FDP-Politiker „Kinderarbeit könnte wieder zunehmen“
Eric Matt
Kinderarbeit gehe dort zurück, wo der Wohlstand wächst, sagt Till Mansmann (FDP). Die Vorschläge von Union und SPD für "saubere" Lieferketten sieht er kritisch, schlimmstenfalls könnte das Elend gar zunehmen.
Derzeit müssen über 150 Millionen Kinder weltweit arbeiten, um ihre Familien mit zu ernähren, oft unter gefährlichen Bedingungen. Warum ist es so schwer, dagegen anzugehen?
Weil es keine ‚Weltregierung‘ gibt, die flächendeckend die Durchsetzung von Rechten erzwingen kann. Das derzeitige internationale System führt dazu, dass die Länder sich selbst um das Problem Kinderarbeit kümmern müssen. Das funktioniert aber eben nicht immer so, wie man es sich wünschen würde – wenngleich schon große Fortschritte erzielt werden konnten.
Brauchen wir also eine bessere internationale Zusammenarbeit, um diese Probleme bekämpfen zu können?
Wir können jetzt schon über die internationale Staatengemeinschaft und durch Handelsabkommen betroffene Staaten unterstützen. Trotzdem gibt es beim Thema Menschenrechte global noch viel zu tun. Natürlich muss aber auch jedem bewusst sein, dass es auf so komplexe Fragen keine einfachen Antworten gibt.
Wie können deutsche Unternehmen sicherstellen, dass sie keine Produkte anbieten, an denen Kinder mitgearbeitet haben?
Im Optimalfall stellt sich diese Frage erst gar nicht.
Was meinen Sie damit?
Privatunternehmen sollten gar nicht erst unterscheiden müssen, was eventuell von Kindern hergestellt wurde und was nicht. Für mich ist es zuallererst eine staatliche Aufgabe, Rechte durchzusetzen. Wenn wir passende Gesetze hätten, dann würde es für jedes Unternehmen ausreichen, sich an diese Regeln zu halten, um Kinderarbeit zu verhindern.
Das ist bis dato aber nicht der Fall.
Ja und solange das so ist, müssen wir uns überlegen, was das richtige Instrumentarium ist, um die gemeinsamen internationalen Ziele erreichen zu können. An diesem Punkt wird die Diskussion dann schon deutlich schwieriger.
Was halten Sie von staatlichen Labeln wie beispielsweise dem Grünen Knopf, den Unternehmen an ihre Produkte anbringen können, wenn sie freiwillig 46 anspruchsvolle Sozial- und Umweltstandards einhalten?
Eine freiwillige Verpflichtung wie der Grüne Knopf ist in diesem Fall nicht das richtige Mittel, da wir grundsätzliche Rechtsstandards brauchen. Kinderarbeit muss international geächtet und illegal sein.
Der Bundestag hat einen Antrag von CDU/CSU und SPD angenommen, der Vorschläge macht, wie man Kinder vor Ausbeutung schützen kann. Im Plenum sagten Sie, wenn diese Vorschläge umgesetzt würden, entstünde dadurch mehr Kinderarbeit. Wie kommen Sie darauf?
Wir haben in den letzten Jahrzehnten Kinderarbeit stark eindämmen können. Dies war besonders dort der Fall, wo der Wohlstand gewachsen ist. Wenn Deutschland nun aber Maßnahmen einleitet, die die betroffenen Länder in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung stark zurückwerfen, dann könnte in solchen Ländern die Kinderarbeit wieder zunehmen.
Wenn Deutschland nun aber den Import von Produkten, an denen Kinder gearbeitet haben, verbietet, so geht doch die Nachfrage und damit auch die Kinderarbeit zurück.
Ja, deshalb sollte man internationale Handelsabkommen beschließen, mit denen man den betreffenden Ländern klarmacht, welche Art von Produkten wir akzeptieren und welche nicht. Somit könnte man auf die Regierungen der jeweiligen Länder einen großen Druck ausüben.
Bis ein solches Abkommen ausgehandelt wäre, könnten Jahre vergehen, in denen noch immer Millionen Kinder weiterarbeiten müssten.
Ein Handelsabkommen dauert einige Zeit, hat dann aber eine enorme Wirkung. Ich wüsste keinen anderen Mechanismus, der einen ähnlich guten Effekt erzielen und schneller funktionieren würde. Bei einem deutschen Lieferkettengesetz hingegen glaube ich, dass der Schaden viel größer wäre als der Nutzen.
Warum hat Ihre Fraktion den Antrag im Bundestag dann nicht abgelehnt, sondern sich nur enthalten?
Weil wir einige Punkte des Antrages als richtig erachten, beispielsweise die Forderung nach einer internationalen Zusammenarbeit innerhalb der Vereinten Nationen oder die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen. Jedoch glauben wir, dass der Antrag in Teilen ein bloßes Lippenbekenntnis war, das keine konkreten Schritte mit sich bringen wird.
Was müsste geändert werden, damit Sie das nächste Mal zustimmen würden?
Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD müssten ihre Ansätze zu internationaler Zusammenarbeit konkretisieren und ihre Vorhaben mit Geldsummen hinterlegen. Ansonsten sind es bloße Schaufenster-Anträge.
Über Till Mansmann
Till Mansmann (FDP), 52, kommt aus Hessen und ist Diplom-Physiker. Für seine Fraktion sitzt er im Ausschuss für Arbeit und Soziales und im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.
Eric Matt
... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.