Umwelt Sehen wir den Wald vor lauter Bäumen noch?
Eric Matt
Rund ein Drittel Deutschlands besteht aus Wald. Doch Quantität ist nicht gleich Qualität: Wie ist der Zustand unserer Wälder? Das wollte der Umweltausschuss von Experten wissen.
Schnupfen, Husten, Halsweh – nicht nur Menschen können erkranken, sondern auch Pflanzen, Bäume oder ganze Wälder. Mit dieser Thematik beschäftigten sich kürzlich einige Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Die Mitglieder des Umweltausschusses befragten Experten, wie es um den deutschen Wald steht.
Warum sind Wälder wichtig?
Wälder werden auch die „Lunge der Erde“ genannt. Dies liegt daran, dass Bäume eine Menge an Sauerstoff produzieren, den Mensch und Tier zum Atmen benötigen.
Außerdem sind Wälder im Kampf gegen den Klimawandel essenziell. Denn Bäume nehmen Kohlendioxid auf und wandeln diesen in Sauerstoff um. Das wiederum hilft dabei, den Klimawandel zu verlangsamen, da Kohlendioxid ein sogenanntes Treibhausgas ist.
Solche Gase sorgen wie die Scheiben eines Treibhauses dafür, dass es auf der Erde warm ist. Doch seit rund 250 Jahren verstärken die Menschen den an sich natürlichen Treibhauseffekt erheblich, darin sind sich die weltweit führenden Klima-Wissenschaftler einig. Die Folge: Ein globaler Temperaturanstieg, Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt, es gibt immer mehr Extrem-Wetterlagen wie Hitzeperioden oder Stürme.
„Wälder verlieren Leistungsfähigkeit“
Wie steht es also um den so wichtigen deutschen Wald? Prof. Dr. Sven Wagner von der Technischen Universität Dresden erklärte, dass „effektiver Biodiversitätsschutz im Wald erforderlich“ sei. Biodiversität heißt, dass viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten in der gleichen Umwelt leben.
Der sich verschärfende Klimawandel "stellt eine neue und zusätzliche Herausforderung dar“, so Wagner. Von der Politik forderte er neue Strategien, da sonst „die Wälder auf großer Fläche ihre Leistungsfähigkeit verlieren“ könnten.
„Regionaler Klimawandel“
Dass der Klimawandel die Wälder direkt beschädige, ist sich Prof. Dr. Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde sicher. „Je heißer es wird, desto trockener. Alle Pflanzen und Organismen werden auf komplexe Art und Weise geschädigt“, so Ibisch.
Regionale Forst- und Landnutzung verstärke zudem die Austrocknung der Wälder, beispielswiese indem man Waldflächen komplett fällen würde. Daher könne man „nicht nur über einen globalen Klimawandel, sondern auch über lokalen und regionalen Klimawandel“ sprechen.
Schutzfunktion versus Nutzfunktion
Prof. Dr. Daniela Kleinschmit von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg verwies auf einen Konflikt zwischen der „Schutzfunktion und der Nutzfunktion“. Einerseits will der Mensch aus den Wäldern Holz gewinnen, andererseits darf er sie nicht überlasten.
Kleinschmit fragte: „Führt ein Mehr an Naturschutz automatisch zu einem Weniger an Rohholzbereitstellung?“
„Intelligentes Waldmanagement“
Prof. Dr. Ralf Kätzel vom Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde erklärte, dass es beim derzeitigen Zustand des Waldes „gar keine Zeit“ mehr gebe und man schnelle Lösungen brauche.
„Wir sollten alles tun, um Stressfaktoren zu eliminieren. Das schafft man nicht durch Nichtstun, sondern durch ein intelligentes Waldmanagement“, so Kätzel. Dafür müsse man beispielsweise Biodiversität in den Wäldern fördern.
„Ein Drittel aller Arten ist gefährdet“
Als Vertreterin von Greenpeace Deutschland war Sandra Hieke geladen. Sie erklärte, dass „ein Drittel der Arten in Deutschland gefährdet“ sei und „zu den Hauptursachen die intensive Bewirtschaftung der Wälder“ zähle.
Sie stellte fest: „Holz als Energieträger ist nicht klimaneutral, auch wenn das immer wieder propagiert wird.“ Daher forderte Hiekel eine „Waldwende“, mehr Schutzgebiete und eine ökologische Bewirtschaftung der Wälder.
„Das Ökosystem Wald stirbt nicht“
Forstingenieur Hakola Dippel hingegen sah „die Dinge etwas gelassener“. Er verwies auf seine 18 Jahre lange Erfahrung als Leiter eines Forstreviers. Dippel sagte, dass „dem natürlichen Ökosystem Wald der momentane Zustand so gut wie gar nicht“ schade.
Förster hätten es „immer wieder geschafft, aus völlig verwüsteten Waldflächen einen schönen, stabilen Wald zu gestalten“. Dippel fasste zusammen, dass die deutschen Wälder nicht stürben, sondern sich langfristig wieder erholten.
Das gesamte Fachgespräch könnt ihr euch im Video anschauen.
Eric Matt
... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.