen ergreifen, „um Kinder vor den Gefahren zu schützen“.
Die Kriminalstatistik der Polizei zeigt für 2019 65 Prozent mehr kinderpornografische Straftaten als im Vorjahr. Auch die Fälle sexuellen Missbrauchs lagen 2019 um elf Prozent höher als 2018.
Was sagen die Abgeordneten zum Gesetzentwurf?
SPD: Höhere Strafen sollen stärker abschrecken
„Wir treten dieser Gewalt an Kindern wirksam und deutlich entgegen – mit allen Mitteln, die der Rechtsstaat hat“, rechtfertigte Susann Rüthrich von der SPD-Fraktion den Gesetzentwurf.
Sie hoffe, dass das gesteigerte Strafmaß nun mehr abschrecke, Gewalttaten an Kindern zu begehen. Sie und ihre Fraktion wollen damit „das Leben der Kinder in unserem Land wieder ein Stück sicherer und besser machen“.
AfD kritisiert den Begriff Gewalt
Johannes Huber von der AfD-Fraktion begrüßte, dass Strafen verschärft und Verfahren der Strafverfolgung beschleunigt würden. Letzteres verkürze „die Leidensdauer für die Opfer“, so Huber.
Er kritisierte aber den Begriff „sexualisierte Gewalt“, da dieser körperlichen Zwang meine. „Sexueller Missbrauch benötigt jedoch oftmals keine Gewalt, sondern wird ebenso durch psychische Manipulation des Kindes ermöglicht“, sagte Huber.
CDU/CSU: „Täter besser zur Strecke bringen“
Als „ausgezeichnet“ bezeichnete Thorsten Frei von der CDU/CSU-Fraktion die Gesetzesvorlage. Diese habe man „so intensiv parlamentarisch begleitet und bearbeitet“ wie kaum ein anderes Gesetz.
Frei zählte auf, was unter dem Gesetz künftig besser sei: Fälle würden nicht mehr so schnell verjähren. Das heißt, sie sind länger gerichtlich verfolgbar. Richter könnten leichter Untersuchungshaft anordnen und Polizei und Staatsanwaltschaft einfacher Onlinedurchsuchungen oder Telefonüberwachungen vornehmen. Frei fasste zusammen: „All das sind entscheidende Maßnahmen, um solchen Tätern besser auf die Schliche zu kommen und sie dann auch zur Strecke zu bringen.“
FDP kritisiert Mehraufwand und fehlendes Personal
Jürgen Martens von der FDP-Fraktion hält es „für verkürzt“, dass lediglich Strafen erhöht würden. Ihm fehlt, dass benötigtes Personal für die Verfahren im Gesetzentwurf nicht in Aussicht gestellt werde. Das Gesetz hätte zudem zur Folge, dass „einfachste Fälle mit einem sehr, sehr großen Mehraufwand verbunden“ wären. Ihm fehle eine Regelung für „minderschwere“ Fälle, damit Ressourcen nicht „unnütz“ verschwendet würden.
Linke: Prävention wäre „deutlich wirksamer“
Gökay Akbulut von der Linksfraktion unterstützt das Ziel der Bundesregierung, denn „im Kampf gegen sexualisierten Missbrauch von Kindern darf es absolut keine Toleranz geben“.
Dennoch kritisierte sie, dass viele Mängel im Gesetzentwurf, auf die Experten hingewiesen hätten, nicht korrigiert worden seien. Statt „Strafverschärfung als Mittel zur Abschreckung“ wären präventive Maßnahmen deutlich wirksamer: etwa mehr Personal in der Jugendarbeit, bei den Telefonhotlines, bei den Beratungsstellen, bei den Therapieplätzen und in den Frauenhäusern.
Grüne: „Verhindern besser als Verfolgen“
Weil „Verhindern letztlich noch viel besser als Verfolgen“ sei, begrüßte die Grünen-Abgeordnete Katja Keul das Gesetz. Positiv sieht sie zum Beispiel, dass Verfahrenspfleger und Familienrichter künftig eine Mindestqualifikation vorweisen müssten oder es verschärfte Anhörungspflichten gebe.
Keul bemängelte, wie andere Abgeordnete auch, dass minderschwere Fälle nicht eingeführt würden. So könne auch der Besitz eines einzigen Bildes ein Verbrechen sein. Das sei „dramatisch“. Als Beispiel nannte sie „sexualisierte Nacktfotos, wie sie sich heutzutage Schülerinnen und Schüler leider massenhaft gegenseitig schicken“.
Mehr zum Gesetzentwurf und zu zahlreichen abgelehnten Vorlagen der Opposition lest ihr auf bundestag.de. Die gesamte Debatte könnt ihr euch im Video anschauen.
(loh)